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Lechfeld: Warum die Familie von Hedwig Schwinghammer einen Monat kaum etwas zu essen hatte

Lechfeld

Warum die Familie von Hedwig Schwinghammer einen Monat kaum etwas zu essen hatte

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    Hedwig Schwinhammer erinnert sich noch gut an die Zeit nach dem Krieg. Sie war geprägt von Hunger und Arbeit. Es gab für die Kinder damals aber auch schöne Momente. Hier zeigt sie ein Bild von sich selbst als junger Frau.
    Hedwig Schwinhammer erinnert sich noch gut an die Zeit nach dem Krieg. Sie war geprägt von Hunger und Arbeit. Es gab für die Kinder damals aber auch schöne Momente. Hier zeigt sie ein Bild von sich selbst als junger Frau. Foto: Isabell Zacher

    Anfang Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Entfesselt vom Deutschen Reich, hatte er binnen sechs Jahren weltweit rund 60 Millionen Menschenleben gefordert. Die Redaktion der Augsburger Allgemeinen Land und der Schwabmünchner Allgemeinen arbeitet zum Kriegsende vor 80 Jahren noch einmal die Erinnerungen der letzten Zeitzeugen auf. Eine von ihnen ist Hedwig Schwinghammer, die damals sechs Jahre alt war und bei Lechfeld lebte.

    „Während des Krieges waren wir noch im Kindergarten. Wenn Fliegeralarm war, mussten wir in den Keller. Mein Bruder, der schon in die Schule ging, hatte kaum Unterricht, weil ständig Angriffe stattfanden. Dann mussten wir zwei Häuser weiter in den Luftschutzkeller. Den gibt es heute noch. Dort war es eiskalt. Nachts riss man uns aus dem Schlaf, wenn Bombenangriffe drohten. In Decken gewickelt liefen wir durch die Dunkelheit. Bis wir Mädchen aus den Betten waren, schliefen die Buben längst wieder.

    Der Bruder hatte die Essensmarken für die Familie verloren

    Als die Amerikaner kamen, war meine Mutter nicht da. Sie war in Augsburg, weil auch dort in der Nacht Bomben fielen. Sie wollte sehen, was passiert war. Als die Soldaten bei uns eintrafen, standen wir zu viert auf dem Tisch. Mit Gewehren in den Händen betraten sie das Haus und fragten: „Mann da?“ Wir verstanden kein Wort, aber es ging wohl darum, ob ein Mann im Haus war. Die amerikanischen Truppen fuhren von Augsburg nach Lechfeld. Manchmal warfen sie Kaugummi oder Zahnpasta aus den Panzern. Meine erste Zahnpasta überhaupt – mein Bruder aß gleich die ganze Tube. Wenn wir an der Straße standen und winkten, bekamen wir ab und zu eine Orange.

    Hedwig Schwinghammer hat noch viele Fotos von früher. Hier sind ihre drei Geschwister und sie selbst zu sehen und die ganze Familie, nachdem der Vater aus dem Kriegsdienst und der Gefangenschaft wieder zurück war.
    Hedwig Schwinghammer hat noch viele Fotos von früher. Hier sind ihre drei Geschwister und sie selbst zu sehen und die ganze Familie, nachdem der Vater aus dem Kriegsdienst und der Gefangenschaft wieder zurück war. Foto: Isabell Zacher

    Nach dem Krieg kamen dann die Lebensmittelmarken. Einmal verlor mein Bruder die Marken – einen ganzen Monat lang hatten wir fast nichts zu essen. Es war eine harte Zeit. Meine Mutter sagte mir später, als sie schon im Altenheim war: „Ich dachte, ich verhungere mit euch vier damals.“ Wir kochten Suppe aus Brennnesseln, doch die schmeckte schrecklich. Bis 1960 blieben die amerikanischen Truppen in Lechfeld. Als sie 1945 kamen, war ich sechs Jahre alt und kam gerade in die Schule. Jeden Tag mussten wir zu Fuß hin und zurück – eine halbe Stunde Weg. Fahrräder hatten wir nicht.

    Harte Zeiten, wenig Besitz – und doch Momente des Glücks

    Es gab nichts. Zum Schreiben hatten wir eine kleine Tafel und einen Griffel. Milch gab es keine mehr, Obst nur, wenn eine Birne oder ein Apfel vom Baum fiel. Meine Mutter baute ein wenig Gemüse im Garten an, doch es reichte kaum. Nach dem Krieg fuhren meine Eltern oft nach Lechfeld und holten dort Wäsche von den Amerikanern. Wir mussten sie mit Brunnenwasser waschen, weil wir keine Wasserleitung hatten. Manchmal fand sich in einem Sack Schokolade oder eine Packung Zigaretten. Die Zigaretten tauschte meine Mutter gegen andere Lebensmittel ein.

    Trotz allem gab es schöne Momente. Wir spielten draußen, tobten in den Bäumen herum, rannten umher. Puppen zu Weihnachten? Uninteressant. Wir wollten nach draußen! Aber wir mussten auch mithelfen: Kartoffeln ernten, Kohle holen, Holz tragen. Es war ein Leben und Arbeiten ohne Pause. Leben und Arbeiten ohne Pause. Mein Vater war im Krieg und in Gefangenschaft. Erst in Norwegen und Finnland, später in Frankreich. Sieben Jahre lang sahen wir ihn nicht. Meine Schwester fragte, als er wiederkam: „Wann geht der endlich wieder?“ Wir waren ja ohne Vater aufgewachsen.

    Tanzen konnten wir kaum, dafür gingen wir manchmal ins Kino. Das war unser kleiner Luxus.

    Hedwig Schwinghammer, Zeitzeugin des Kriegsendes aus Lechfeld

    1953, damals war ich 14 Jahre alt, begann meine Lehre – und die war alles andere als leicht. Mein Lehrmeister schonte mich nicht. Ich musste arbeiten wie eine Erwachsene, oft bis neun Uhr abends. Morgens um sechs ging es wieder los. Drei Jahre dauerte die Ausbildung. Danach wechselte ich in eine Fabrik. Doch auch dort war Arbeit hart. Heute redet man von Work-Life-Balance. Damals gab es das nicht. Zwölf-Stunden-Tage waren normal. Am Samstag mussten wir Kohlen holen. Tanzen konnten wir kaum, dafür gingen wir manchmal ins Kino. Das war unser kleiner Luxus.“

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