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Foto: Marcus Merk
Foto: Marcus Merk

Aus der Änderungsschneiderei „Flink“ in Gersthofen ist durch die Corona-Krise ein Familienunternehmen geworden. Fatma Kilic produziert mit Unterstützung ihres Mannes und der drei Kinder nun Schutzmasken aus Baumwollstoffen.

Gersthofen 
02.04.2020

Gibt es genügend Masken, um alle zu versorgen?

Von Oliver Reiser

Plus Nach Klopapier, Desinfektionsmittel und Hefe sind Masken ausverkauft. Wie sich große und kleine Firmen auf eine mögliche Maskenpflicht vorbereiten.

Masken sind derzeit in aller Munde – aber noch längst nicht vor allen Mündern. „Ausverkauft!“, heißt es landauf, landab für diesen Artikel, der die Übertragung des Corona-Virus verhüten könnte. In Österreich gibt es bereits eine Maskenpflicht in Supermärkten. In Jena soll ab kommender Woche das Tragen einer Schutzmaske für Mund und Nase zur Pflicht werden. Lesen Sie auch: Wer hat Schutzmasken und Desinfektionsmittel übrig?)

Noch ist dies in unserer Region kein Thema, aber: Gibt es überhaupt genügend Masken, um die Menschen zu versorgen? Im Internet werden diese zu hohen Preisen angeboten und die Lieferzeiten sind lang. Auch eine Nachfrage bei Apotheken und Drogerien im Augsburger Land ist eher ernüchternd. Überall mitleidiges Kopfschütteln. Die Schutzmasken reichen gerade für das Personal.

In Gersthofer Großmarkt längst ausverkauft

Auch beim Gersthofer Markt des Cash & Carry-Unternehmens Selgros, der deutschlandweit insgesamt 38 Niederlassungen betreibt, sind Schutzmasken, egal ob handwerklich oder medizinisch, längst ausverkauft. „Wir sind natürlich momentan dabei, Masken zu beschaffen und haben auch bestellt“, so Pressesprecherin Charlotte Brandau aus der Unternehmenszentrale in Riedstadt (Hessen). Bevor diese jedoch in der Verkauf gelangen, hätte zunächst die Versorgung der eigenen Mitarbeiter Vorrang. Sollte es zu einer Maskenpflicht für Kunden kommen, müsse man die Lage beobachten und reagieren. „Wir stehen ständig mit Lieferanten in Kontakt, damit wir diese Verpflichtung dann auch einhalten können“, so Brandau. (Lesen Sie auch: Können Masken wirklich vor dem Coronavirus schützen?)

Gersthofen: Selber nähen als Alternative

Experten wie Christian Drosten halten das Tragen von Schutzmasken durchaus für sinnvoll. Doch der Virologe betont, dass die raren professionellen Schutzmasken für Menschen reserviert bleiben sollten, die Kontakt zu Corona-Patienten haben. Er nennt als Alternative, Masken aus Stoff selber zu nähen. Anleitungen findet man in großer Zahl im Internet.

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Foto: Annegret Döring
Foto: Annegret Döring

Hoch stapeln sich die Stoffzuschnitte für Nasen-Mund-Abdeckungen, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen gefertigt werden. An der Zuschneidemaschine im Einsatz ist Rebecca Imminger, die normalerweise im pädagogischen Bereich im Sozialdienst tätig ist.

Im Augsburger Land gibt es viele Initiativen von Menschen, die Masken nähen. Auch bei der Änderungsschneiderei „Flink“ in Gersthofen ist seit gestern die Produktion angelaufen. Fatma Kilic kürzt normalerweise Hosen oder näht Kleider. Doch seit der Corona-Krise bleiben die Kunden aus. Nachdem mittlerweile die gesamte fünfköpfige Familie zu Hause ist, haben sie beschlossen, ab sofort Masken herzustellen. „Die ersten paar Tage hat sich das noch wie Urlaub angefühlt, da haben wir zusammen gesessen und zusammen gegessen. Aber im Lauf der Zeit ist es uns dann doch langweilig geworden“, erzählt Fatma Kilic. Und als man dann im Fernsehen vom Mangel an Schutzmasken gehört habe, sei der Entschluss gefallen. „Kochfeste Baumwollstoffe habe ich reichlich im Haus. Draht und Gummibänder auch.

Nähmaschinen sind in Gersthofen vorhanden

Wir können nicht raus, wir haben die Maschinen und die Kundschaft. Jetzt helfen alle mit“, freut sich Kilic, dass aus der Schneiderei „Flink“ ein richtiges Familienunternehmen geworden ist. Der Sohn und die beiden Töchter, von denen eine aus ihrem Studienort Kassel nach Gersthofen zurückgekehrt ist, helfen bei der Produktion, ihr Mann Nazir, der in Augsburg ein Schmuckgeschäft betreibt, das ebenfalls geschlossen ist, kümmert sich um den Versand. Lieber wäre es ihm als Funktionär beim Bayernligisten Türkspor Augsburg und Sohn Burak, derzeit beim TSV Täfertingen aktiv, allerdings, wenn der Fußball bald wieder rollen würde. Rund 50 Masken können derzeit pro Tag hergestellt werden. Bestellungen werden unter der Telefonnummer 0821/471721 entgegengenommen.

Wohin mit 400 Metern Vlies?

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hatte über Twitter angekündigt, dass alle Landkreise und kreisfreien Städte Material bekommen, um Masken selber zu schneidern. Dabei handelt es sich um Rollen mit Vliesstoff, die zwölf Kilo schwer und 40 Zentimeter breit sind; laut Aiwanger reichen sie für 5000 Masken. Im Landratsamt Augsburg ist eine dieser 400-Meter-Rollen angekommen. Noch ist nicht klar, wie das Material verteilt werden soll: „Das wird schnellstmöglich entschieden. Besonders zu bedenken ist dabei aus unserer Sicht, dass die Produktion der Masken aus dem bereitgestellten Stoff möglichst effektiv und unter Einhaltung der notwendigen Hygienestandards erfolgen muss“, so Jens Reitlinger vom Landratsamt.

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