Zika-Epidemie in Brasilien: Immer mehr Babys werden illegal abgetrieben
Seit der Zika-Virus in Brasilien umgeht, wurden dort fast 5000 Babys mit zu kleinem Kopf geboren. Aus Angst treiben immer mehr Schwangere illegal ab - das ist gefährlich.
Die 22-Jährige Marisa ist im sechsten Monat schwanger und wie Tausende andere schwangere Brasilianerinnen hat sie Angst um ihr Kind. Denn in Brasilien und anderen Ländern Lateinamerikas geht das Zika-Virus um. Eine Infektion mit dem Virus schädigt die ungeborenen Kinder. "Bei jeder Ultraschall-Untersuchung sterbe ich fast vor Angst", schreibt die 22-jährige Marisa in sozialen Netzwerken. So beschreiben viele Schwangere ihr Entsetzen, wenn sie Hautausschlag, Gliederschmerzen und leichtes Fieber bei sich bemerken - alles Anzeichen für eine Infektion mit dem Zika-Virus bei Erwachsenen. Bei ungeborenen Kindern aber sind die Folgen schlimmer: Sie kommen mit verkleinerten Schädel (Mikrozephalie) zur Welt kommen. Dieses Risiko sorgt die werdenen Mütter. Nun entscheiden sich viele alleine wegen des Risikos gegen das Kind.
Seit Beginn der Zika-Epidemie ist die Zahl der illegalen Schwangerschaftsbrüche in Brasilien in die Höhe geschnellt. Ärzte berichten in der Zeitung "Folha de São Paulo" von zahlreichen Patientinnen, die sich nach einer Infektion zu einer "präventiven Abtreibung" entschließen. "Die Schwangeren fragen mich, ob ein Risiko für ihr Baby besteht", sagt der bekannte Virologe Artur Timerman aus São Paulo. Dies müsse er bejahen. "Die Entscheidung ist ihre. In keinem Moment sage ich: Mach es oder mach es nicht."
Zika-Virus: Etwa eine Million Brasilianerinnen treibt schon jetzt illegal ab
Vor allem Frauen aus der Mittelklasse mit guter Ausbildung wählten diesen Schritt, berichten Gynäkologen. Denn ein Schwangerschaftsabbruch ist in Brasilien nicht nur illegal, sondern auch eine Frage des Geldes. In einer Privatklinik müssen bis zu 4.000 Euro bezahlt werden. Das entspricht etwa dem Jahresgehalt bei Bezug von Mindestlohn.
Die Debatte berührt ein Tabuthema. Denn in Brasilien sind Abtreibungen nur dann erlaubt, wenn den Behörden eine bestätigte Vergewaltigung vorliegt oder Gefahr für das Leben der Mutter besteht. Wie groß die Not vieler Frauen ist, zeigt aber die bislang schon hohe Zahl der illegalen Abtreibungen, die Experten auf mehr als eine Million pro Jahr schätzen. Rund 90 Prozent der Eingriffe werden unter hygienisch katastrophalen Zuständen vorgenommen. "Für eine Frau aus der Favela ist es oft ein Todesurteil", sagt Drauzio Varella, einer der bekanntesten Ärzte Brasiliens. Laut WHO stirbt alle zwei Tage eine Frau an den Spätfolgen einer verpfuschten Abtreibung. Frauenorganisationen befürchten, dass diese Zahl jetzt sprunghaft ansteigen wird.
Zika-Virus: Mikrozephalie erst zu Ende der Schwangerschaft erkennbar
Etwa 4800 Babys in Brasilien wurden seit Oktober mit einem zu kleinen Schädel geboren. Täglich werden es mehr. Elisangela Campos hält ihr zwei Monate altes Baby im Arm. "Der Kopf hat von einem Tag zum anderen aufgehört zu wachsen", erzählt die 25-Jährige aus Rio de Janeiro. "Doch da stand ich schon kurz vor der Geburt." Die junge Mutter weiß nicht, ob sie sich zu einem Abbruch entschieden hätte. "Ich vertraue Gott und hoffe, dass er uns beschützt", sagt sie leise.
Nicht nur die werdenden Mütter, auch Ärzte spüren täglich den schweren Konflikt. "Mikrozephalie kann mit Sicherheit erst im letzten Schwangerschaftsdrittel diagnostiziert werden", gibt Varela zu Bedenken. Damit würde ein fast lebensfähiger Fötus zu Beginn des siebten Monats abgetrieben werden. Immer mehr Ärzte raten deshalb den Frauen, ganz auf eine Schwangerschaft zu verzichten.
Doch es gibt auch andere Stimmen. "Ich bin vollwertig, glücklich und existiere, weil sich meine Mutter gegen eine Abtreibung entschieden hat , schreibt die 24-jährige Ana Carolina Cáceres in einem Blog. "Ich bin der lebende Beweis dafür, dass diese Krankheit nicht alles ist." Dazu postet sie ein Abschlussfoto ihrer Journalismus-Fakultät. Ana Carolina wurde mit Mikrozephalie geboren, ihr Gehirn ist kleiner als das anderer Erwachsener. In ihrem Blog setzt sie sich gegen eine Kampagne ein, die für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch bei Mikrozephalie kämpft. AZ/epd
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