Wird es dunkel, wenn Gundremmingen abschaltet?
Eine neue Erhebung zeigt massive Energie-Versorgungslücken ab 2018 auf. Denn da soll der erste Block in Gundremmingen abgeschaltet werden.
Die gute Stimmung täuscht: Trotz annähernder Vollbeschäftigung und voller Auftragsbücher schlagen Unternehmer und Wirtschaftsvertreter Alarm. „Es ist zwölf Uhr. Nicht fünf vor zwölf“, sagt Otto Sälzle, der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) aus Ulm. Wenn es nicht bald Antworten auf die drängende Frage gebe, wie die Versorgungslücke, die sich ab 2018 durch das schrittweise Abschalten des Atomkraftwerks in Gundremmingen auftut, geschlossen werden soll, drohe eine regelrechte Deindustrialisierung des Südens.
Dass diese Versorgungslücke weder Hirngespinst noch Panikmache ist, soll die gestern in Ulm vorgestellte Studie „Stromdatenerhebung für das Gebiet der IHK Bodensee-Oberschwaben, Ostwürttemberg, Schwaben und Ulm“ verdeutlichen.
Bei Abschaltung droht Versorgungslücke
Das Fazit des Autors, des Ingenieurs Matthias Proske: Ab 2018, wenn der erste Block in Gundremmingen abgeschaltet wird, droht eine Versorgungslücke von 3,25 Tera-Watt-Stunden, das sind 3,25 Milliarden-Kilowatt-Stunden. Noch schlimmer werde es 2022, wenn das Atomkraftwerk in Gundremmingen ganz vom Netz geht: 13,6 Tera-Watt-Stunden würden dann fehlen.
Erneuerbare Energien könnten diese Lücke nicht schließen. Denn der klimafreundlich erzeugte Strom hat einen gravierenden Nachteil: Er steht nicht zu jeder Jahreszeit und rund um die Uhr zur Verfügung.
Solange es die passende Speichertechnologie nicht gibt, müsse auf herkömmliche Kraftwerke zurückgegriffen werden. „Wir retten uns vorerst dadurch, dass wir 2018 Strom aus Kohle- und Kernenergie im Ausland einkaufen“, sagt Ulrich Altstetter, Vorstand bei den Ulmer Wieland-Werken. „Sieht so die Energiewende aus?“, fragt Altstetter, dessen Firma über 100 verschiedene Werkstoffe aus Kupfer und Kupferlegierungen herstellt. Die Energiewende sei gesellschaftlicher Konsens und richtig. Doch würden die Unternehmen von der Politik alleingelassen.
Energieintensive Unternehmen haben zu kämpfen
Eine „Notsituation“ zeichne sich ab. Allein das Wieland-Werk in Vöhringen mit seinen 2400 Mitarbeitern „nutzt“ – wie es Altstetter ausdrückt – jährlich eine Energiemenge, die in etwa dem Verbrauch aller über 122000 Bürger der Stadt Ulm entspricht. Zu Unrecht würden die mahnenden Worte besorgter Unternehmer regelmäßig als Panikmache oder Streben nach Gewinnmaximierung abgestempelt. Dabei gehe es längst ums nackte Überleben der energieintensiven Unternehmen im künftig energiearmen Süden.
Hartmut Wurster, der Vize-Präsident der IHK Schwaben, stellt insbesondere den bayerischen Politikern ein Armutszeugnis aus. „Es gibt keinen Plan B. Geschweige denn einen Plan A.“ Die Politik habe die Folgen der Energiewende nicht verinnerlicht. Ohne den umstrittenen Neubau von Stromtrassen vom energiereichen Norden in den unterversorgten Süden seien die bayerischen Unternehmer gezwungen, Atomstrom aus Tschechien zu kaufen, weil künftig nur noch 41 Prozent des grundlastfähigen Stroms im Süden erzeugt werde.
Wie Unternehmer Altstetter sagte, seien aufgrund mangelnder Planungssicherheit bei Wieland bereits Investitionen zurückgefahren worden. In dieser kapitalintensiven Branche dauere es etwa 15 Jahre, bis sich eine Großanlage rechne. Doch in Anbetracht zunehmender Unsicherheit, was Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der Strompreise angeht, sei es derzeit nicht zu verantworten, Millionen für neue Großmaschinen auszugeben. „Wir stehen zum Standort Deutschland“, sagt Altstetter.
IHK fordert Antworten der Politik
Es könne auch keinen weiteren Personalabbau geben. „Dieses Pferd ist totgeritten.“ Aber mittelfristig leide die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts, was freilich auch Wieland in Schwierigkeiten bringen würde. In den USA etwa sei der Strom um die Hälfte günstiger, Gas um ein Drittel. Einig sind sich die Vertreter der vier südlichen IHK: Die Politik müsse jetzt Antworten liefern, wie in Zukunft in Deutschland Versorgungssicherheit zu einem wettbewerbsfähigen Preis garantiert werden könne.
Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner hat am 27. März in Neu-Ulm die Gelegenheit, verloren gegangenes Vertrauen der Unternehmer in die Politik zurückzugewinnen: Dann steigt nämlich der Strom-Gipfel Süd.
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