Wie die Luftfahrt-Branche einen zweiten Chaos-Sommer verhindern will
Im Flugverkehr lief diesen Sommer viel schief. Der Chef des obersten Branchenverbands will vor allem bei den Sicherheitskontrollen nachbessern.
Verspätungen, Ausfälle, zu wenig Personal: Herr von Randow, was war in diesem Sommer los an den deutschen Flughäfen?
Matthias von Randow: Die Zahl der gecancelten Flüge und Verspätungen hat sprunghaft zugenommen. Das ist höchst ärgerlich für die Passagiere, aber auch für die Unternehmen selbst, weil das die Flugpläne durcheinanderwirbelt. Dafür gab es allerdings nicht nur eine Ursache, sondern auch viele Sonderfaktoren, die die Situation verschärft haben: eine Verdopplung von extremen Wetterereignissen, die Air-Berlin-Insolvenz und dazu noch zahlreiche Streiks, vor allem im südeuropäischen Raum. Wenn die Fluglotsen dort im Ausstand sind, betrifft das die ganzen Urlauberflüge nach Mallorca, Frankreich, Spanien oder in Teile von Nordafrika.
Warum hat sich die Branche nach der Pleite von Air Berlin so schwergetan?
von Randow: Mit der Insolvenz der Air Berlin ist Kapazität für jährlich 30 Millionen Passagieren weggebrochen. Viele Unternehmen sind in diese Lücke hineingegangen und haben Flugzeuge und Crews übernommen. Das geht aber nicht über Nacht. Die Integration eines einzelnen Flugzeugs muss man sich vorstellen wie die Integration eines mittelständischen Unternehmens in einen Konzern. Das sind Aufgaben, die dauern. Die Unternehmen haben auch darauf hingewiesen, dass das relativ ruckelig werden wird. Genau deswegen haben sie zusätzliche Ressourcen mobilisiert, um diesen Prozess möglichst zügig voranzubringen.
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft hat im Frühsommer eine ganzzeitige Zeitungsanzeige veröffentlicht, um sich für das Chaos zu entschuldigen. Darin hieß es: „Auch der Himmel gerät einmal an seine Grenzen.“ Ist es mittlerweile tatsächlich einfach zu voll im Luftraum?
von Randow: Zunächst einmal finden wir es gut, dass sich seit der Liberalisierung des Luftverkehrs sehr viel mehr Menschen das Fliegen leisten können. Das Luftverkehrswachstum lässt sich grundsätzlich auch gut abwickeln, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehört aber auch, dass die Sicherheitskontrollen effizienter organisiert, die Betriebszeiten an unseren Flughäfen nicht weiter eingeschränkt und die Möglichkeiten der Flugsicherung im europäischen Luftraum verbessert werden.
Welche Möglichkeiten sind das?
von Randow: Bei der Flugsicherung gibt es erhebliche Automatisierungspotenziale. Außerdem wünschen wir uns, dass Lotsen flexibler eingesetzt werden können und ihre Zahl besser an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden kann. Um das zu ermöglichen, muss der europäische Gesetzgeber, über den ja die Flugsicherung reguliert wird, diese Möglichkeiten schaffen.
Fluggäste mussten diesen Sommer schon mit langen Wartezeiten rechnen, bevor sie überhaupt die Sicherheitsschleuse passiert haben. Dauern die Kontrollen an deutschen Flughäfen zu lang?
von Randow: Natürlich kann es an den Kontrollen mal länger und mal kürzer dauern. Aber was wir derzeit in Deutschland erleben, ist nicht akzeptabel. An anderen europäischen Flughäfen, in Amsterdam, Brüssel, Madrid oder London etwa, werden in der gleichen Zeit pro Kontrollspur deutlich mehr Passagiere abgefertigt, oft sogar doppelt so viele wie an deutschen Flughäfen. Es geht also auch effizienter.
Wie erklären Sie sich das?
von Randow: In Deutschland werden die Sicherheitskontrollen vom Staat durchgeführt: Von der Bundespolizei, die dann in der Regel Dienstleister beauftragt. Wir glauben, dass die Durchführung der Kontrollen mehr in die Hände der Institutionen gehört, die genau wissen, wie die Abläufe an einem Flughafen und im Luftverkehr insgesamt sind. Unseren Unternehmen sind da aber bisher die Hände gebunden. In vielen europäischen Ländern ist das anders, da hat der Flughafenbetreiber die Verantwortung für die Sicherheitskontrollen und der Staat die fachliche Aufsicht. Das ist ein Modell, das wir uns für die großen Flughäfen auch hierzulande vorstellen können. Und wir begrüßen sehr, dass die Große Koalition sich vorgenommen hat, dieses System zu prüfen.
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