Wenn der Kinderwunsch zur Qual wird - Beratungsstellen helfen
Immer mehr Paare suchen Hilfe bei Beratungsstellen. Die Versuche, mit von Fortpflanzungsmedizin ein Baby zu bekommen, belasten nicht selten auch die Beziehung.
Dreimal haben sie es versucht, durch künstliche Befruchtung ein Kind zu bekommen. Dann war Schluss. Das Paar – sie 43, er 45 – konnte nicht mehr. Die beiden suchten psychosoziale Hilfe bei der Schwangerenberatungsstelle Donum Vitae in Augsburg. Sie wollten sich von ihrem Kinderwunsch verabschieden und nach einer neuen gemeinsamen Lebensperspektive suchen.
In der Sexualpädagogik geht es um Verhütung, wie man eine ungewollte Schwangerschaft verhindert, sagt Rita Klügel, Leiterin von Donum Vitae. Aber man spricht nicht darüber, dass die Fruchtbarkeit bei Frauen altersbedingt begrenzt ist. Bereits im Alter von 28 Jahren nimmt sie rapide ab. Aber jede vierte Schwangere ist heute mindestens 35 Jahre alt. 31 Prozent der Deutschen leben Studien zufolge zwischen 25 und 45 Jahren ohne Partner. Also in der wichtigsten Phase für die Familiengründung.
Auch das Paar hatte erst relativ spät in einer Partnerschaft zusammengefunden, erzählt Rita Klügel. Die beiden waren beruflich gut etabliert und lebten in einem gesicherten Umfeld, als der Wunsch immer größer wurde, in einer Familie zu leben. Als Brigitte S. (Name von der Redaktion geändert) feststellen musste, dass sie auf natürliche Weise nicht schwanger werden würde, suchte das Paar eine Babywunsch-Klinik auf. Ein erfolgloser Versuch nach dem anderen zermürbte die beiden und sie fassten schließlich den Beschluss, sich mit ihrem Schicksal abzufinden und den Kinderwunsch aufzugeben.
Donum Vitae berät immer mehr betroffene Paare
Brigitte S. und ihr Mann sind kein Einzelfall. Rita Klügel begleitet im Jahr 20 bis 30 Paare. Vor etwa vier Jahren stellte sie fest, dass die Nachfrage nach psychosozialer Beratung wegen eines unerfüllten Kinderwunsches immer größer wurde. Diesen Wunsch aufzugeben, ist auch eine Form der Trauerberatung, mit der Klügel viel Erfahrung hat.
Denn einer der Schwerpunkte von Donum Vitae, das in diesem Jahr das 15-jährige Bestehen feiert, ist inzwischen die Beratung nach einer vorgeburtlichen Untersuchung (Pränataldiagnostik). Was tun, wenn die Gefahr besteht, dass das Kind behindert zur Welt kommt? Die Ärzte klären medizinisch auf, stoßen aber an Grenzen. Die Entscheidung, wie es weitergeht, muss die Schwangere treffen. Bei der Verarbeitung hilft auch hier eine psychosoziale Begleitung bei den spezialisierten Beratungsstellen.
Sex nach Plan belastet die Beziehung
Beim unerfüllten Kinderwunsch ist das nicht anders. Die Paare sind bestens über die medizinischen Möglichkeiten informiert. Aber sie sind häufig in einem psychischen Ausnahmezustand. Während der anstrengenden Versuche, ein Kind mit Reproduktionstechnologie zu bekommen, leiden nicht selten die Beziehung und das Sexualleben der Paare. Sie leben ständig unter Stress und Zeitdruck. Sex nach Plan in der fruchtbaren Zeit belastet, das Lustempfinden geht verloren.
„Es ist eine Achterbahn der Gefühle“, sagt Rita Klügel. Und es gibt Tabugrenzen in einer Partnerschaft. In einem professionell geführten Gespräch in der Beratungsstelle können Dinge dagegen ausgesprochen werden, über die man zu zweit nicht so einfach redet. Ist der Kinderwunsch dank modernster medizinischer Technik erfüllt, kann es ganz andere Probleme geben, sagt Klügel. Sie kennt Frauen, die sich fragen: Wie sage ich meinem Kind, dass es nicht im Mutterleib erzeugt, sondern im Labor entstanden ist? Auch in dieser Situation kann die psychosoziale Beratung hilfreich sein.
Fachleute gehen davon aus, dass die Zahl der Paare, die sich ihren Kinderwunsch durch eine reproduktionsmedizinische Behandlung erfüllen wollen, angesichts des medizischen Fortschritts weiter zunehmen wird. „Wir wollten auf diese gesellschaftliche Veränderung eine Antwort geben,“ sagt Rita Klügel. Deshalb hat sie mit Kolleginnen eine Zusatzqualifikation erworben.
Zertifizierte Beraterinnen für den unerfüllten Kinderwunsch gibt es auch in den Beratungsstellen von Donum Vitae in Memmingen und Neu-Ulm.
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