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Bobingen: Kurz vor Kriegsende war Heinz Barisch sechs Monate auf der Flucht

Bobingen

Kurz vor Kriegsende war Heinz Barisch sechs Monate auf der Flucht

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    Mit der Kamera fängt Filmemacher Timian Hopf die Brüder Heinz und Günther Barisch bei ihrem Besuch im ehemaligen Oberschlesien ein. Hinter ihnen ein Gedenkstein. An dem Film hat auch Michael Kalb aus Dinkelscherben mitgewirkt.
    Mit der Kamera fängt Filmemacher Timian Hopf die Brüder Heinz und Günther Barisch bei ihrem Besuch im ehemaligen Oberschlesien ein. Hinter ihnen ein Gedenkstein. An dem Film hat auch Michael Kalb aus Dinkelscherben mitgewirkt. Foto: Michael Kalb

    Anfang Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Entfesselt vom Deutschen Reich, hatte er binnen sechs Jahren weltweit rund 60 Millionen Menschenleben gefordert. Die Redaktion des Augsburger Landboten und der Schwabmünchner Allgemeinen arbeiten zum Kriegsende vor 80 Jahren noch einmal die Erinnerungen der letzten Zeitzeugen auf. Heinz Barisch aus Bobingen erzählt hier von den Wochen und Monaten vor Kriegsende, als er mit Mutter und Geschwistern auf der Flucht waren. Seine Erlebnisse und die seines Bruders Günther sind zudem im Film „Die letzten Zeitzeugen“ von Filmemacher Michael Kalb festgehalten:

    „Es war der 16. März 1945. Die russische Front hatte das 30 Kilometer entfernte Bollwerk, die Oder in Oberschlesien, überwunden und stand mit ihren Panzerspitzen nur noch wenige Kilometer vor meiner Heimatstadt, dem historischen Städtchen Zülz. Bis dahin hatte die historische Stadtmauer mit einem Durchmesser von rund 300 Metern seit dem Mittelalter die damals 24 Einwohner immer vor Angreifern beschützt. Es war 14.20 Uhr, als ein Ohren betörender Lärm zu hören war, ausgelöst von russischen Flugzeugen, die im Tiefflug über die Stadt donnerten, ihre Bomben abwarfen und am Horizont verschwanden. Die Zeit war von der großen Uhr, die bei dem Uhrmacher an der Fassade des Hauses hing, dokumentiert, denn sie blieb bei dem Angriff stehen.

    Der Plan war, nach dem Abzug der Russen zurückzukehren

    Die Bürger der Stadt liefen nach dem Angriff auf den Ring. Es herrschte ein wildes Durcheinander, denn bisher waren sie vom Krieg verschont geblieben und sie kannten ihn nur vom Hörensagen und von den positiven Nachrichten, der Hitlerpropaganda, dass die russische Armee die Oder nicht überwinden würde. Nun war es aber so weit! In der Hauptsache Mütter und Kinder, die Väter und ältere Brüder waren an der Front, bevölkerten den Ring und berieten, was zu tun sei. Man beschloss, die Stadt zu verlassen, um in der näheren Umgebung im ländlichen Teil der Stadt Unterschlupf zu finden. Man packte das notwendige und wertvolle Hab und Gut zusammen und verließ die Stadt. Der Plan war, wieder zurückzukommen, wenn sich die Front weiter verlagerte.

    Meine Mutter mit Ihren drei Kindern und ihre zwei Schwestern hatten die Möglichkeit, mit der deutschen, militärischen Nachhut, die in den späten Abendstunden die Stadt mit Ihren Fahrzeugen verlassen wollte, mitzufahren. Ziel war die tschechische Grenze, und Mährisch Neustadt im Sudetenland. Da wohnte eine Tochter meiner Tante. Auf der stundenlangen Fahrt saß ich im offenen Lastwagen zwischen Munitionskisten, es war eine kalte Nacht im März und es regnete leicht. Die Straße war verstopft von den vielen Flüchtlingen, die dasselbe Ziel hatten, die Grenze zum Sudetenland. Hier angekommen, gerieten der Treck der nur leicht bewaffneten Soldaten und Flüchtlinge in den Beschuss russischer Panzer. Aufgeschreckt flüchteten wir zu Fuß über die Felder nach Jägerndorf in den Bahnhof an der Grenze, ohne Gepäck, das mussten wir wegen der hektischen Flucht auf den Autos zurücklassen. Das einzige Gepäckstück, das meine Mutter rettete, war ein Rucksack mit etwas Essen für einige Tage. Von da ging es per Zug weiter nach Mährisch Neustadt zu meiner Cousine.

    Warum aus dem Plan einer Rückkehr nichts wurde

    Am 18 März, zwei Tage nach unserer Flucht aus Zülz, drangen die russischen Truppen in die menschenleere Stadt ein und besetzten sie. Von Mährisch Neustadt setzte sich unsere Flucht fort. Das neue Ziel war nun Bobingen in Bayern, wo unser Vater als Flakhelfer eingesetzt und bei einem Malermeister im Quartier war. Bevor wir unser Ziel Bobingen erreichten, befanden wir uns auf einem sechs Monate andauernden Fluchtweg durch die Tschechoslowakei, Bayern, Thüringen, Sachsen und Bunslau in Schlesien, - wegen des Kriegsendes am 8 Mai, da befanden wir uns in Pilsen in der Tschechoslowakei und änderten den Plan, wir wollten wieder zurück in die Heimat nach Oberschlesien. Die Zustände in unserer Heimat, die russischen Besatzer wüteten mit Mord, Raub und Vergewaltigungen, so erzählten uns Flüchtlinge, denen wir begegneten, ließen uns den Entschluss fassen, den Plan mit der Rückkehr in die Heimat aufzugeben und nach Bobingen, unserem vorausgegangenen Ziel, zu flüchten.

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