Ärzte lassen sich von Pharma-Industrie für Daten zu Arzneimitteln bezahlen
Für Anwendungsbeobachtungen sollen Ärzte von Pharmaunternehmen hohe Honorare erhalten haben. Kritiker sehen darin eine Form legaler Korruption.
Die umstrittenen Zahlungen von Pharmaunternehmen an Ärzte für sogenannte Anwendungsbeobachtungen summieren sich offenbar auf zweistellige Millionenbeträge. Allein im vergangenen Jahr hätten die Konzerne mehrere Dutzend Millionen Euro an Ärzte gezahlt, die an den umstrittenen Anwendungsstudien zu Medikamenten teilnahmen, berichteten das Recherchebüro "Correctiv" in Essen sowie NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung am Montag unter Berufung auf eigene Recherchen.
2015 liefen in Deutschland mehr als 600 Anwendungsbeobachtungen
Nach Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung habe etwa jeder zehnte niedergelassene Arzt vergangenes Jahr an solchen Studien teilgenommen. Dafür gab es Honorare von mehreren Hundert bis mehreren Tausend Euro pro Patient, hieß es. Die genaue Höhe der Honorare werde aber geheim gehalten. Kritiker bezeichnen die Studien als weitgehend nutzlos und sehen darin eine Form legaler Korruption. Anwendungsbeobachtungen liefern Erkenntnisse bei der Anwendung zugelassener oder registrierter Arzneimittel zu sammeln. Es sind reine Beobachtungsstudien.
Den Recherchen zufolge liefen 2015 in Deutschland mehr als 600 Anwendungsbeobachtungen, davon wurden 150 neu gestartet. Knapp 13.000 Mediziner und 4.000 Klinikärzte waren beteiligt. Die Studien haben Laufzeiten von teils bis zu zehn oder 20 Jahren. Dabei übermitteln Ärzte Daten, die sie routinemäßig bei ihren Behandlungen erfassen, an die Auftraggeber, meist Pharmaunternehmen. Die Firmen müssen die Anwendungsbeobachtungen zwar den Behörden melden, sie aber nicht genehmigen lassen. Veröffentlicht werde nur die Zahl der Studien, meist aber nicht die Höhe der Honorare.
Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig, kritisierte, bei einem großen Teil der Studien gehe es darum, Ärzten durch das Honorar zur Verordnung bestimmter Arzneimittel zu bringen. Nur ein kleiner Prozentsatz habe einen tatsächlichen Sinn. "Der Großteil dieser Anwendungsbeobachtungen ist eindeutiges Marketing und gehört verboten", sagte Ludwig dem Rechercheverbund.
Sicherheit der Arzneimittel: Verpflichtende Transparenz für Anwendungsbeobachtungen?
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte, nur solche Anwendungsbeobachtungen zuzulassen, die von Behörden vorgeschrieben seien, um die Sicherheit der Arzneimittel nach der Markteinführung zu überwachen. Viele aktuelle Studien führten zu "Fehlbehandlungen und Geldverschwendung".
Lauterbach kritisierte zudem Lücken in der jüngst gestarteten freiwilligen Transparenz-Initiative des Verbands forschender Arzneimittelhersteller. Der Verband hatte Ende Juni erstmals Zahlungen an Ärzte veröffentlicht. Die Honorarzahlungen für Anwendungsbeobachtungen wurden aber ausgenommen. Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Maria Michalk (CDU), drohte den Pharmafirmen mit Konsequenzen: "Wenn sich nichts tut, werden wir über eine verpflichtende Transparenz für Anwendungsbeobachtungen nachdenken", sagte sie den Medien. epd
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Phase IV, auch "Anwendungs-" oder "Post-Marketing"-Studien sind keineswegs "umstritten", sondern weltweit von den Gesundheitsbehörden vorgeschrieben. Sie werden deshalb auch welt- oder europaweit durchgeführt. Genauso wie alle anderen Studien, müssen sie von den nationalen und internationalen Arneimittelbehörden, zum Beispiel der AFSAPS in Frankreich, dem BfArM in Deutschland, der europäischen EMEA in London oder der FDA in den USA, sowie von den lokalen, den nationalen und den internationalen Ethikkommissionen genehmigt werden. Weil es sich um zugelassene Medikamente handelt, sind diese Genehmigungen nur etwas leichter zu bekommen. Wer behauptet, "nur ein kleiner Teil habe einen Sinn", der hat die komplette Statistik nicht verstanden. Wenn man herausfinden will, ob eine Partei eine Bundestagswahl gewinnen wird, wäre es eigentlich am besten, ALLE Wähler nach ihrer Präferenz zu befragen. Weil das aber zu aufwendig ist, fragt man einen bestimmten kleinen Ausschnitt und rechnet die Ergebnisse auf die Gesamtheit hoch. Dass das mit Unsicherheiten behaftet ist, weiss jeder. Diese Unsicherheiten sind je höher, desto kleiner die Gruppen sind. Ergo: je mehr Wähler befragt oder Patienten untersucht werden, desto besser werden die Ergebnísse. Das beste Ergebnis erreicht man, wenn man "unendlich" viele Patienten untersucht. Davon sind wir aber noch weit entfernt.
Ich habe früher Phase I - IV Studien geplant und deren Durchführung überwacht. Der bürokratische Aufwand für jeden einzelnen Patienten ist so hoch, dass ich nie verstanden habe, wie man so etwas überhaupt mitmachen kann. Vielleicht sind bei manchen Firmen die "Honorare" ja etwas höher. Aber das ist genau der Nachteil bei dieser "Transparenzintiative". Dort steht nur: Arzt A hat im Jahre 2015 x Euro bekommen. Ob der das im Preisausschreiben gewonnen hat, es die Unkostenerstattung für zusätzliche Laboruntersuchungen bei Studienpatienten waren (damit das nicht zu Lasten der Kassen geht), steht dort nicht. Das ist nicht "Transparenz", sondern "kostenloses Datensammeln für Ärtzebashing im Sommerloch". Und wenn der Schaum der hier geschlagen wird, sich wieder gelegt hat, beantworten Sie mir bitte, was "ein paar Dutzend Millionen" sind. Meiner Erinnerung nach rechnen wir hier immer noch im Dezimalsystem. Wer von Zahlen keine Ahnung hat, sollte deshalb Rechnungen nicht kritisieren.
Ich kann Ihnen nur zustimmen. Ausserdem sollte man die 2-stelligen Millionenbeträge im Zusammenhang mit den Gesamtkosten sehen. Die Krankenkassen hatten vereits 1990 ca. 5.000 Millionen allerdings DM an Verwaltungskosten gehabt. D.h. die Verwaltungskosten sind 100mal so hoch!