Im Koalitionsvertrag fehlt es nicht an Absichten, Wohnen bezahlbarer zu machen. Doch dafür ist ein Mentalitätswechsel notwendig. Ein Kommentar.
So läuft das in Deutschland: Da türmen wir Berge immer neuer Regelungen auf und setzen europäische Verordnungen musterschülerhaft um. Dahinter stecken etwa im Baubereich ehrenwerte Motive. Natürlich ist es umweltpolitisch sinnvoll, dass Häuser möglichst energieeffizient sind. Und selbstverständlich wird keiner widersprechen, wenn der Brandschutz noch einmal verbessert wird.
Gut ist eben nicht gut genug in der Perfektionisten-Republik Deutschland. Am Ende aber werden dann doch Selbstzweifel laut unter den heimischen Übererfüllern des Bürokratieplans. Denn die Kosten laufen wieder einmal aus dem Ruder. Dann wird hoher Aufwand betrieben, eine Arbeitsgruppe eingesetzt und ein Gutachten in Auftrag gegeben: Wer nun den rund 180 Seiten dicken Bericht der Baukostensenkungskommission von 2015 nachliest, erkennt, wie immer neue Auflagen des Gesetzgebers Bauen immens verteuert haben. Nicht einzelne Maßnahmen, sondern die Summe aller Regelungen sind das Übel. Ein Zusammenhang, den Politiker und Beamte ungern hören.
Koalitionsvertrag beinhaltet viel Wunschdenken
So mutet es fast schon hilflos an, wenn Union und SPD im Koalitionsvertrag schreiben: Die Arbeit der Baukostensenkungskommission werde fortgesetzt. Normen müssten auf ihren Nutzen geprüft und auf ihren erforderlichen Umfang reduziert werden. Die Botschaft mag man hier schon hören, allein der Glaube wird jedem fehlen, der all die Seiten des Koalitionspapiers zum Thema „Wohnen“ studiert.
Denn vieles sind nur Absichtserklärungen, wie etwa der Wunsch, dass 1,5 Millionen Wohnungen und Eigenheime frei finanziert und öffentlich gefördert gebaut werden sollen. Hier hält es die künftige Bundesregierung mit dem österreichischen Schriftsteller Peter Handke und dessen Buch „Als das Wünschen noch geholfen hat“.
Den Schlüssel haben die Kommunen in der Hand
Selbst Segnungen wie das Baukindergeld werden das Grundübel der deutschen Immobilienlage nicht kurieren: Die Kommunen und hier vor allem starken Zuzug ausgesetzte Städte wie München weisen viel zu wenig Bauland aus. Für den Ökonomen Professor Michael Voigtländer ist das neben der Regelungswut und steigenden Preisen für Bauleistungen der Hauptgrund für die Kostenexplosion am Immobilienmarkt. In seinem Buch „Luxusgut Wohnen“ beschreibt er das anschaulich. An dem grundlegenden Befund wird die Große Koalition leider nichts ändern.
Denn der Schlüssel für bezahlbareres Bauen und damit auch Wohnen liegt bei den Kommunen. Um etwa dem Immobilien-Irrsinn in München zumindest etwas an Tempo zu nehmen, bräuchte es Politiker mit Visionen, die über kommunale Grenzen hinweg neue Wege gehen. So könnten Stadtviertel am Rande Münchens ausgewiesen werden, die sich auch auf das Gebiet von Umlandgemeinden erstrecken.
Lösung: Breites Bündnis für bezahlbaren Wohnraum
Wenn also auf einen Schlag zehntausende Wohnungen entstünden, würde zumindest etwas Druck vom Kessel genommen. Eine weitere Mietpreisexplosion könnte verhindert werden. Hier wäre auch der Bund als Moderator gefragt. Denn gerade Bürgermeister von Umlandgemeinden sind oft nicht bereit, die Lasten einer großen Stadt mitzuschultern. Wenn sie aber finanzielle Hilfe für den Bau der nötigen Infrastruktur bekommen, steigt sicher die Kompromissbereitschaft.
Insofern lässt sich das Problem steigender Baukosten nur durch ein breites Bündnis für bezahlbaren Wohnraum lindern. Dazu ist aber ein Mentalitätswechsel notwendig. Die Niederlande können hier als Vorbild dienen. Voigtländer nennt ein Beispiel: Wer in Holland sechs Wochen, nachdem er einen Bauantrag gestellt hat, nichts von den Behörden gehört hat, könne loslegen. Wie das in der Perfektionisten-Republik Deutschland ankäme?
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