Wie ein mysteriöser Investor 70 Weltbild-Filialen retten will
Der Käufer von rund 70 Weltbild-Filialen ist in Ahaus mit einer neuen Adresse registriert. Einen Plan für die Zukunft des Geschäfts hat er, dieser ist allerdings sehr knapp.
Dass das Augsburger Handelsunternehmen Weltbild rund 70 seiner derzeit 145 Filialen verkaufen will, das steht fest. Das Problem ist nur, dass sich der Käufer der Läden bis gestern nicht öffentlich geäußert hat. Offiziell ist nur, dass es sich um eine „mittelständische Buchhandelskette aus dem nordrhein-westfälischen Ahaus“ handelt. Als gesichert gilt aber inzwischen, dass dies die „Buchhandlung Lesensart Rüdiger Wenk GmbH“ ist. Für ein längeres Gespräch stand Rüdiger Wenk bisher allerdings noch nicht zur Verfügung.
Der Geschäftsführer hat ein Konzept für die betroffenen Filialen erstellt, das auf einem Treffen Anfang Februar präsentiert worden ist. Unserer Zeitung liegt das „Strategiepapier zur Vision des Investors“ inzwischen vor. Es umfasst rund eineinhalb locker beschriebene DIN-A4-Seiten und führt in 14 Punkten auf, wie der Investor sich die Zukunft der von ihm übernommenen Weltbild-Plus-Läden vorstellt. Die Kürze ist ungewöhnlich.
Demnach sollen die Filialen aber „von heute ,Gemischtwarenladen‘ in reine traditionelle und hochwertige Buchhandlungen umstrukturiert werden“, heißt es im Papier. Das Sortiment werde auf ein „reines Buchhandelssortiment“ umgestellt. Die Filialen sollen „autark“ aufgestellt werden. Der „Markenname Lesensart in der Schrift rot/weiß“ soll den Namen Weltbild ersetzen. Für den Einkauf, die Menge und das Sortiment sollen die Mitarbeiter eine „begleitende Hilfestellung“ bekommen. Geplant sei auch eine Umstellung des EDV-Systems, sodass jeder Laden selbstständig ist.
Schlanke Investoren-Zentrale: Nur ein Briefkasten zu sehen
Keinen Aufschluss bietet die kurze Zusammenfassung darüber, wie Rüdiger Wenk dies alles finanzieren will und welche Kapitalgeber oder Investoren gegebenenfalls hinter ihm stehen. Seine GmbH ist im Handelsregister mit einem Stammkapital von 25.000 Euro geführt.
Wenk nennt aber einige betriebswirtschaftliche Eckpunkte. Beispielsweise sollen Verhandlungen mit den Vermietern der Läden geführt werden, um die Miet- und Raumkosten auf unter zehn Prozent des Umsatzes zu bringen. Ein weiteres betriebswirtschaftliches Ziel sei, die Personalkosten bei circa 15 Prozent des Umsatzes beizubehalten.
Die übrigen Kosten von Transport bis EDV dürften höchstens sieben Prozent des Umsatzes betragen, die Verwaltungskosten in der Zentrale würden gering gehalten, „weil die insgesamt 71 Filialen von einer schlanken Verwaltung von sieben bis acht Mitarbeitern geführt werden“; die Gewinnplanung liege bei drei bis vier Prozent vom Umsatz vor Steuern. Damit ist die Liste auch fast am Ende.
Schlank ist die Zentrale des Investors anscheinend tatsächlich. Die Redakteure der Münsterland Zeitung in Ahaus – einer 38.000 Einwohner-Stadt in Nordrhein-Westfalen – bekamen bisher nur einen Briefkasten zu sehen. Dank des mysteriösen Investors haben die Journalisten dort plötzlich täglich mit dem Thema Weltbild zu tun hat. Auch ihnen gegenüber gab sich Rüdiger Wenk bisher verschlossen. Im Handelsregister war als Firmensitz der „Lesensart Rüdiger Wenk GmbH“ zunächst die Von-Röntgen-Straße in Ahaus angegeben. Nur war dort kein Unternehmen mit dem Namen anzutreffen.
Verdi: Gewerkschaft kritisiert Verkauf der Filialen
Gestern meldete sich in der Redaktion plötzlich ein Berater Wenks. Er teilte mit, dass die bisherige Adresse nicht mehr stimme. Als neue Firmenadresse gab er die Wüllener Straße 48 an. Dort fand ein Redakteur besagten Briefkasten mit dem Firmennamen in kleiner, schwarzer Schrift vor. Warum aber ist die Von-Röntgen-Straße zunächst überhaupt als Firmensitz angegeben worden? Der Berater berichtete der Münsterland Zeitung, es habe Verhandlungen mit der Vermieterin dort gegeben, die aber nicht erfolgreich waren. Auf den Redakteur in Ahaus machte das Unternehmen den Eindruck einer Briefkasten-Firma.
Zur Verwirrung im Münsterland trägt bei, dass Rüdiger Wenk in Berlin als Chef des Unternehmens „GUO Strategisches Management Berlin“ auftaucht. Ein Unternehmen mit dem Namen „GUO Strategisches Management“ hat seinen Sitz auch in der Von-Röntgen-Straße in Ahaus. Der Geschäftsführer von GUO in Ahaus beteuerte aber gegenüber der Münsterland Zeitung, nichts mit dem Berliner Unternehmen zu tun zu haben.
In Augsburg kritisiert indes die Gewerkschaft Verdi den Verkauf der Weltbild-Filialen scharf. Dieser sei „kontraproduktiv“, sagte Verdi-Sekretär Thomas Gürlebeck. Die Trennung widerspreche dem Multi-Channel-Ansatz von Weltbild, der auf ein Zusammenspiel von Katalog, Filialen und Online setzt. Verdi-Betriebsgruppensprecher Timm Boßmann sagte, mit dem Verkauf der Hälfte der Filialen habe man ein Standbein des Unternehmens „unter dem Knie amputiert“.
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