Das Schmuckkästchen der Oma, die Uhr vom Urgroßonkel oder das uralte Foto von der Tante – Erbstücke können etwas ganz Besonderes sein. Hinter vielen dieser Raritäten stecken Geschichten, die es zu erzählen lohnt. Deshalb hat sich unsere Redaktion auf die Suche nach spannenden Erbstücken der Leserinnen und Leser gemacht. Viele sind dem Aufruf gefolgt. Den Beginn machen ein geschnitztes Kreuz in einer Weinflache, ein Eier-Prüfgerät und alte Radleuchten.
Leicht grünlich schimmert die französische Weinflasche auf dem Tisch im Garten. Es ist eine alte, aber gewöhnliche Flasche aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Außergewöhnlich macht sie der Inhalt. Denn in der Flasche befindet sich ein filigran geschnitztes Kreuz samt Jesusfigur und vielen Symbolen rund um die Geschichte der Kreuzigung. Ohne die Flasche zu zerstören, ist es nicht mehr herauszubekommen. Wie das Kreuz hineinkam? „Die einzelnen Teile wurden mit langen Nadeln hinein gefieselt und festgeklebt“, erzählt der Gersthofer Reinhold Maier. Er erbte das Kreuz aus Lindenholz von seinem Großvater. Der schnitzte es als Soldat zur Zeit des Ersten Weltkriegs.
Der Großvater schnitzte das Kreuz als Soldat in Frankreich
Damals war Maiers Großvater in Frankreich stationiert. „Er befand sich im Schützengraben, als es zu einem Gasangriff kam“, erzählt Maier. Dann kam es zum Unglück: Die Gasmaske des Großvaters war verrutscht, wodurch er das giftige Gas einatmete. Mehrere Wochen musste der Soldat daraufhin im Lazarett verbringen. Die Zeit nutzte der Hobbyschnitzer auch für das Holzkreuz in der Weinflasche, das viele Jahrzehnte später zum Erbstück wurde. Sie ist eine von mehreren Schnitzereien, die der Großvater an seinen Enkel vererbte. Die meisten davon haben einen kirchlichen Bezug. „Er war ein sehr gläubiger Mann“, erinnert sich Maier.
Seinen Großvater habe er außerdem als bemerkenswert zufriedenen Menschen im Gedächtnis. Maier: „Er war Gärtner. Das war sein Traumberuf.“ Ab und an besuchte Maier, der in München aufwuchs, den Großvater in Landshut. Immer sei er gutgelaunt gewesen. Das einzig verbliebene Foto zeigt den im Jahr 1969 verstorbenen Großvater mit einer großen Zigarre in der Hand. „Er hat immer geraucht, Pfeife oder Zigarre“, erinnert sich der 77-jährige Maier. Wenn er von seinem Großvater erzählt, ist zu spüren, dass hinter den Erbstücken viele Geschichten und Erinnerungen stecken. Etwa die Erinnerungen an Autofahrten aus München zum Opa nach Landshut in einer Zeit, in der ein Auto noch etwas Besonderes war. Oder an die Erinnerung an die Liebe des Großvaters zum Schachspielen. „Er war nicht besonders gut, aber er hat immer bekannte Züge nachgestellt“, erinnert sich Maier. Was er seinen Enkeln einmal vererben möchte?

Er bastle gerade an einem Modellbau, erzählt der ehemalige Lehrer. „Aber wer will das schon haben“, sagt er und lacht. Dann führt er hinauf in den Dachboden, wo das große Modell eines U-Boots zu sehen ist. Zwei Jahre baue er schon daran, sagt Maier. „Im Dezember ist es fertig.“ Während der Großvater abends gerne eine Zeitung aufschlug, um sie als Unterlage zum Schnitzen zu nutzen, bastelt Maier heute abends gerne am U-Boot. Wer weiß, ob seine Enkel damit einmal ähnliche Anekdoten verbinden, wie Maier zu seinem Großvater.

Auch Anne Ulmer aus Mittelneufnach hält an der Erinnerung fest. Sie hält zwei Fahrradlampen in Ehren. Sie stammen von ihrem Großvater väterlicherseits und wurden mit einer Kerze und Karbit betrieben. Die Lampen gehörten zur großen Leidenschaft des 1883 in Eppishausen geborenen Mannes: ErJosef Keppeler war begeisterter Radfahrer. Ein altes Schwarz-Weiß-Bild zeigt ihn als Standartenträger des Fahrradvereins Eppishausen.

Er besaß ein Fahrrad, das für die Zeit um 1920 sehr modern war. Als er nach Reichertshofen (heute Gemeinde Mittelneufnach) kam und heiratete, eröffnete er eine Fahrrad - und Nähmaschinenhandlung mit Werkstatt. Anne Ulmer nimmt die Lampen gerne in die Hand. „Durch sie kann ich etwas vom Leben meiner verstorbenen Vorfahren erspüren“, sagt sie. Die historischen Leuchten haben einen festen Platz im Haus. Ebenso wie ein Apparat, der auf den ersten Blick kurios anmutet.
Spezial-Apparat für die Eier vom Hof
Er stammt von der Großmutter Maria Keppeler, die in Reichertshofen lange Jahre den einzigen Lebensmittelladen führte. Sie verkaufte auch Eier - natürlich vom eigenen Hühnerhof. Sie besaß eine besondere Eierwaage mit eingebauter Glühlampe. Vor dem Verkauf wurde das Ei gewogen und mit Hilfe der Lampe konnte man erkennen, ob ein Ei befruchtet war. Wenn ja, dann wurde es nicht verkauft, sondern zur Hühnerzucht verwendet. Anne Ulmer schärmt für ihre Erbstücke: „All meine Erinnerungsstücke zeige ich jetzt schon meinem Enkel. Er hört auch gerne die Geschichten von Ur-Ur-Ur-Oma und Ur-Ur-Ur-Opa von diesen längst vergangenen Zeiten. Erinnerungsstücke und ihre Geschichten sind gegen das Vergessen. Sie lassen die Vorfahren in uns und unseren Nachkommen weiterleben.“

Aufruf: Zeigen Sie uns Ihr besonderes Erbstück! Wer sich an der Aktion unserer Redaktion beteiligen möchte, meldet sich am besten per Email mit dem Betreff „Erbstück“ an redaktion.landbote@augsburger-allgemeine.de oder an redaktion@schwabmuenchner-allgemeine.de. Idealerweise schicken Sie gleich ein Foto des Erbstücks und ein paar Zeilen Text zu dessen Geschichte mit. Alternativ können Sie sich auch telefonisch bei unserer Redaktion melden. Telefon: 0821/29821-40.
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