
Sie wollen Tierversuche an der Uniklinik Augsburg verhindern

Plus Die geplante Tierversuchsabteilung der Unimedizin bekommt Gegenwind. Kritiker halten Mahnwachen vor der Uniklinik Augsburg und fordern eine Resolution des Stadtrates.

Die Proteste gegen den Aufbau einer Tierversuchabteilung in der Augsburger Universitätsmedizin weiten sich aus. Vor der Uniklinik treffen sich regelmäßig Aktivisten zu Mahnwachen. Ihre Forderung: „Augsburg muss tierversuchsfrei bleiben.“ Die Kritiker bekommen inzwischen politische Unterstützung von verschiedenen Seiten – innerhalb der Uni und in den Reihen der Stadtratsparteien. An der Universität verteidigt man die Planungen.
Rosmarie Lautenbacher ist Ärztin für Anästhesie und Notfallmedizin. Früher hat sie am Klinikum gearbeitet, wie sie sagt. Nun will sie als Tierversuchsgegnerin so lange vor dem Großkrankenhaus demonstrieren, wie sie kann, auch wenn es Jahre dauern sollte. „In Augsburg wird etwas etabliert, das überholt ist“, ist die Medizinerin und Aktivistin beim Verein Ärzte gegen Tierversuche überzeugt. Deshalb protestieren sie und ihre Mitstreiter jeden vierten Sonntag im Monat mit Transparenten vor der Uniklinik.
Das sind die Pläne für die Tierversuchsabteilung in Augsburg
Anlass sind die Pläne des Freistaates, in der Augsburger Unimedizin eine Tierversuchsabteilung mit Platz für 23.400 Mäuse aufzubauen. Nach Angaben der Universität sind die Tierversuche in einem kleinen Teil des künftigen Forschungsbaus für translationale Forschung vorgesehen. Das Gebäude ist in Planung. Es soll auf dem neuen Medizin-Campus beim Universitätsklinikum entstehen, bis 2027/28 fertig sein und 35 Millionen Euro kosten. Der Verein Ärzte gegen Tierversuche sammelt aktuell Unterschriften für eine Onlinepetition. Die Initiative will, dass der Freistaat den Neubau umwidmet, um dort ausschließlich „innovative tierversuchsfreie humanrelevante Methoden“ zu entwickeln. Diesen Forderungen haben sich weitere Unterstützer angeschlossen – darunter der Augsburger Tierschutzverein, eine Gruppe Studierender im studentischen Konvent der Universität und die V-Partei.
Deren Stadtrat Roland Wegner fordert, der Stadtrat müsse ein politisches Signal an den Freistaat senden. Tierversuche seien ein Milliardengeschäft für Züchter, Händler, Zulieferer von Futter, Käfigen und Zubehör und nicht zuletzt für Wissenschaftler. Wegner argumentiert: „95 Prozent der im Tierversuch als wirksam und ungefährlich geltenden Medikamente fallen im Anschluss durch die klinischen Studien, keine Wissenschaft hat eine schlechtere Erfolgsquote zu verzeichnen.“ Weil die Stadt in dieser Sache aber nichts zu entscheiden hat, will er eine Resolution des Stadtrates an die Staatsregierung erreichen. Tenor: Im neuen Forschungslabor sollen nur innovative Methoden ohne Tierversuche zugelassen werden.
Tierversuche in Augsburg: Der Preis für Spitzenforschung?
An der Universität Augsburg vertritt man eine ganz andere Auffassung. Sprecher Michael Hallermayer verweist auf den Auftrag der Staatsregierung, in Augsburg medizinische Spitzenforschung aufzubauen, um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu verbessern und Krankheiten mit besserem Heilungserfolg und besserer Lebensqualität für Patienten behandeln zu können. „Um dieses Ziel zu erreichen, ist es aktuell an keinem universitätsmedizinischen Standort national und international möglich, ganz auf tierexperimentelle Forschung zu verzichten“, so der Uni-sprecher. Grundsätzlich müssten immer erst alle anderen Alternativen ausgeschöpft sein, bevor Tierversuche möglich sind. Dies sei auch den Forschern in Augsburg wichtig und außerdem eine gesetzliche Vorgabe. Hallermayer weiter: In einem weit überwiegenden Teil des künftigen Gebäudes sollen Untersuchungen laufen, die alternative Methoden verwenden – etwa Zellkulturen, Organoide, Computersimulationen oder In-vitro-Analysen.
Inzwischen hat sich auch eine Gruppe von Augsburger Studenten gegen Tierversuche auf dem Campus der Unimedizin ausgesprochen. Laut Pressemitteilung forderte der studentische Konvent, dass die Uni ausschließlich auf tierversuchsfreie Forschung setzen soll. Argument: Es werde eine „veraltete, gescheiterte Forschungsmethode neu etabliert“, zu einem Zeitpunkt, an dem etwa an der Charité in Berlin ein neues Zentrum für die Entwicklung von Alternativen zum Tierversuch eröffnet werde. Bayern habe sich außerdem zu einer der „Tierversuchshochburgen“ Deutschlands entwickelt.
Kritiker: Bayern ist eine Tierversuchshochburg
Auch hier hält man an der Universität dagegen. Hallermayer sagt, dass beispielsweise Nobelpreise bahnbrechende Erkenntnisse in Medizin und Physiologie auszeichnen. In den vergangenen 40 Jahren seien diese – bis auf eine Ausnahme – an Forscher vergeben worden, die auch Tierversuche verwendet haben. Das zeige, dass medizinischer Fortschritt (noch) nicht vollständig auf tierexperimentelle Methoden verzichten könne. Die Weiterentwicklung von alternativen Methoden sei ein eigenständiger Wissenschaftszweig. Einrichtungen wie das Berliner Zentrum Charité 3R spielen hierbei eine wichtige Rolle. Diese Entwicklung werde jedoch noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen.

