
Erneuerbare Energien können Bedarf komplett decken

Peter Zerrle von der Universität Weihenstephan erklärt beim BN, warum der Mensch dennoch zögert
Nicht allein für die Mitglieder des Bund Naturschutz (BN) verdichtet sich das Szenario der globalen Probleme. Der Flüchtlingsstrom sei letztlich eine Folge der Gier der reichen Industrienationen zum Beispiel nach Erdöl, die Klimaerwärmung habe dieselbe Ursache und das Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich? Warum handelt die Menschheit nicht geschlossen und entschlossen angesichts der Bedrohung? Antworten auf viele solcher Fragen erhoffte sich die Kreisgruppe bei der Jahreshauptversammlung des BN von Peter Zerrle.
Der Merchinger unterrichtet an der Universität Weihenstephan volkswirtschaftliches Nachhaltigkeits-Management und untersucht mit seinen Studenten unter diesem Schlagwort die psychologischen und die sozialen Komponenten. Rasch konnte Zerrle plausibel erklären: wir heizen den Klimawandel weiter an. China und Indien werden in den nächsten Jahren ihren CO2-Ausstoß drastisch nach oben fahren – und wir schüren mit unserem Konsummuster deren Konjunktur-Motor.
Nach weiteren Kurven und Statistiken ist den Zuhörern in Blumenthal (Stadt Aichach) klar: Die Menschheit wäre locker in der Lage, ihren kompletten Bedarf an Energien nachhaltig mit den Erneuerbaren zu decken. Die Muster zur Unfähigkeit im Handeln sieht der Merchinger Gemeinderat in der Geschichte der Menschheit. Über Jahrmillionen war Mangel deren ständiger Begleiter. Das Individuum musste horten, was es nur bekommen konnte, um sich und seinen Nachkommen das Überleben zu sichern, und erst seit einem halben Jahrhundert kennen Teile der Menschheit keine Not mehr. Zudem war Homo sapiens weit davon entfernt, in Massen aufzutreten. Um Christi Geburt bevölkerten ungefähr 170 Millionen Menschen den Erdball, um 1880 war die erste Milliarde geknackt, und heute tummeln sich sieben Milliarden in allen Klimazonen. „Daher fehlt uns das Verständnis dafür, dass der Mensch die Welt verändern kann“, folgerte der Professor aus Weihenstephan. Dennoch hätten bereits viele geschnallt, was läuft – und trotzdem ändere sich nichts. Auch hierfür zählte Zerrle zentrale Gründe auf. Größter Hinderungsgrund für den Durchbruch der Erneuerbaren sei die darauffolgende Entwertung der Ressourcen. „Wer braucht noch Öl oder Gas, wenn Sonnenenergie konkurrenzlos billig ist“, fragte der Professor und schob ein simples Beispiel nach.
Langsam werde jedem klar, dass der Vorteil eines Windrades oder einer Photovoltaikanlage die Eleganz der Entsorgung ist. Während der Abbau einer Atomruine Jahrzehnte dauert, und die Entsorgung des Atommülls mehr als 1000 Generationen belastet, sei ein Windrad spätestens nach einer Woche weg. „Die Atomkraft entpuppt sich als ökonomischer Super-GAU für jede Volkswirtschaft“, fand Peter Zerrle markige Worte.
Zudem geißelte der Professor den Ruf nach mehr Wachstum: „Ab einem gewissen Sättigungsgrad bringt uns das zusätzliche Materielle keinen zusätzlichen Nutzen“, rief der Merchinger in den Saal und veranschaulichte: „Ich kann den Zweitwagen nicht gleichzeitig fahren.“ Allein das Verständnis dieser Gegebenheiten sei jedoch zu wenig. Zerrles finale Forderung lautete: „Wir brauchen einen Bewusstseins- und Kulturwandel.“ Und dabei sei jeder Einzelne gefordert, auch wenn sein Beitrag auch noch so unscheinbar sei. (mgw)
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