Brustkrebs: Miteinander statt gegeneinander
Beim Projekt „Diplompatientin Brustkrebs“ im Augsburger Klinikum plädieren Ärzte für eine integrative Onkologie, die Schulmedizin und seriöse Naturheilverfahren verbindet.
Sie haben nicht nur zusammen ein Buch geschrieben, um die Onkologie menschlicher zu machen (Gemeinsam gegen Krebs, Verlag Zabert Sandmann). An den Kliniken Essen-Mitte haben sie ein einzigartiges Konzept in die Praxis umgesetzt, das Brustkrebspatientinnen eine ganzheitliche Behandlung auf höchstem Niveau ermöglicht.
Beim diesjährigen Augsburger Kongress „Diplompatientin Brustkrebs“ der Selbsthilfevereinigung mamazone, der auch heuer wieder hunderte von Teilnehmerinnen aus der ganzen Republik anzog, sprachen Professor Gustav Dobos, Internist und Naturheilkundler, und der Gynäkologe Privatdozent Sherko Kümmel am Wochenende über ihre Arbeit und ihre Vision einer Standardbehandlung von Brustkrebs, die Schulmedizin und seriöse Naturheilverfahren vereint.
„Integrativer Onkologie“
Die beiden Ärzte befassen sich mit „Integrativer Onkologie“: mit einer ganzheitlichen, medizinisch und menschlich umfassenden Betreuung von Brustkrebspatientinnen, einer Betreuung, die nicht zuletzt auf ein verbessertes „Nebenwirkungsmanagement“ achtet. Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Nervenschmerzen, Fatigue, Hitzewallungen, Schlaflosigkeit oder Angst und Depressionen könnten nachweislich beeinflusst werden, betonte Dobos. Die in den USA entwickelte „Mind-Body-Medizin“ nutze gezielt die Interaktionen zwischen Gehirn und Körper, um die Selbstheilungskräfte des Individuums zu stärken. Zu den Verfahren, die sie nutzt, gehören laut Dobos Ernährung, Bewegung, Stressmanagement, Meditation und Achtsamkeit, soziale Unterstützung und eine „kognitive Umstrukturierung“, also Veränderung des Denkens.
Soziale Unterstützung könne das Überleben verlängern
In diesem Sinne wirke auch mamazone: Die Selbsthilfevereinigung, die 1999 von der Augsburger Autorin Ursula Goldmann-Posch gegründet wurde, „bietet eine starke soziale Unterstützung“ und einen liebevollen Umgang miteinander, lobte Dobos. Große soziale Unterstützung wiederum könne das Überleben verlängern. Und: „Wir müssen den Eindruck haben, dass wir mit einem Problem umgehen können“, erklärte er. Hierzu seien Informationen nötig, die mamazone mit ihrem Projekt Diplompatientin ebenfalls biete. Die Ausbildung zur Diplompatientin steigere die Patientenkompetenz der erkrankten Frauen.
Auch in der Essener Mind-Body-Tagesklinik für an Brustkrebs erkrankte Frauen erfahren die Patientinnen laut Dobos soziale Unterstützung in der Gruppe, außerdem erlernen sie den richtigen Umgang mit negativen Gedanken und Grübeleien sowie bestimmte Formen der Meditation; zudem setze man auf obst- und gemüsereiche Kost und regelmäßige körperliche Aktivität. Zur Frage, was dies bringe, gebe es interessante Studien: Einer dieser Studien aus dem Jahr 2007 zufolge war die Sterblichkeit jener Frauen, die sich obst- und gemüsereich ernährten und drei Stunden wöchentlich Sport trieben, binnen zehn Jahren um 50 Prozent reduziert, berichtete der Professor. Eine Größenordnung, wie sie auch eine gute Chemotherapie erreichen könne.
Viele Brustkrebspatientinnen nutzen komplementäre Behandlungsverfahren
Einer Umfrage unter Patientinnen zufolge wünschen sich mehr als die Hälfte, vom Arzt alternative Verfahren angeboten zu bekommen, berichtete Frauenarzt Sherko Kümmel. Laut mamazone wenden rund 60 Prozent aller Brustkrebspatientinnen komplementäre Behandlungsverfahren an. Meist im Verborgenen. Nur wenige erzählen ihren Ärzten, welche Methoden sie neben der Standardtherapie einsetzen, heißt es. Umgekehrt seien nur wenige Ärzte in der Lage, ihre Patientinnen über Komplementärverfahren kompetent aufzuklären.
Dass es sich jedoch lohnt, erwiesenermaßen nützliche Komplementärverfahren in die Behandlung von Brustkrebspatientinnen einzubeziehen, betonte auch Kümmel. Akupunktur etwa könne gegen Schmerzen helfen oder gegen die Fatigue, das gefürchtete Erschöpfungssyndrom. Auch die in den USA entwickelte „mindfulness based stress reduction“ (zu deutsch achtsamkeitsbasierte Stressreduktion) sei wissenschaftlich so gut untersucht, dass man sie ausdrücklich empfehlen könne. Auf Seriosität wird laut Kümmel großer Wert gelegt: „Wir sind sehr bemüht, wissenschaftlich zu evaluieren, was wir tun“.
Nach Angaben von mamazone setzen Dobos und Kümmel auf Aussöhnung im „Grabenkrieg“ zwischen moderner Hochleistungsmedizin und Naturheilkunde, in dem viele Chancen verschenkt und die Patienten oft allein gelassen worden seien. „Es wird höchste Zeit, mit den gegenseitigen Vorurteilen aufzuräumen“, so die beiden Ärzte. Für ihr Engagement bekamen Dobos und Kümmel von mamazone den Patientinnenpreis „Busenfreund 2013“ zuerkannt.
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