Medizinisches Cannabis: Schmerzpatienten sind enttäuscht
Seit einigen Monaten gibt es Cannabis auf Rezept. Doch nicht alles läuft so wie erhofft. Die Preise der Apotheken für medizinisches Cannabis spielen dabei eine wesentliche Rolle.
Patienten mit chronischen Schmerzen sind oft auf Cannabis angewiesen - insofern, als nur die in der Pflanze enthaltenen Stoffe ihren Schmerz noch lindern können. Eigentlich sollte eine Gesetzgebung, die den Einsatz von medizinischem Cannabis für Schmerzpatienten ermöglicht, das Leben mit den Schmerzen erleichtern. Stattdessen sorgt die neue Regelung bei vielen Betroffenen für zusätzlichen Ärger.
Cannabis auf Rezept: So funktioniert das neue Gesetz
Am 10. März ist das "Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften" in Kraft getreten. Dies ermöglicht Ärzten, ihren schwer kranken Patienten Cannabisarzneimittel zu verschreiben. Die Kosten sollen die gesetzliche Krankenversicherung übernehmen. Wie viele Menschen künftig Cannabis aus der Apotheke bekommen könnten, ist nach Angaben der Bundesärztekammer noch offen.
In Deutschland ist es bislang rund 1000 Menschen mit einer Sondergenehmigung des zuständigen Bundesinstituts gestattet, Cannabis als Medizin zu nehmen - unabhängig von dem neuen Gesetz. Eingesetzt werden kann Cannabis etwa bei organisch bedingter Spastik, bei Schmerzzuständen, bei Appetitlosigkeit und Abmagerung im Rahmen fortgeschrittener Aids- und Krebserkrankungen oder bei Nebenwirkungen der Chemotherapie, wie der Arzt Franjo Grotenhermen aus dem nordrhein-westfälischen Rüthen sagt.
In Apotheken ist medizinisches Cannabis teuer
Allerdings ist Grotenhermen nicht besonders zufrieden mit dem Gesetz zu Cannabis auf Rezept. Denn zu einer Verbesserung habe es für viele Patienten bislang nicht geführt. Cannabis aus der Apotheke sei durch das Gesetz viel zu teuer geworden, etwa 25 Euro pro Gramm. "Das ist für die vielen Patienten von Bedeutung, die keine Kostenerstattung durch die Krankenkassen bekommen", erklärte er.
So auch im Falle von Frank-Josef Ackerman. Er baut Cannabis zu Hause an – und zwar als einer von ganz wenigen Patienten bundesweit mit Genehmigung der Behörden. Allerdings läuft diese Erlaubnis am 30. Juni ab: „Und sie wird wohl auch nicht verlängert, weil der Staat die laufenden Genehmigungen wieder einkassieren möchte", sagt Ackerman.
Ackerman ist seit 2008 berufsunfähig und schwerbehindert. Der 47-Jährige aus Rodgau leidet an Polyarthrose, einer heftigen und unheilbaren Gelenkerkrankung. Er ist auf Cannabis angewiesen und raucht aus Gesundheitsgründen sieben bis acht Mal pro Tag.
Aufwand für Cannabis auf Rezept ist groß und belastet auch die Ärzte
Bei den hohen Kosten von 25 Euro pro Gramm in den Apotheken könnte das allerdings für den Schmerzpatient teuer werden. Nach Experten-Ansicht ist der Preis auf den Apotheken-Zuschlag nach der Arzneimittelverordnung zurückzuführen. Zudem müssten Patienten zuerst einen Kassenarzt finden, der ihnen überhaupt etwas verschreibt. Dann müsse die erste Verordnung für jeden Patienten von den Kassen genehmigt werden, was oft genug verweigert werde. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin Grotenhermen erklärt dazu: "Aufgrund der Ablehnung der Kostenübernahme der Krankenkassen laufen bereits mehrere Verfahren vor den Sozialgerichten".
Ärzten droht zudem wegen der hohen Kosten für Cannabis ein Regress wegen Überschreitung ihres Budgets. Insgesamt sei der Verwaltungsaufwand für die Ärzte mit Cannabis-Patienten groß, sagt Grotenhermen. "Da muss die Politik nachbessern", erklärt er.
Cannabis auf Rezept: Krankenkassen machen zu viele Ausnahmen
Der Hamburger Fachanwalt Oliver Tolmein sieht das Problem bei den Krankenkassen. "Das Gesetz regelt, dass sie die Cannabis-Verordnung auf Rezept in der Regel genehmigen sollen und nur in begründeten Ausnahmefällen nicht - derzeit ist leider das Gegenteil der Fall: in der Regel wird nicht genehmigt, nur ausnahmsweise doch."
Hinzu kommt laut Tolmein: "Das medizinische Cannabis muss bis auf weiteres importiert werden, Apotheken haben leider immer wieder Lieferengpässe. Für die Patienten ein unhaltbarer Zustand. Sie sind auf ihr Medikament angewiesen." Das kann der Rodgauer Schmerzpatient und Cannabis-Anbauer Ackermann nur bestätigen:"Ich kann das nicht beenden. Sonst gehe ich kaputt". AZ, dpa
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Es ist traurig, dass die Gesetzgebung und die Bezugswege der Medizin Cannabis das so teuer und unattraktiv machen, dass Patienten wieder ausgegrenzt werden.
Allderdings gelten mMn die Leitsätze des Urteils des BVerwG von 2016 zum Eigenanbau auch für diesen Patienten weiter:
Der Eigenanbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken liegt im öffentlichen Interesse im Sinne des BtMG, wenn der Antragsteller an einer schweren Erkrankung leidet und ihm zur Behandlung der Krankheit keine gleich wirksame und für ihn erschwingliche Therapiealternative zur Verfügung steht.
Das BfArM hat wegen des von Art. 2 GG geforderten Schutzes der körperlichen Unversehrtheit rechtlich zwingend keinen Ermessensspielraum, ihm diese Erlaubnis zu verweigern. (leicht gekürzt und Schluss umformuliert)
AZ: BVerwG 3 C 10.14