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Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolfoto)
Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolfoto)

Die Tarife im Nahverkehr stehen am Donnerstag im Stadtrat auf dem Prüfstand.

Augsburg
17.05.2018

Was die Fahrgäste an den neuen Tarifen ärgert

Von Kristina Beck, Marcus Bürzle

Die Preisreform im Nahverkehr kommt im Augsburger Stadtrat auf den Prüfstand. Wer mit Nutzern von Bus und Straßenbahn spricht, erfährt schnell, wo der Schuh drückt.

Der Ärger im Januar war groß. Viele Augsburger beklagten die neuen Tarife im Nahverkehr. Ihre Kritik war so massiv, dass der Stadtrat eine schnelle Zwischenbilanz einforderte. Sie ist am Donnerstag im Stadtrat (ab 14.30 Uhr) fällig. Vorab zeichnen sich schon kleinere Korrekturen ab (siehe Infokasten) – und in der Sitzung soll auch das Geheimnis um ein Projekt namens „City Zone“ gelüftet werden. Doch was wünschen sich Fahrgäste nach vier Monaten Tarifreform?

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Für viel Gesprächsstoff sorgt weiterhin die Verschmelzung der Tarifzonen 10 und 20 in Augsburg. Für Einzelkartennutzer fallen nun in der Regel pro Fahrt 2,90 Euro an, Streifenkartenbesitzer müssen zwei Streifen abstempeln – in etlichen Fällen zahlt man jetzt also den doppelten Preis. Das neue Kurzstreckenticket – bis zu vier Haltestellen – kommt nicht so gut an. Daniel Schmid, 23, aus Langweid vertritt das häufig gehörte Argument: Um früher von der Innenstadt in die Wilhelm-Hauff-Straße zu kommen, reichte ihm Preisstufe 1, wohingegen man heute zwei Streifen stempeln (2,40Euro) oder ein normales Ticket zum Preis von 2,90 Euro für zwei Zonen bezahlen müsse.

Überhaupt ist der Ärger über gestiegene Preise besonders bei Einzeltickets zu spüren. „Sie sind überteuert“, sagt Patrick Vogel, 19, Rechtsanwaltsfachangestellter aus Königsbrunn. Im Vorfeld der Sitzung formuliert auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) an dieser Stelle Änderungswünsche.

Viele Augsburger wünschen sich das alte System zurück

Er fordert nicht nur mehr Rabatt für Kinder (50 statt 38 Prozent), sondern beim Bartarif (Einzel- und Streifenkarten) eine Rückkehr zum alten System mit je einer Preisstufe in den Zonen 10 und 20. Die Kurzstrecke sei kein adäquater Ersatz, so der Augsburger VCD-Vorsitzende Christian Ohlenroth. Die Verdoppelung der Fahrpreise bei einem Teil der Gelegenheitsnutzer sei unfair und vertreibe Fahrgäste, so Ohlenroth. Nach allem was bekannt ist, sind an dieser Stelle aber keine großen Veränderungen zu erwarten.

Eine Verlängerung der Kurzstrecke wird aller Voraussicht nach nicht kommen – es wäre aus Sicht des Augsburger Verkehrsverbundes zu teuer. Eine Wieder-Einführung der alten Zonen ist ebenfalls kaum zu erwarten. Für einzelne Stadtteile soll die Kurzstrecken-Regelung aufgeweicht werden. Vereinfacht gesagt: Wer in seinem Stadtteil keinen Supermarkt hat, soll günstig das nächste Stadtteilzentrum erreichen.

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Kernpunkte: Als Ziel gab der Augsburger Verkehrsverbund (AVV) an, durch die Reform mehr Abonnenten gewinnen zu wollen. In Augsburg war die gravierendste Veränderung die Verschmelzung der Zonen 10 und 20 zu einer. In der Regel müssen nun zwei Streifen abgestempelt (2,40 Euro) oder ein Einzelticket (2,90) gekauft werden.

Die Reform und mögliche Änderungen

Eine Zone hatte zuvor die Hälfte gekostet. Das neue Kurzstreckenticket gilt für vier Haltestellen. Im Gegenzug wurde unter anderem das günstige 9-Uhr-Abo eingeführt.

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Kritik: In Augsburg wurden vor allem die Verschmelzung der Zonen und die Grenze von neun Uhr beim Spar-Abo kritisiert.

Die Reform und mögliche Änderungen

Nun sind einige Änderungen geplant. Und zwar:

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Zustempeln: Wer ein Abo der Zonen 10 oder 20 hat und über die Grenze seiner Zone im Stadtgebiet hinausfährt, musste bisher zwei Preisstufen mit dem Einzelfahrschein zustempeln. Künftig wird als Aufpreis zum Abo nur eine Preisstufe fällig.

Die Reform und mögliche Änderungen

Wochenkarte: Die Wochenkarte wird wieder eingeführt.

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Stadtteil-Kurzstrecke: Für einige ausgewählte Stadtteile wird die Kurzstrecken-Regelung aufgeweicht. Das soll es Bewohnern ermöglichen, das nächstgelegene Stadtteilzentrum zu erreichen.

