Verdi: "Weltbild-Investor wälzt alles auf den Steuerzahler ab"
Mit Entsetzen erfahren die Angestellten, dass ihr Arbeitgeber - die Also AG - den Augsburger Standort in die Insolvenz schickt. Warum Verdi dahinter Kalkül des Investors vermutet.
Die Mitarbeiter im früheren Weltbild-Logistikzentrum sind schlechte Nachrichten gewohnt. Vor anderthalb Jahren rutschte die Augsburger Verlagsgruppe in die Insolvenz, Monate später – als der Düsseldorfer Investor Walter Droege den Konzern übernommen hatte – wanderte die Sparte an den Logistikspezialisten Also. Doch die Sorgen blieben. 150 von 450 Vollzeitstellen müssten abgebaut werden, erklärte Also-Geschäftsführer Reiner Wenz zuletzt im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Aufträge fehlten, das Logistikzentrum sei schlecht ausgelastet, betonte er.
Doch mit dieser Nachricht dürften die Beschäftigten nicht gerechnet haben, als sie gestern zur Arbeit kamen. Oder als sie nach der Mittagspause zusammenkamen. Als Betriebsrat Timm Boßmann ihnen erklären musste, was das bedeutet. Dass der Also-Konzern entschieden hat, „die Finanzierung des laufenden Geschäfts einzustellen“, wie es in einer Mitteilung heißt. Dass die Augsburger Logistiktochter nun Insolvenz in Eigenverantwortung anmelden will. „Für die Mitarbeiter war das ein Schock“, sagt Boßmann. Etwa 500 Beschäftigte in Augsburg stehen nun abermals vor einer ungewissen Zukunft. Denn nach Angaben der Gewerkschaft Verdi arbeiten hier auch viele Teilzeit.
Weltbild-Geschäftsführung: Kaum ein Weg führte an Insolvenz vorbei
Wie so oft im Fall Weltbild gibt es für die Ereignisse zwei Erzählungen. Aus Sicht der Geschäftsführung hat am Insolvenzantrag kaum ein Weg vorbeigeführt. „Die im letzten Jahr aus der Insolvenzmasse der Weltbild erworbene Logistikaktivität hat im ersten Halbjahr 2015 Verluste von rund vier Millionen Euro verursacht“, teilt das Unternehmen mit. Geschäftsführer Wenz berichtete kürzlich, dass viele Mitarbeiter praktisch ohne Arbeit herumstanden, als er vor zwei Monaten ins Unternehmen kam. Um am Markt zu bestehen, müsse die Logistik „wettbewerbsfähig“ sein. Ohne Stellenstreichungen sei das nicht möglich. Im Gegenzug stellt er Investitionen im Millionenbereich in Aussicht. Wenz ist nach wie vor überzeugt: „Das Unternehmen hat eine Zukunft und kann überleben. Dafür muss es aber saniert werden.“
Um die Pläne umzusetzen, geht der Logistiker Also jetzt den radikalen Weg – den der Insolvenz in Eigenverwaltung. Zahlungsunfähig ist der Konzern aber nicht. Während in Augsburg Verluste entstanden sind, machte die Mutter in der Schweiz – die Also Holding – im ersten Halbjahr 2015 rund 36,2 Millionen Euro Gewinn vor Steuern – ein Plus von fast 19 Prozent. Verdi-Mann Boßmann vermutet deshalb hinter der Insolvenz einen Plan: „Die können zahlen, aber sie wollen nicht mehr.“
Die 500 Mitarbeiter bekommen nun in den nächsten drei Monaten Insolvenzgeld von der Arbeitsagentur. Die Geschäftsführung bekommt einen Sachverwalter zur Seite gestellt und muss ein Sanierungskonzept erstellen. In der Regel werden Gespräche mit dem Betriebsrat geführt und ein Sozialplan für Beschäftigte ausgearbeitet. Die „Kosten der Restrukturierung“ schätzt Also auf acht Millionen Euro. Die Also Holding AG übrigens ist zwar nicht komplett, aber mehrheitlich ebenfalls in Besitz des Weltbild-Investors Droege.
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Verdi: Droege versucht, sich auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern
Verdi-Sekretär Thomas Gürlebeck kritisiert deshalb das gestrige Vorgehen scharf. „Das ist der Versuch des Milliardärs Walter Droege, sich auf Kosten der Allgemeinheit weiter zu bereichern.“ Und: „Droege wälzt alles auf den Steuerzahler ab: Insolvenzgeld, Arbeitslosengeld, Sozialversicherungen.“ Für Betriebsrat Boßmann ist die schlechte Auftragslage im Weltbild Logistikzentrum hausgemacht: Wenig Werbung bedeutet wenig Aufträge, sagt er. Um weitere Auftraggeber habe sich die Geschäftsleitung nicht gekümmert, kritisiert Boßmann.
Wie konnte es zu dieser Eskalation kommen? Nachdem die Gespräche zwischen Management und Betriebsrat über neue Einschnitte stockten, hatte das Unternehmen vor Gericht eine Einigungsstelle eingesetzt. Wie Boßmann sagt, sollte sogar über einen Sozialplan verhandelt werden. Für kommenden Freitag war ein zweiter Termin angesetzt. Doch Also-Geschäftsführer Wenz hatte zuletzt das Vertrauen in die Betriebsräte und die Gewerkschaft Verdi verloren. Im Gespräch mit unserer Zeitung warf er den Arbeitnehmervertretern offen eine „Blockadehaltung“ vor. Verdi-Vertreter Gürlebeck weist dagegen jede Mitverantwortung an der Insolvenz zurück. „Die Ursachen sind bei Droege zu suchen.“ Eine Blockade der Arbeitnehmerseite habe es nicht gegeben. „Unsere Haltung war: Man kann über alles reden, wenn das Konzept stimmt. Aber nur blind Personal abzubauen, das ist mit uns nicht zu machen.“
Trotz der Insolvenz läuft das Geschäft im Augsburger Logistikzentrum weiter, Pakete mit Büchern, CDs und Accessoires werden zusammengestellt. Die Weltbild-Gruppe betonte gestern: „Weltbild ist nicht betroffen.“ Alle Kunden, die bestellt haben, bekämen ihre Ware. Die Beschäftigten der Logistik-Sparte dagegen müssen bangen. Sie erfahren am kommenden Dienstag auf einer Betriebsversammlung, wie es weitergeht.
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