Pflegestudie: Zu wenig Transparenz und Kontrolle in Deutschland
Laut der Transparency-Studie 2013 bietet das deutsche Pflegesystem Einfallstore für Betrug und Korruption. Die Organisation fordert mehr Mitbestimmungsrechte für Heimbewohner.
Das System der medizinischen Pflege und rechtlichen Betreuung in Deutschland bietet laut einer aktuellen Studie Einfallstore für Betrug und Korruption. Es fehle an Transparenz und Kontrollmöglichkeiten für die Betroffenen, kritisierte die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland bei der Vorstellung der Untersuchung am Dienstag in Berlin.
Um die wirtschaftliche Ausbeutung der Abhängigkeit pflegebedürftiger Menschen zu verhindern, sei eine Vielzahl von Verbesserungen notwendig - darunter die Einführung durchsetzbarer Mitbestimmungsrechte für Heimbewohner und Angehörige sowie eine bessere Kontrolle von Betreuern.
Pflegesystem in Deutschland mit Schwachstellen?
Die Transparency-Studie offenbart nach Angaben der Autoren eine Vielzahl von Schwachstellen im System. So hätten für die Untersuchung geführte Expertengespräche gängige Betrugsstrukturen offengelegt, die sich aus den Milliardenausgaben für die soziale Pflegeversicherung speisten. Als Beispiele nannte Transparency unter anderem Fälle, in denen Ärzte von Pflegediensten Honorare für die Überweisung von Patienten erhielten. Auch "verkauften" Pflegedienste demnach lukrative Patienten an andere Pflegedienste.
Weitere Fälle betrafen Sanitätshäuser, die an Heimleiter spendeten - um damit sicherzustellen, dass die Heimbewohner Rollatoren, orthopädische Schuhe oder sonstige Hilfsmittel aus ihrem Sanitätshaus beziehen. Zudem solle es bei der Entscheidung über die Pflegestufen vorgekommen sein, dass die zuständigen Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ein "Kopfgeld" erhielten - wenn sie bei der Einstufung möglichst restriktiv vorgehen. Damit würden die Ausgaben der Pflegeversicherung gesenkt, wie es in der Studie weiter heißt.
Transparency-Studie 2013: Mitbestimmungsrechte gefordert
Grundsätzliche Kritik übten die Autoren der Schwachstellen-Analyse an fehlenden Rechten für Heimbewohner und Angehörige. Sie hätten als eigentliche Finanziers der Pflege bis heute keine durchsetzbaren Mitbestimmungsrechte, sondern lediglich "Mitwirkungsrechte" im Sinne von Informations- und Anhörungsrechten. Diese Rechte seien zudem seit der Föderalismusreform im September 2006 in landesspezifischen Heimgesetzen der jeweiligen Bundesländer geregelt - mit der Folge, dass Transparenz und Vergleichbarkeit der Leistungen deutlich schlechter geworden seien.
Vor diesem Hintergrund forderte Transparency unter anderem, dass die sogenannten Transparenzberichte über die Pflegeheime künftig auf einer bundesweit einheitlichen Website veröffentlicht werden. Ferner solle ein deutschlandweites Register zu Verstößen von Heimbetreibern eingerichtet werden.
Pflege: Transparency Deutschland kritisiert Defizite bei Kontrolle von Betreuern
Zugleich bemängelte die Antikorruptionsorganisation Defizite bei der Kontrolle von Betreuern. So fehlten für eine selbstständige Tätigkeit als Berufsbetreuer die berufsrechtlich definierten Zugangskriterien, es gebe weder ein eindeutiges Berufsbild noch eine besondere Qualifikation. Vielmehr werde der Zugang von den Betreuungsbehörden reguliert - nach welchen Kriterien Betreuer ausgewählt würden, sei aber für Dritte nicht nachvollziehbar.
Auch werde nicht veröffentlicht, wer als Berufsbetreuer zugelassen ist. Ehrenamtliche und berufliche Betreuer unterständen zwar der gerichtlichen Kontrolle durch Rechtspfleger. Ein Rechtspfleger müsse aber im Durchschnitt über 900 bis 1000 Verfahren beaufsichtigen. Daher sei unter anderem zusätzliches Personal in der Rechtspflege erforderlich. Transparency forderte, in den Amtsgerichtsbezirken Register für die Berufsbetreuer einzurichten. (AZ/afp)
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