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Konkret geht es um die Stadtteile Bärenkeller, Inningen, Bergheim, Firnhaberau und Hochzoll-Süd; Letzteres nur vorübergehend, bis es am Zwölf-Apostel-Platz wieder einen Supermarkt gibt.

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Kosten: All diese Maßnahmen werden mindestens 260.000 Euro im Jahr kosten, hinzu kommen Einmalkosten von mindestens 110.000 Euro. Wer dafür aufkommt, ist noch ungewiss.

Die Reform und mögliche Änderungen

Nicht umgesetzt werden sollen:

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Kurzstreckenverlängerung: Eine generelle Verlängerung der Kurzstrecke auf sechs oder mehr Haltestellen wird nicht kommen. Grund: mindestens zwei Millionen Euro Einnahmeverluste pro Jahr allein im Stadtgebiet.

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365-Euro-Ticket: Ein 365-Euro-Jahresticket ohne Sperrzeit am Morgen (momentan 9 Uhr) lehnen die Verkehrsunternehmen ab – es sei mit 12,5 Millionen Euro zu teuer.

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Fahrkartenverkauf: Das neue Kurzstrecken-Ticket soll auch künftig nicht in Straßenbahnen erhältlich sein. Es gibt nur das Einzelticket. Die Stadtwerke argumentieren, dass die Trams dadurch pünktlicher unterwegs seien.

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Bahn-Kurzstrecke: Eine Nutzung der Kurzstrecke im S-Bahn-ähnlichen Bahnverkehr scheitere, wie es heißt, unter anderem am Widerstand der Bahnunternehmen.

Leserbriefschreiber Anton Mitteler ist davon wenig begeistert: „Wieder ein Meisterstück des heiligen Bürokratius.“ Seine Zweifel an den Plänen sind ganz praktischer Art: „Da freuen sich einmal die Benutzer, die ständig einen beglaubigten Ausweis über ihren Wohnort und zugleich noch einen Personalausweis bei sich haben müssen und die Kontrolleure für eine ordentliche Prüfung entsprechend lange Zeit benötigen.“ Schwarzfahrer würden so viel Zeit gewinnen, um noch rechtzeitig vor der Kontrolle auszusteigen.

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Foto: Kristina Beck
Foto: Kristina Beck

Sonia Contursi

Die Stadtwerke kontern die Kritik an den Bartarifen und das Minus bei den verkauften Einzel- und Streifenkarten mit Zugewinnen bei den Abos – einem Ziel der Reform. Sie verweisen auf rund 5500 neue Abos und unter dem Strich mehr Fahrten. Wenn man Fahrgäste am Königsplatz fragt, kommt das ab neun Uhr gültige Spar-Abo gut an. Sonia Contursi, 36, aus Hochzoll tauschte ihre Streifenkarte gegen das neue Spar-Abo für 30 Euro. „Für mich ist es besser. Ich fühle mich freier, da ich öfter fahren kann.“ Aber auch hier hört man Gegenstimmen: Für Elisabeth Wozniak, 73, die in der Innenstadt wohnt, lohnt sich der Kauf des Abos nach eigenen Worten nicht. Sie nutze es kaum, außer um ab und an zu ihrer Mutter nach Haunstetten zu fahren. Wenn ihr Mann in Rente gehe, müsse man sich ein weiteres Abo zulegen. Aber das müsse man sich genau überlegen, weil man sich für 60 Euro im Monat auch einen vollen Benzintank leisten könnte.

Auf dem Land kommen die AVV-Tarife besser an

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Foto: Kristina Beck
Foto: Kristina Beck

Hermann Bihler

Für andere sind die neuen Änderungen wiederum ein Grund zur Freude. Für Pendler Hermann Bihler, 52, aus Langerringen bringt die Umstellung eine finanzielle Ersparnis – statt 115 Euro muss er jetzt nur noch 90 Euro im Monat bezahlen. Und wenn man auch noch einen Blick nach München wirft, dann wird man offenbar gelassener. Die ehemalige Münchnerin Gabriele Schmitt, die das unkomplizierte Vorgehen beim Abo-Kauf lobt, ist mit den Tarifen zufrieden: „Ich fühle mich in Augsburg sehr viel dankbarer als in München.“

Dennoch wird sich der Stadtrat auf Antrag mehrerer Fraktionen noch einmal mit den Tarifen beschäftigen. Im Raum steht auch der förmliche Antrag des Seniorenbeirats der Stadt. Er fordert die Rückkehr zum Seniorenabo; es kostete mit 33,50 Euro zwar mehr als das neue Spar-Abo, war aber schon vor neun Uhr gültig. Wahrscheinlich kommen auch noch ganz neue Punkte ins Gespräch. Drei Referenten – Eva Weber (Wirtschaft), Gerd Merkle (Bau) und Reiner Erben (Umwelt) wollen dann auch über das bislang geheime Projekt „City Zone“ sprechen. Auch dabei geht es um den (Nah-)Verkehr.

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