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Foto: Arne Dedert, dpa
Foto: Arne Dedert, dpa

Im kommenden Schuljahr fehlen im Landkreis viele Lehrkräfte.

Landkreis Augsburg
28.07.2022

Lehrermangel im Landkreis Augsburg: Schulen streichen Stunden

Von Angela David, Moritz Maier

Plus Im kommenden Schuljahr fehlt es massiv an Grund- und Mittelschullehrern. Momentan fehlen noch rund 50 Klassenleitungen. Das Schulamt will lieber an anderer Stelle kürzen.

Ausgerechnet zum Besuch des bayerischen Kultusministers Michael Piazolo in Gersthofen am Freitag wird Kritik an der Schulpolitik laut. Wie nun bekannt wurde, droht zum Beginn des neuen Schuljahres im Landkreis ein massiver Lehrkräftemangel an Grund- und Mittelschulen. Viele Schulstunden könnten ausfallen, so die Befürchtung. Es sei ernst wie nie.

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"Wir stehen vor einer dramatischen Situation", sagt Altenmünsters Bürgermeister Florian Mair. Das Schulamt des Landkreises Augsburg hat nun mitgeteilt, dass nach derzeitigem Stand für das kommende Schuljahr an Grund- und Mittelschulen noch rund 50 Klassenleitungen fehlen.

Lehrermangel bedeutet eine Stunde weniger Unterricht pro Woche

Schulamtsleiter Thomas Adleff bestätigt die kritische Situation: "Es wird heuer nicht ohne schmerzhafte Einschnitte gehen", sagt er. Zunächst wolle man aber in den kommenden Tagen und Wochen alles versuchen, um einen normalen Schulbetrieb mit möglichst wenigen Einschränkungen zu gewährleisten. Dazu gehört in erster Linie die schwabenweite Streichung von Lehrerstunden für Sonderprojekte und Fortbildungen wie etwa das "Referenten-Netzwerk digitale Bildung". Außerdem gibt es ab Herbst für die Grundschulkinder eine Stunde pro Woche weniger Unterricht und flexible Förderstunden fallen weg.

Das Schulamt setzt alles daran, weitere Lehrkräfte sowie externe Fachkräfte vom freien Arbeitsmarkt oder Lehramtsstudenten höherer Semester als Aushilfen für bestimmte Aufgaben einzustellen. Die Planstellen und das Budget seien vorhanden, "aber es ist die Frage, ob ich diese Stellen besetzen kann", so Adleff. Es sei nun die schwierige Aufgabe der Schulleitungen, mit Personal- und Stundenkürzungen zu jonglieren: So könnten zum Beispiel Teilungen von großen Klassen ausbleiben, Teilzeit-Lehrkräfte ihre Arbeitszeit erhöhen. "Wir müssen schauen, wie viele Köpfe man durch diesen Mix an Maßnahmen generieren kann, damit am ersten Schultag auf jeden Fall vor jeder Klasse eine Klassenleitung steht", so Adleff. Dies sei das oberste Ziel und das habe man bisher auch immer erreicht. "Obwohl ich sagen muss, dass die Lage heuer sehr viel angespannter ist als voriges Jahr", so der Schulamtsleiter.

Auch die Pandemie spielt beim Lehrermangel eine Rolle

Dabei sei es nicht nur der allgemeine Personalmangel, der die Schulen plagt, sondern auch das weiterhin geltende Beschäftigungsverbot für Schwangere aufgrund der Pandemie. Im vergangenen Schuljahr fehlten dadurch an den Grund- und Mittelschulen im Landkreis Kräfte für 1000 Unterrichtsstunden. "Das kann keine mobile Reserve mehr auffangen", erklärt Adleff. Auch die Teilzeitregelungen hätten sich stark verändert. Während früher eine Arbeitszeit von 50 Prozent das Minimum war, arbeiten heute viele Lehrkräfte nur wenige Stunden pro Woche.

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Jörg Faßnacht ist Vorsitzender des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) für den Landkreis Augsburg. Er beklagt die Einschnitte, die es nun an den Schulen geben wird. AGs, Musik-, Religions- oder Sportstunden könnten gestrichen werden. "Die ganze Vielfalt abseits der Kernfächer wird auf der Strecke bleiben", befürchtet der Lehrervertreter.

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Foto: Marcel Kusch, dpa (Symbolbild)
Foto: Marcel Kusch, dpa (Symbolbild)

Die Personaldecke an Grund- und Mittelschulen wird immer dünner.

Henrike Paede aus Stadtbergen, stellvertretende Landesvorsitzende des Bayerischen Elternverbands (BEV), sieht deshalb den Einsatz von externen Kräften an den Schulen, damit Sonderaktionen oder AGs nicht gestrichen werden müssen, nicht negativ: "Wichtig ist, dass vor allem die jungen Kinder in der Grundschule mit der Klassenleitung eine feste Bezugsperson haben." Spiele, Exkursionen und AGs müsse nicht zwingend immer die Lehrkraft mit den Kindern machen. Sie beklagt jedoch, dass ein "Vertretungs-Stundenplan" leider schon länger der Regelfall sei.

Bürgermeister: "Lehrkräfte sind an der Belastungsgrenze"

In Altenmünster ist die Gemeinde aufgrund des Lehrermangels schon selbst aktiv geworden, berichtet Bürgermeister Mair. "Wenn bei uns ein Lehrer ausfällt, gibt es niemanden mehr, der einspringen kann." Deshalb habe die Gemeinde selbst Hilfskräfte engagiert und will im Sommer weitere Unterstützungslehrer gewinnen. "Das ist für uns als Kommune eine große finanzielle Belastung, obwohl das eigentlich eine staatliche Aufgabe ist", sagt Mair. Die Kritik am Kultusministerium ist also groß. Die Forderungen Mairs sind klar, der Beruf soll attraktiver werden: "Grund- und Mittelschullehrer müssen bei der Bezahlung endlich mit den anderen Schulformen gleichgestellt werden." Außerdem sollen Lehrerinnen und Lehrer von zeitfressenden Verwaltungsaufgaben im Schulbetrieb freigestellt und dafür eigenes Verwaltungspersonal eingestellt werden. "Unsere Lehrkräfte müssen sich um die Lehre und Pädagogik kümmern können, sie sind an der Belastungsgrenze", sagt Mair.

Doch Besserung ist zumindest vorerst nicht in Sicht. In einem Papier des Kultusministeriums vom Juli 2022 wird eine düstere Prognose abgegeben. Darin heißt es, dass der derzeitige Engpass an Grundschullehrkräften erst im Schuljahr 2026/27 behoben sein soll. Faßnacht vom BLLV ist verärgert, dass überhaupt so eine Debatte geführt werden muss: "Wir reden seit Langem schon nicht mehr über die eigentliche Qualität an Schulen, sondern nur noch darüber, wie wir Löcher stopfen."

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