Wieso die deutschen Autokonzerne in die Moral-Werkstatt müssen
Hinter der Diesel-Affäre und dem mutmaßlichen Kartellskandal steckt eine Unkultur des Erfolgs um jeden Preis. Jetzt ist ein radikaler Neuanfang notwendig.
Wer verstehen will, warum sich deutsche Autokonzerne auf derart unglaubliche Weise im amoralischen Morast festgefahren haben, landet letztlich bei Allmachtsfantasien von Managern. Weil hierzulande etwa jeder siebte Arbeitsplatz vom Wohlergehen der Fahrzeughersteller abhängt, fühlen sich Vorstände von VW, Daimler & Co unantastbar.
Sie wissen ja die schützende Hand des Staates über sich. Ob Kanzler oder Ministerpräsidenten in den Auto-Bastionen Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern – alle stehen sie trotz immer verheerenderer Affären hinter den mächtigen Arbeitgebern. Das ist wirtschaftspolitisch zwar verständlich. Das hohe Maß an Abhängigkeit vom Gedeihen der Auto-Riesen und die daraus resultierende Nähe haben das kritische Bewusstsein vieler Politiker und Behördenmitarbeiter aber auf erschreckend niedrige Werte heruntergeregelt.
Die Politik des Wegschauens gefährdet immer mehr Jobs
So ist es bezeichnend, wie einst der Präsident des Kraftfahrtbundesamtes Fachbeamte zu freundlichem Verhalten gegenüber Autoherstellern ermuntert haben soll. Ekhard Zinke, also der Chef einer Einrichtung, welche die Branche überwachen soll, unterzeichnete ein Schreiben „mit industriefreundlichem Gruß“. Was wie aus einem Kabarettprogramm von Gerhard Polt klingt, ist Realität – und zwar eine mit milliardenteuren Folgen für deutsche Autokonzerne.
Denn die Politik des Wegschauens, was das Treiben der Arbeitsplatz-Garanten betrifft, gefährdet auf Dauer immer mehr Jobs in der deutschen Schlüsselindustrie. Wie in der Politik verhält es sich in der Wirtschaft: Ohne ein funktionierendes Kontrollsystem entstehen tiefe Sümpfe, in denen Manager eine Unkultur des Erfolgs um jeden Preis schaffen. Da wird – wie der Fall VW zeigt – systematisch getäuscht.
Was aber den Skandal endgültig monströs macht: Hinter all dem stand offensichtlich ein System der Absprachen zwischen deutschen Auto-Unternehmen. Zum Betrug gesellen sich Verstöße gegen das Kartellrecht. Sollten sich die Vorwürfe erhärten, kommen Milliardenstrafen auf die Konzerne zu. All das lässt immer mehr das Bild einer Branche entstehen, die mit Macht und Subventionen des Staates den Dieselmotor brachial durchsetzen wollte und dabei vor nichts zurückschreckte.
VW, Daimler & Co sollten bei Siemens Maß nehmen
Der Skandal hat ein Ausmaß erreicht, das es unwahrscheinlich macht, dass Autogrößen wie Dieter Zetsche (Daimler) oder Rupert Stadler (Audi) von alledem nichts gewusst haben. Wenn sie selbst getäuscht worden sind, stellt sich die Frage, ob solche Vorstandschefs, die ihren Laden nicht sauberhalten können, noch tragbar sind. Am Ende muss einer Manns genug sein, die politische Verantwortung zu übernehmen. Das hat Ex-VW-Chef Martin Winterkorn immerhin getan.
Ein daraus resultierender personeller Neuanfang hat einen enormen Vorteil, wie der Fall Siemens gezeigt hat: Hier konnte der vom Korruptionsskandal unbelastete Peter Löscher aufräumen. Die Prozesse wurden vom früheren Finanzminister Theo Waigel als eine Art Oberaufseher überwacht – ein erfolgreiches Modell. Es sollte Pate für die Autosünder stehen.
Um es in der Kfz-Sprache zu sagen: Die Konzerne fallen beim moralischem TÜV mit Karacho durch. Die Mängelliste ist ewig lang. Jetzt müssen die Fahrzeug-Anbieter dringend in die Ethik-Werkstatt. Politiker sollten diesen großen Inspektionen als Fortbildungsmaßnahme beiwohnen. Dort könnten sie lernen, wohin zu viel Nachsicht gegenüber dominanten Unternehmen führen kann: Denn für die Geschonten kann eine solche Softie-Strategie auf Dauer sogar existenzgefährdend sein. Wie soll Lenin gesagt haben: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“
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Die Kernfrage für mich als Endverbraucher ist: um wieviel ist ein Auto betroffnener Hersteller teurer geworden. Oder ist es sogar auf Grund von Standardisierungen billiger geworden?