Einmal mehr hat sich am Dienstagabend gezeigt, wie groß das Interesse der Dießener Bevölkerung an der ehemaligen Graphischen Kunstanstalt in der Johannisstraße ist. Die Industriebrache, die die Gemeinde geerbt hat, soll in den nächsten Jahren neu genutzt werden. Dazu wurden in einer „Ideenwerkstatt“ im voll besetzten Foyer der Carl-Orff-Schule fünf Konzepte vorgestellt, die nach einer Ausschreibung abgegeben worden waren. Sie reichten von einer überwiegend wirtschaftlichen Verwertung der Liegenschaft bis zu weitgehend öffentlichen und gemeinnützigen Verwendungen. Welches Konzept das Publikum favorisierte, war unschwer zu erkennen.
Klar punkten konnte die „Kulturwerkstatt - Ideen für Dießen“, wie der starke Applaus zeigte, zu dem sich viele Personen von ihren Plätzen erhoben. Die Kulturwerkstatt formulierte als Grundsätze, dass der Markt Dießen die Huber-Häuser behalten und unter Mitwirkung interessierter Personen für öffentliche Nutzungen zugänglich machen solle. Daneben würden die bisherigen Wohnungen bestehen bleiben und im auszubauenden Dachgeschoss weitere geschaffen. Als wesentliche weitere Elemente wurden Bühne, Ausstellungs- und Veranstaltungsräume sowie Ateliers und ein „Co-Living-Konzept“ genannt, worunter die zeitliche befristete Anmietung von Räumen für Studierende, Saisonkräfte oder gastierende Künstler zu verstehen ist. Im Parterre ist zudem Platz für eine Gastronomie und ein Ladenlokal vorgesehen. Interesse an einer Mitwirkung habe auch das Denkerhaus mit seinem Coworking-Konzept. Die ehemalige Kunstanstalt biete zudem Platz für Musikschule und Jugendzentrum, Volkshochschule und Repair-Café. Aus der Immobilie könnte „ein Treffpunkt für alle für jeden Tag im Jahr“ werden, wie es Anni Sander formulierte.
Die „Kulturwerkstatt“ setzt auf eine gewaltige staatliche Förderung für eine neue Kunstanstalt
Um das zu verwirklichen, rechnet die Gruppe mit Kosten von bis zu 20 Millionen Euro. Sie sieht aber ein gewaltiges Potenzial für staatliche Förderungen. Da es sich fast ausschließlich um nicht profitable Nutzungen handelt, könnte sich die Förderung auf rund 15 bis 16 Millionen Euro belaufen, so die Erwartung. Voraussetzung sei aber unter anderem, dass der Markt Dießen die Förderanträge stellt. Um den weiteren Betrieb würde sich eine Genossenschaft kümmern, wie der Leutkircher Unternehmer Christian Skrodzki ankündigte. Das würde zu einer hohen Identifikation der Bevölkerung mit der Kunstanstalt führen. Mieten und Nutzungsgebühren würden so kalkuliert, dass die laufenden Kosten gedeckt werden.

Einen ähnlichen Nutzungsmix trug die Gruppe Willy, Knopp, Wassmer, Reiter Architekten vor. Der Unterschied zur Kulturwerkstatt bestand jedoch darin, dass sie weniger auf öffentliche Fördergelder und vielmehr auf privates Kapital baut. Dieses könnte nach dem Vorbild des Schongauer Altstadtfonds über ein Bauherrenmodell eingebracht werden. Für finanzkräftige Anleger könnte vor allem die besonders hohe steuerliche Abschreibung von Denkmalprojekten interessant sein. Das Konzept geht von einem Kapitalbedarf von gut 14 Millionen Euro aus. Acht Millionen könnten über privates Geld eingebracht werden und fünf Millionen Euro aus Zuschüssen, sodass sich der Markt Dießen mit einer guten Million Euro beteiligen müsste. Das Eigentum wäre zwischen beiden Seiten geteilt. Nach Ablauf des 15- bis 20-jährigen Anlagehorizonts könnte die Gemeinde den privat finanzierten Teil (der insbesondere den Wohnraum und andere gewerbliche Nutzungen betreffen würde) über ein Vorkaufsrecht erwerben.
Ein Generalplaner setzt auf den Verkauf von Wohnungen
Die Gruppe Asböck Architekten GmbH, EBM München bot sich als „Generalplaner“ an, um in der ehemaligen Kunstanstalt einen Mix aus zusätzlichem Wohnraum (auch durch ein weiteres Gebäude im Westteil des Grundstücks), Büro-, Atelier- und Ladenflächen sowie einer Gastronomie zu schaffen. Die beim Markt Dießen verbleibenden Kosten bezifferte die Gruppe bei einem Investitionsaufwand von rund zehn Millionen Euro und nach dem Erhalt von Fördergeldern und dem Erlös aus dem Verkauf von Wohnungen auf rund 2,9 Millionen Euro.
Das zum Beginn von der Immobilienmaklerin Irina Aigner vorgetragene Konzept sieht neben einem kleineren Anteil für Gewerbe, Gastronomie und Veranstaltungsflächen vor allem Eigentumswohnungen vor. Aigner bezifferte den Investitionsaufwand auf 15 bis 20 Millionen Euro. Das Publikum zeigte sich an diesem Konzept vergleichsweise wenig interessiert. Sarin Rudolph, die als Mitarbeiterin des gemeindlichen Bauamts durch die Veranstaltung führte, bat daraufhin die Zuhörenden um Aufmerksamkeit für alle Beiträge.
„Freie Kunstanstalt“ stellt sich einen schnellen Einstieg in die ehemalige Kunstanstalt in Dießen vor
Dagegen kürzte Rudolph die Präsentation des Vereins „Freie Kunstanstalt“ ab, die wiederholt längere gesellschaftspolitische Anstöße geben wollte. Der Verein würde mit deutlich weniger Geld und damit auch weniger öffentlichem oder privatem Kapital tätig werden. Sein Konzept sieht eine Fortsetzung der bisherigen Vereinsaktivitäten in der ehemaligen Schreinerei Graf vor. Praktisch sofort würde der Verein die Liegenschaft als Lager mieten und sie Schritt für Schritt zu einem „nachhaltigen sozialen Nutzraum“ ausbauen, wie sich Stefanie Sanktjohanser ausdrückte. „Elitäre Nutzungen, Leerstand und Verfall“ sollte entgegengetreten und ein öffentlich zugänglicher Raum für Kreativität und Kultur geschaffen werden. Die Kosten dafür schätzt die „Freie Kunstanstalt“ auf eine bis zehn Millionen Euro. Das zeige das Potenzial, das ein ehrenamtlich tätiger Verein in den Huber-Häusern wecken könne.
Entscheidungen wird es aber so schnell nicht geben, erklärte Bürgermeisterin Sandra Perzul am Ende der mehr als dreistündigen Veranstaltung. „Im Gemeinderat werden wir noch viel Zeit verbringen müssen, um für das Gros der Dießener Bürger die richtige Entscheidung zu treffen.“ Aus rechtlichen Gründen müsse die Liegenschaft auch noch förmlich ausgeschrieben werden, merkte sie gegenüber unserer Redaktion an.
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