Tierversuchsgegner kritisieren, dass jedes Jahr Tausende Menschen an den Folgen von Medikamenten sterben würden, die alle vorher an Tieren ohne aussagekräftiges Ergebnis für Patienten getestet wurden. Viele Wirkungen würden an Tieren nicht nachgewiesen, da Stoffwechsel und biochemische Reaktionen nicht vergleichbar seien. Auch an der Uni räumt man ein, dass nicht alle Ergebnisse aus Tierversuchen direkt auf den Menschen übertragbar sind. Dies gelte aber auch für alternative Methoden wie Zellkulturen oder Computermodelle. „Jedes dieser Verfahren kann bestimmte Mechanismen beschreiben, andere aber nicht“, so Michael Hallermayer.
Protest in Augsburg: Was Versuchstiere im Labor erwartet
Beispielsweise bei der Beurteilung der Giftigkeit von Medikamenten würden Tierversuche eine Erfolgsquote von 65 Prozent liefern. Gerade dass etwa in einer Arzneimittelprüfung vor dem Transfer zum Menschen eine ganze Reihe von Therapeutika aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen werden, zeige, wie wichtig diese vorherige Testung ist. Praktisch alle Medikamente, die heute verfügbar sind, seien mithilfe von Tierversuchen entwickelt. Beispiele sind Antibiotika, Insulin oder Impfstoffe.
Kritiker verweisen darauf, dass mit Laborversuchen auch großes Tierleid verbunden sei. Mäuse und andere Tiere würden mit Elektroschocks traktiert, vergiftet, bestrahlt oder mit tödlichen Viren, Bakterien und Parasiten infiziert. An der Uni Augsburg kündigt man an, in den Laboren werde das Wohlergehen der Versuchstiere eine große Rolle spielen. Um Schmerzen und Angstzustände zu vermeiden, werden den Tieren bei den Eingriffen Schmerzmittel und Betäubungen verabreicht. Optimale Haltungs- und Pflegebedingungen hinsichtlich Futter, Platz, Belüftung sowie eine möglichst artgerechte Haltung der Tiere sollen das Wohlergehen fördern.
Aus Sicht der Universität würde ein Verzicht auf Tierversuche letztendlich bedeuten, dass hervorragende nationale und internationale Wissenschaftler nicht für den Standort Augsburg zu gewinnen wären. Die Tierversuchsgegner kündigen an, dass sie bei ihren Forderungen nicht locker lassen wollen. Am 17. Oktober ist eine große Demo in Augsburg geplant. „Wir hoffen, dass wir dann ganz viele sind“, sagt Rosmarie Lautenbacher.
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