
Trotz BGH-Urteil: Badeinseln bleiben im Landkreis in den Seen

Plus Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs überlegten manche Gemeinden 2019, Badeinseln aus Haftungsgründen aus ihren Seen zu holen. So ist die Situation heuer.

An den Badeseen im Wittelsbacher Land geht es derzeit rund. Nicht nur das schöne Wetter sorgt dort für Hochbetrieb. Auch die Corona-Pandemie und die steigenden Infektionszahlen in vielen Urlaubsregionen treibt die Menschen heuer vermehrt an die heimischen Gewässer. Während die Gemeinden heuer damit beschäftigt waren, die coronabedingten Sicherheitskonzepte umzusetzen, wurde im vergangenen Sommer noch ein anderes Thema heiß diskutiert.
Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) von 2017 verunsicherte die Gemeinden. Damals beschlossen die Karlsruher Richter die Beweislastumkehr bei Badeunfällen: Nicht mehr das Unfallopfer muss beweisen, dass die Gemeinde schuld ist, die den See betreibt. Stattdessen muss die Gemeinde nachweisen, keine grob fahrlässigen Fehler begangen zu haben.
Anlass für BGH-Urteil war ein tragischer Unfall einer Zwölfjährigen
Anlass war ein tragischer Unfall in Rheinland-Pfalz. Dort hatte sich 2010 eine damals Zwölfjährige unter Wasser im Seil einer Boje verheddert. Erst Minuten später wurde die Badeaufsicht aufmerksam. Das Mädchen überlebte, ist seither jedoch schwerbehindert. Die Familie klagte auf Schadenersatz, der BGH stellte einen grob fahrlässigen Pflichtverstoß der Badeaufsicht fest und beschloss strengere Regeln: Sobald es an einem See Badeinseln, Flöße oder Sprungtürme gibt und Eintritt verlangt wird, ist demnach eine Badeaufsicht nötig.
In der Folge bauten einige Gemeinden in Bayern ihre Bäder zurück. Auch in Aichach-Friedberg zerbrachen sich Bürgermeister und Verwaltungen die Köpfe, ob sie Flöße und Badeinseln guten Gewissens im Wasser lassen konnten.
Markt Aindling kontrolliert regelmäßig seine Badeinseln
Dieser Sommer zeigt: Die Inseln sind allesamt noch in den Seen. Dennoch haben die Gemeinden ein Auge darauf. Gertrud Hitzler, seit Mai Aindlinger Bürgermeisterin, verweist auf regelmäßige Kontrollen. Im Bereich der Sander Seen treiben Badeinseln im U-Weiher, der im Besitz des Marktes Aindling ist, und im Eisweiher, der dem Erholungsgebieteverein Augsburg gehört. Kinder, Jugendliche und erwachsene Schwimmer halten sich gerne darauf auf. Hitzler sagt: „Es wird regelmäßig kontrolliert, ob lose Teile angebracht sind.“ Vor und nach der Saison prüfe ein Taucher, ob alles richtig verankert sei. Während der Badezeit nehme die Wasserwacht Sichtkontrollen vor. Sie ist an Wochenenden und Feiertagen an der Wachstation am U-Weiher vor Ort.

Doch Hitzler sagt auch: „Man kann keinen hundertprozentigen Schutz garantieren.“ Inseln aus dem Wasser zu holen, ist für sie derzeit keine Option: „Es ist schwierig, wenn wir alle Möglichkeiten für die Bürger einschränken.“ Die Mehrzahl der Menschen sei zum Glück vernünftig. Hitzler würde sich jedoch wünschen, dass Anweisungen der Wasserwacht besser Folge geleistet würde. Schließlich opferten deren Mitglieder ihre Freizeit und riskierten ihr Leben für andere.
Badeinsel auf dem Mandlachsee bei Handzell bleibt im Wasser
Auch auf dem Mandlachsee nahe dem Pöttmeser Ortsteil Handzell schwimmt eine Badeinsel. Im Herbst diskutierte der Marktgemeinderat, ob sie abgebaut oder lieber ein Sicherheitskonzept erstellt werden sollte, wie von der Verwaltung empfohlen. Das Konzept hätte bis zu 20.000 Euro gekostet. Die Räte beschlossen einstimmig, das Thema zurückzustellen. Falls Gespräche mit anderen Gemeinden oder der Berufsgenossenschaft neue Erkenntnisse ergäben, sollte das Thema erneut aufgegriffen werden. Das war bislang nicht der Fall.
Friedberg geht einen anderen Weg. Anfang Juli beschloss die Stadt, ein Sicherheitskonzept zu erstellen zu lassen.Ergebnisse gibt es wohl Anfang 2021. Das Konzept nimmt den Derchinger See, die beiden Afra-Seen und vor allem den Friedberger See in den Blick.
Im Friedberger See kommt es fast jährlich zu schweren Badeunfällen
Hier kommt es fast jährlich zu schweren Badeunfällen. 2019 zogen zwei Wasserwachtler einen jungen Mann aus dem See, der fast ertrunken wäre, weil er nicht schwimmen konnte. 2018 starb ein 78-Jähriger bei einem Badeausflug. 2017 kam ein 17-Jähriger ums Leben, der zu einer der Schwimminseln am Südufer wollte. Im Wasser warnen inzwischen Schilder vor dem nach einigen Metern steil abfallenden Ufer.
Der bislang letzte tödliche Badeunfall im Landkreisnorden geschah am Pfingstsonntag 2019. Eine Schwimmerin, 56, bekam im Eisweiher gesundheitliche Probleme. Obwohl Helfer sie schnell auf die Badeinsel zogen und reanimierten, starb sie später im Krankenhaus.
Erholungsgebieteverein Augsburg: „Hoffen, dass nichts passiert“
Elisabeth Burkhard ist Geschäftsführerin des Erholungsgebietevereins Augsburg (Eva), dem der Eisweiher gehört. Dass die Badeinseln nach wie vor im Badesee Lechfeld sind, wie U- und Eisweiher zusammen heißen, findet sie im Sinne der Besucher richtig. „Wir hoffen, dass nichts passiert.“ Das Sicherheitskonzept habe man weiter im Hinterkopf. Doch das müsste die Mitgliederversammlung beschließen.
Burkhard kündigt an: „Wir bleiben dran.“ Doch sie beklagt: „Die Gemeinden werden bei dem Thema im Stich gelassen – und wir auch.“ Niemand sage, wie ein belastbares Sicherheitskonzept aussehe. Die Eva-Geschäftsführerin hofft hier auf den Städte- oder Gemeindetag. Einstweilen sollen Schilder mit dem Hinweis „Benutzung auf eigene Gefahr“ die Besucher warnen. Von denen sind in diesem Sommer reichlich an den Sander Seen unterwegs. In den Abfalleimern sammelte sich Burkhard zufolge in den ersten beiden Monaten nach dem Lockdown so viel Müll an wie sonst in einem ganzen Jahr. (mit kru)
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