Wissenschaftler: Wir können Tierversuche nicht ersetzen
Jährlich experimentieren deutsche Forscher an Millionen von Versuchstieren. Der Würzburger Wissenschaftler Martin Lohse argumentiert dafür, warum das unverzichtbar ist.
Deutsche Forscher experimentieren jedes Jahr an Millionen von Versuchstieren. Um dagegen zu protestieren, starten Tierschützer ab Donnerstag mehrere Aktionen. Trotz des Widerstands halten viele Wissenschaftler solche Versuche aber für unverzichtbar. Der Würzburger Neurobiologe und Universitätsprofessor Martin Lohse spricht im Interview darüber, warum es keine Alternativen gibt.
Die Forschung ist ohne Tierversuche undenkbar. In welchen Bereichen werden solche Experimente gemacht?
Martin Lohse: Darf ich gleich widersprechen? Es gibt riesige Forschungsfelder, die man auch ohne Tierversuche bearbeiten kann. Ich glaube, es ist wichtig, dass man das sieht. Aber es stimmt: Es gibt auch Bereiche, in denen man noch Tierversuche braucht. Das ist etwa in der Medizin der Fall. Um die Wirkung eines Impfstoffs zu überprüfen, braucht man einen Gesamtorganismus.
Gibt es Tiere, die sich für die Versuche besonders eignen?
Lohse: Das ist eine ganz schwierige Frage und auch eine, die wissenschaftlich immer wieder neu bewertet werden muss. Zum Beispiel gilt das Schwein als relativ gutes Modell für den Kreislauf. Aber die große Mehrzahl an Tierversuchen wird an Mäusen und Ratten durchgeführt.
Welche aktuellen Forschungsergebnisse haben wir Tierversuchen zu verdanken?
Lohse: Zum Beispiel gibt es neue Mittel bei Diabetes, die letztlich auf Beobachtungen am Tier beruhen. Bei den Tests ging es um das Wechselspiel zwischen Darm, Bauchspeicheldrüse, Blut und Appetit. Das heißt, es waren viele Organe einbezogen. Das ließ sich nur am Gesamtorganismus überprüfen.
Ohne Tierversuche erhöht sich das Risiko für den Menschen
Tierschützer laufen regelmäßig Sturm gegen die Versuche am Tier. Wie werden die kontroversen Diskussionen geführt?
Lohse: Es ist auch meine persönliche Erfahrung, dass man sowohl auf die Schwierigkeiten als auch auf die Vorteile von Tierversuchen eingehen muss. Man muss transparent ansprechen, dass es unter anderem um neue Therapien für Krankheiten geht. Letztendlich muss immer zugunsten der Patienten gehandelt werden.
Gibt es alternative Wege für die Forschung, falls Tierversuche in Zukunft eingeschränkt oder verboten werden?
Lohse: Ich würde sagen, auf dem Stand von heute können wir Tierversuche nicht ersetzen. Die Alternativen bei Arzneimitteln sind, dass wir keine neuen mehr entwickeln oder dass wir das Risiko für den Menschen erhöhen. Es würde sich die Situation ergeben, dass Patienten erstmals Arzneimittel verabreicht werden müssten, die vorher noch nicht ausreichend getestet wurden. dpa
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