
Umgehung: Diedorf friss – oder stirb?


Bei der Vorstellung der Pläne für die seit Jahrzehnten diskutierte Umfahrung äußern Anwohner deutliche Kritik. Doch gibt es überhaupt noch eine Alternative? Einer meint, ja
Da sitzt er in der ersten Reihe: Eisgrauer Bart, lichter Haarschopf, skeptischer Blick und die Arme verschränkt. Der ganze Mann signalisiert: „Damit kommt ihr bei mir nicht durch.“ Mit dieser Haltung ist Wolfgang Schmid, seit 25 Jahren ansässig im Diedorfer Unterdorf, nicht allein an diesem Abend. Mehr als 200 Menschen sind in die Aula des Diedorfer Gymnasiums gekommen, um sich von Vertretern der Gemeinde und des staatlichen Bauamts die Pläne für die B300-Umfahrung erläutern zu lassen, die nach Jahrzehnte währender Wartezeit nun tatsächlich gebaut werden könnte. Im Jahr 2023 könnte es los gehen – wenn alles glatt läuft. Doch danach sieht es an diesem Abend nicht aus.
Die Pläne für die Umfahrung sind inzwischen schon wieder zehn Jahre alt und müssen aktualisiert werden. Sie beruhen auf 30 Jahre alten Überlegungen, unzähligen Abstimmungsgesprächen, Abwägungen, politischen Entscheidungen. Der Trassenverlauf sei fest geklopft. Das betonen Uwe Fritsch und Stefan Heiß vom Staatlichen Bauamt immer wieder. Entweder werde die Straße so gebaut – oder gar nicht. Diedorf friss oder stirb unter der Belastung von bald 30000 Fahrzeugen am Tag, die ohne Umgehung durch den Ort fahren werden?
Auch die Planer vom Amt und der frühere Landtagsabgeordnete Max Strehle, an diesem Abend als Moderator im Einsatz, räumen ein, dass das Vorhaben von einigen Diedorfern als Zumutung empfunden werden muss. Strehle: „Eine Umfahrung kann man das wohl nicht nennen.“
Vom Sandberg kommend, soll die zunächst vierspurige und später zweispurige Straße an der Bahnlinie entlang um den Hauptort führen. Weil auch die Gleisverbindung bis 2030 ausgebaut werden soll, entsteht so ein breiter Fernverkehrsstrang, der sich zwischen den Hauptort und das so genannte Unterdorf schiebt, in dem auch Häuser werden weichen müssen. Welche genau das sein werden , ist noch unklar.
Gesäumt werden soll die Trasse, die auch am neuen Gymnasium vorbei muss, von bis zu 4,50 Meter hohen Lärmschutzwänden. Mindestens. Einiges spricht dafür, dass die Wände noch höher werden.
„Wenn das kommt, dann ist das Dorf tot“, sagt Anwohner Schmid unter dem Applaus von Zuhörern. Und Klaus Rittel aus der Dammstraße beschwört die Diedorfer in einem mehrminütigen Vortrag, „das Ruder jetzt herumzureißen.“ Die jetzigen Pläne bedeuteten im Prinzip nur eine Verlegung der Ortsdurchfahrt um einige Meter. Rittel spricht sich für eine völlig neue Trasse weit um Diedorf herum oder einen Tunnel aus und verweist auf das bayerische Oberau bei Garmisch. Dort hätten die Bürger ebenfalls einen Tunnel erkämpft. Noch am Abend beginnt der Diedorfer Unterschriften zu sammeln für seine Forderung und hat nach eigenen Angaben am Ende bereits 60 zusammen.
Stefan Heiß vom Bauamt hat die Tunnellösung untersucht. Verschwindet die Straße für etwa mehr als einen Kilometer unter der Erde, kommen Mehrkosten von 55 Millionen Euro sowie jährliche Betriebskosten von einer halben Million Euro heraus. „Utopisch“, sagt Heiß. Schon jetzt seien die Kosten ein neuralgischer Punkt. Für die fünf Kilometer Straße sind 62 Millionen Euro veranschlagt und das sei für den Bund die Schmerzgrenze, betont der stellvertretende Bauamtschef Fritsch mehrfach. Werde es noch teurer, scheitere das gesamte Vorhaben und man stehe wieder am Nullpunkt. Gleiches gilt, wenn man sich auf die Suche nach einer völlig anderen Trasse machen würde.
Diese Straße oder keine: Bürgermeister Peter Högg hat sich damit abgefunden. „An dieser Trasse werden wir nicht mehr viel ändern können“, sagt er und fordert die Diedorfer mehrfach auf, in den kommenden Wochen Vorschläge für viele kleine Verbesserungen zu machen, die in der Summe „eine optimale Lösung“ ergeben könnten. Ein eigener Arbeitskreis des Gemeinderats hat sich schon mit dem Thema beschäftigt. Einer seiner Vorschläge: An neuralgischen Punkten solle die Gemeinde beim Lärmschutz auf eigene Kosten nachbessern.
Allerdings machen die Vertreter des Bauamtes im Laufe der zweieinhalbstündigen Veranstaltung immer wieder deutlich, wie klein die Spielräume aus ihrer Sicht sind. So sei auch eine teilweise Tieferlegung der Straße nur schwer vorstellbar.
In den kommenden Monaten will die Behörde die Vorstellungen in Diedorf und Neusäß sammeln und zudem mit der Bahn über deren Pläne für den Schienenausbau sprechen. Mitte kommenden Jahres sollen die Pläne aktualisiert sein, Ende 2019 soll das Planfeststellungsverfahren beginnen. Erst dessen Beschluss wird zeigen, ob die Straße gebaut werden kann. Gegen diese Baugenehmigung kann natürlich noch geklagt werden.
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