Um einen Briefkasten ging es bei einem Familienstreit. Nachdem die Oma ins Heim gekommen war, hatte die 42-jährige Enkelin im November vergangenen Jahres veranlasst, dass der Briefkasten am Anwesen der Oma im nördlichen Landkreis entfernt wird. Ein 70-jähriger Bekannter übernahm das und flexte den Briefkasten mitten in der Nacht weg. Wegen Diebstahls und Sachbeschädigung erhielt er daraufhin einen Strafbefehl über 1200 Euro (30 Tagessätze zu je 40 Euro), gegen den er Einspruch einlegte. Jetzt stand er in Aichach vor Gericht.
Um ein Uhr nachts rückte der 70-Jährige mit der Flex an, um den Briefkasten von einem Gitter auf dem Grundstück zu entfernen. Auf die Frage von Staatsanwältin Annalena Schröder, warum er das ausgerechnet mitten in der Nacht gemacht hatte, erklärte der Angeklagte: „Ich war privat unterwegs gewesen.“ Da hatte er das gleich mit erledigt. Was er nicht wusste: Eine Kamera nahm das Abmontieren auf.
Angeklagter: „Eine anzeigewütige Familie“
Dazu muss man wissen, dass es zwischen den Familienmitgliedern nicht besonders harmonisch zugeht. „Eine anzeigewütige Familie“ nannte der 70-Jährige sie. Eine Tante hatte die 42-Jährige, die den 70-Jährigen beauftragt hatte, zum Beispiel schon mal verklagt, weil sie sich unrechtmäßig am Besitz der Großeltern vergriffen haben soll. Der Angeklagte hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass er angezeigt werden würde. Er ging davon aus, dass der Briefkasten der Enkelin gehört, die ihn auch gekauft hatte. Zur Flex hatte er übrigens gegriffen, weil die Schrauben, mit denen der Kasten befestigt war, verrostet waren. Den Wert des Briefkastens bezifferte die Staatsanwaltschaft mit 80 Euro, den Schaden an der Halterung mit 20 Euro.
Die Vorgeschichte fasste vor Gericht Verteidiger Stephan Eichhorn zusammen. Die Enkelin, die zusammen mit den Großeltern auf dem landwirtschaftlichen Anwesen gelebt hatte, war gleichzeitig deren Betreuerin. 2015 hatte die Oma die Enkelin damit beauftragt, einen Briefkasten zu besorgen, der mit Schrauben an einem Gitter befestigt wurde. Der Opa ist inzwischen verstorben, die Oma lebt im Heim und die Enkelin ist mittlerweile auch ausgezogen. Trotz Nachsendeantrags sei aber noch immer Post, die sie als Betreuerin der Oma betraf, in dem Briefkasten gelandet, sagte die 42-Jährige vor Gericht aus. Nachdem der Postkasten „von jemand Unbekanntem geleert“ wurde, entschied sie, ihn entfernen zu lassen.
Das Grundstück wird mit einer Kamera überwacht
Die 58-jährige Tante der 42-Jährigen sagte, sie sei von ihrem Sohn benachrichtigt worden, dass der Briefkasten auf ihrem Grundstück nicht mehr da sei. Sie hat von ihren Eltern das landwirtschaftliche Anwesen geerbt, lebt selbst aber im Nachbarlandkreis. Der Sohn sagte, nachdem auf dem Hof immer wieder Sachen verschwunden seien, habe er eine Kamera installiert. Auf den Aufnahmen entdeckte er einen Mann, der mit der Flex den Briefkasten abmontierte.
Weil er einen Zusammenhang mit seiner Cousine, der 42-Jährigen, vermutete, durchsuchte er deren Profil in den sozialen Netzwerken und fand dort den 70-Jährigen. Daraufhin erstattete seine Mutter Anzeige. Ihrer Aussage, dass in dem Briefkasten auch Post für den landwirtschaftlichen Betrieb landen würde, widersprach die 42-Jährige: „Da ist kein Bauernhofbetrieb mehr.“
Staatsanwalt und Verteidiger stimmen Vorschlag zu
Für Richter Axel Hellriegel lief es auf die Frage hinaus, wie fest der Briefkasten angebracht war. Bei einer festen Montage sei der Eigentümer des Grundstücks auch Eigentümer des Briefkastens und dann würde es sich um Diebstahl handeln. War der Briefkasten abschraubbar, dann handelt es sich laut dem Richter eher um Hausrat und der Briefkasten gehört demjenigen, der ihn angebracht hat. „Ob man daraus einen Kriminalfall machen muss?“, fragte sich Hellriegel. Seiner Meinung nach war es eher eine zivilrechtliche Angelegenheit. Dem Vorschlag des Richters, das Verfahren einzustellen, stimmten Staatsanwaltschaft und Verteidiger zu.
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