Anfang Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Entfesselt vom Deutschen Reich, hatte er binnen sechs Jahren weltweit rund 60 Millionen Menschenleben gefordert. Die Redaktion des Augsburger Landboten und der Schwabmünchner Allgemeinen arbeiten zum Kriegsende vor 80 Jahren noch einmal die Erinnerungen der letzten Zeitzeugen auf. Alois Kiefer berichtet in einem Brief und im Gespräch mit der Radaktion von dem schweren Luftangriff auf Augsburg im Februar 1944 und wie er das Kriegende in Lützelburg erlebt hat.
„Ich erlebte als Augsburger das Kriegsende nicht in Augsburg, sondern im nördlich von Augsburg gelegenen Lützelburg bei Gablingen. Dorthin, in die Heimat meines Vaters, zog die Familie nach dem Luftangriff vom 25. und 26. Februar 1944, nachdem die Augsburger Wohnung in der Pferseer Straße beschädigt und unbewohnbar geworden war.
Als die ersten Bomben fielen, mussten wir unseren eigenen Luftschutzkeller verlassen – da war ein Fenster kaputt – und sind in den offiziellen Luftschutzraum. Ich kann mich noch erinnern, dass die Leute verängstigt drinnen gesessen und in Tränen ausgebrochen sind. Überall hat es gekracht und war laut. Überall sind Bomben gefallen. Als die erste Welle beendet war, haben die Männer geschaut, was im Haus los ist. Sie haben gemerkt, dass der Dachboden brennt. Es wurde eine Reihe gebildet und Wasser in Eimern weitergereicht. Dort, wo Phosphor ausgetreten ist, hat es wahnsinnig schnell gebrannt. Mein Vater hat mit einer Picke die glühenden Balken abgeschlagen, dass es nicht mehr weiterbrennen konnten. Es ist gelungen, den Brand zu löschen.
Der Schutt der zweiten Bombenwelle lag auf den Betten der Nachbarn
Dann kam die zweite Welle. Dabei sind Sprengbomben gefallen. Die haben das Wohnhaus ziemlich beschädigt. Die Türen und Fenster waren weg, das Mauerwerk beschädigt. Als Ruhe eingekehrt war, hat man dann geschaut, ob man raus kann, ob das Haus verschüttet ist. Aber wir haben Glück gehabt. Wir haben im zweiten Stock gewohnt. Neben unserem Wohnzimmer war das Schlafzimmer der Nachbarn. Dort sind die Zwischenwände eingestürzt. Der ganze Schutt lag in den Betten der Nachbarn. Gott sei Dank waren die nicht drin. Furchtbar war das.
Der Angriff war kurz vor 2 Uhr früh beendet. In der Früh sind wir aufgestanden und ich bin – so wie jeden Tag – in die Schule gegangen. Das Schulhaus in der Jesuitengasse war aber zerstört. Von Brandbomben ausgebrannt. Die Lehrer waren traurig, aber die Schüler haben ihre Freude gehabt. Nach Hause gehen und sagen: „Jetzt haben wir Ferien.“ Oder: „Gut! An dem Tag wäre noch eine Schulaufgabe gewesen.“ Ein bisschen Galgenhumor, aber es war so, gell? Am nächsten Tag sind wir nach Lützelburg. Zunächst waren wir bei Verwandten. Später haben wir eine Wohnung in einem Bauernhof bekommen. Zwei Zimmer, Wohnzimmer, Wohnküche und Schlafzimmer. Da habe ich mit meinen Eltern das Kriegsende erlebt.
Die Kinder freuten sich, dass die Schule ausfiel
Damals war ich zwölf Jahre alt, nun bin ich 93. Etwa einen Tag vor der Besetzung Augsburgs rollten US-Panzer durch Lützelburg. Das beobachtete ich mit meinen Eltern und der Bauersfamilie vom Küchenfenster aus. Sofort stürmten Soldaten mit Gewehr im Anschlag ins Haus und durchsuchten alle Räume. Glücklicherweise gab es keine deutsche Gegenwehr. Der Ort Lützelburg war eingenommen, nachdem einige Schüsse Richtung Flugplatz Gablingen vom Bauernhof aus erfolgt waren. Bald kehrte Ruhe ein, die Truppe zog weiter Richtung Augsburg, circa 18 Kilometer entfernt.
Gegen Abend fuhr plötzlich ein mit US-Soldaten besetzter Jeep in den Hof. Einer von ihnen schrieb mit Kreide an die Haustüre, etwa „reserviert für ...“ Es dauerte nicht mehr lange, bis Soldaten das Haus betraten und uns Bewohner aufforderten zu gehen, um ihnen Platz zu machen. Diesen Vorgang kannte mein Vater vom Ersten Weltkrieg als „Quartier machen“. Damit rechnete er bereits und veranlasste meine Mutter und die Bäuerin, den Keller als Aufenthaltsraum einzurichten mit Bettzeug, Tisch, Stühlen, Essen und anderem. Aus dem Keller hörten wir von oben bald laute Radiomusik und laute Stimmen. Es wurde sogar gekocht. Ihre Dosenverpflegung verschmähten sie und taten sich gütlich an den Vorräten der Bäuerin. Danach musste ich zu zweites Mal im Keller schlafen.
Die amerikanischen Soldaten nahmen die Firmungsuhr des Jungen einfach mit
Zeitig am Morgen des nächsten Tages verschwanden die „Besatzer“ und wir kehrten zurück in unsere nun verwüsteten Behausungen. Sie durchsuchten alles, nahmen mit, was ihnen gefiel, wie meine Firmungsuhr. Doch trotz allem gab es eine gute Sache: Sie ließen uns große Mengen ihrer Konservendosen zurück, wie „Ham and Eggs“, Kaffee, Milch, Eier in Pulverform, Fleisch und Gemüsedosen. Ein Reichtum in der Zeit mit großer Lebensmittelrationierung! Erst im Juni 1946 wurde das Haus in Augsburg instand gesetzt, und ich freute mich sehr, mit meinen Eltern wieder in die alte Wohnung einziehen zu können.“
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