Wie der Kampf um bezahlbaren Wohnraum gelöst werden soll
Vor allem in Ballungsräumen sind Wohnungen knapp. Nun müssen auch noch Flüchtlinge untergebracht werden. Wie der Deutsche Mieterbund das Problem lösen will.
Herr Rips, die Mieten sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Dazu drängen auch Flüchtlinge auf den Markt. Verschärft sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt?
Franz-Georg Rips: Die Situation spitzt sich schon seit Jahren zu, vor allem in den Großstädten, Ballungsräumen und Universitätsstädten ist die Nachfrage deutlich höher als das Angebot. Hier fehlen vor allem bezahlbare Wohnungen. Einer der Gründe ist, dass es heute nur noch 1,5 Millionen Sozialwohnungen gibt. Ende der achtziger Jahre waren es noch etwa vier Millionen. Und der Bestand an Sozialwohnungen geht weiter zurück. In dieser Situation müssen wir künftig auch noch Flüchtlingsfamilien versorgen, die auf den Wohnungsmarkt kommen.
Gibt es einen Verdrängungskampf um bezahlbaren Wohnraum?
Rips: Es gibt einen starken Konkurrenzkampf um bezahlbare Wohnungen zwischen einkommensschwachen Haushalten wie Alleinverdienern und Studenten. Inzwischen betrifft das aber auch viele Durchschnittsverdiener, die sich in den Ballungsgebieten normale Wohnungen kaum mehr leisten können. Es spricht vieles dafür, dass, wenn jetzt nicht massiv gegengesteuert wird, sich diese Tendenzen weiter verschärfen. Die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen steigt, während das Angebot nicht nachzieht.
Warum gibt es immer weniger Sozialwohnungen?
Rips: Sozialwohnungen sind in der Regel auf 20 oder 30 Jahre befristet. Danach fällt die Wohnung aus der Sozialbindung und wird wie eine normale Wohnung behandelt. Zurzeit fallen jährlich 60000 bis 80000 Wohnungen aus diesen Bindungen. In ganz Deutschland werden vielleicht noch 20000 neue Sozialmietwohnungen gebaut, sodass wir unterm Strich pro Jahr rund 50000 Sozialmietwohnungen verlieren.
Wie viele Mietwohnungen müssten jährlich gebaut werden?
Rips: Wir müssen mindestens einen Bestand von rund vier Millionen Sozialwohnungen erreichen – so wie in den achtziger Jahren. Das ist sicherlich nicht von heute auf morgen zu erreichen. Wir brauchen einen Mietwohnungsneubau. Die jetzigen Neubauzahlen reichen vorne und hinten nicht aus. Nach unserer Schätzung brauchen wir 400000 Wohnungen pro Jahr, davon 100000 Sozialmietwohnungen.
Bundesbauministerin Barbara Hendricks will den sozialen Wohnungsbau in Zukunft mit einer Milliarde Euro fördern. Reichen diese Mittel aus?
Rips: Die Bauministerin hat gute Vorschläge gemacht, die hoffentlich auch umgesetzt werden. Das eine ist die sogenannte Kompensationszahlung, die der Bund an die Länder für die soziale Wohnraumförderung leistet – das sind zurzeit 518 Millionen Euro. Dieser Betrag soll auf eine Milliarde Euro verdoppelt werden. Das ist gut und wichtig. Genauso wichtig wäre aber, dass die Länder nicht nur die Bundesmittel für den Bau von sozialen Mietwohnungen verwenden, sondern auch eigene Finanzmittel drauflegen, damit die gewünschte Zahl von Sozialmietwohnungen gebaut werden kann.
Die Bundesbauministerin möchte durch die degressive Abschreibung, also verbesserte steuerliche Abschreibungsbedingungen, den Wohnungsneubau ankurbeln. Wie stehen Sie dazu?
Rips: Den Vorschlag für verbesserte Abschreibungsbedingungen für Investoren halte ich für sinnvoll. Aber nur, wenn er nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern nur in den Gebieten erfolgt, in denen wir Wohnungsengpässe haben. Wo Länder die Mietpreisbremse eingeführt haben, halten wir eine degressive Abschreibung für Investoren für eine ausgesprochen gute Idee.
Was erwarten Sie von der Politik in Bezug auf den Mietwohnungsbau?
Rips: Die Kommunen und der kommunale Wohnungsbau müssen eine viel größere Rolle in der Wohnungspolitik spielen. Auch müssen Wohnungsbaugenossenschaften gestärkt werden. Die Herausforderung, bezahlbares Wohnen sicherzustellen, wird man nur mit einem Bündel an Maßnahmen gewährleisten können.
Wie wirkt sich die Mietpreisbremse aus?
Rips: Wir haben relativ wenige Erfahrungen, wie die Mietpreisbremse wirkt. Es gibt eine Untersuchung, nach der die Mieten in Berlin und Hamburg gesunken sind. Aber die Regelungen zur Mietpreisbremse haben verschiedene Geburtsfehler: Die Länder und Kommunen entscheiden, wo sie gilt. Ein weiteres Problem ist, dass ein Vermieter, der gegen die Mietpreisbremse verstößt, keine großen Sanktionen fürchten muss.
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