"Betroffen sind vor allem schlanke, gesundheitsbewusste Frauen"
Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (Nieren-Lehre), behandelt derzeit Patientinnen, die an EHEC erkrankt sind. Und manch Eine hat gar keine Gurken gegessen.
Reinhard Brunkhorst, so heißt der Vorsitzende, ist Nierenarzt in Hannover. Dort, im Klinikum Oststadt-Heidehaus, werden derzeit zehn Patienten auf der Islolierstation behandelt, die besonders schwer an Durchfall durch den EHEC-Keim erkrankt sind. "Hier liegen junge Frauen zwischen 20 und 30, die komplett gesund waren, und jetzt haben sie Blut in Urin und Stuhl", sagt der Arzt. "Für mich ist diese EHEC-Welle viel ernster als die Schweinegrippe", meint Brunkhorst, der auch Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (Nieren-Lehre) ist. Vor allem schlanke und gesundheitsbewusste Frauen seien von der lebensgefährlichen Infektion betroffen. "Es ist absolut schockierend, wenn man eine Patientin Anfang 30 hat, die kaum noch sprechen kann und Krampfanfälle hat."
Als ein Überträger des EHEC-Erregers hatte das Hamburger Hygiene-Institut am Donnerstag Importgurken aus Spanien identifiziert. Doch der Nierenarzt kann nicht glauben, dass dies der einzige Überträger ist. "Unter unseren Patientinnen sind Frauen, die gar keine Gurken gegessen haben."
Fünf der sechs Todesfälle waren Frauen - sie alle hatten in den Tagen vor ihrer Erkrankung rohes Gemüse gegessen.
Es wird weitere Todesfälle geben
Brunkhorst und Jan Kielstein, Nierenarzt an der Medizinischen Hochschule Hannover, wollen keine Panik schüren. Aber Beide sind sich sicher, dass es weitere Todesfälle geben wird.
Kielstein und seine Fachkollegen behandeln derzeit 31 EHEC-Infizierte. "Einige Mitarbeiter haben ihren Urlaub abgesagt und sind hochmotiviert, in dieser ernsten Situation zu helfen." Etwa zwei Drittel von Kielsteins Patienten kommen aus Lüneburg und Hamburg. Weil die Kliniken in Hamburg bereits überfüllt sind, nehmen die Krankenhäuser in Hannover EHEC-Infizierte auf.
Eine Therapie mit Blutplasma, die sogenannte Plasmapherese, bei der das Blutplasma der Erkrankten durch Spenderplasma ausgetauscht wird, soll den Infizierten das Leben retten. "Allerdings haben wir keine Studien zur Wirksamkeit der Therapie", sagt Brunkhorst. "Die Garantie einer Heilung können wir nicht geben." Die Geräte für die Behandlung gehören zur Grundausstattung jedes größeren Krankenhauses.
"Pro Therapie brauchen wir das Blutplasma von sechs bis zehn Spendern." Angesichts der vielen Infizierten könnte das Plasma knapp werden. "Noch haben wir ausreichend Spendenplasma zur Behandlung der Patienten, aber wenn die Situation so anhält, könnte es schwierig werden", sagt Kielstein. Um neurologische Schäden und Nierenversagen bei den Betroffenen zu verhindern, müsse bei ihnen mindestens drei Mal ein Plasmaaustausch vorgenommen werden.
Der stärkste je registrierte EHEC-Ausbruch
Deutschland erlebt derzeit nach Angaben des Robert-Koch-Instituts den stärksten je registrierten EHEC-Ausbruch. Bislang sind deutschlandweit vermutlich rund 800 Menschen durch den EHEC-Erreger erkrankt, die meisten von ihnen in Norddeutschland. Am Freitag war eine über 70 Jahre alte Frau aus Cuxhaven gestorben: Sie ist das sechste bestätigte Todesopfer durch den Durchfallkeim, das jüngste war 24 Jahre alt.
23 EHEC-Fälle in Bayern
Die Zahl der am Darmvirus EHEC erkrankten Menschen ist in Bayern am Freitag erneut gestiegen. Inzwischen hätten die bayerischen Gesundheitsbehörden 23 schwerere Fälle registriert, teilte eine Sprecherin des bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) am Freitag in Erlangen mit. Acht EHEC-Patienten würden wegen des lebensbedrohlichen hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) behandelt, 15 weitere wiesen HUS-Symptome auf. Darüber hinaus gebe es drei HUS-Verdachtsfälle. Am Vortag waren in Bayern erst 15 gefährliche Infektionen mit dem Darmkeim EHEC bekannt. dpa
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