
Wo es die „Katze im Sack“ zum Ersteigern gibt

Der Inhalt von Lagerboxen kommt in einer Industriehalle unter den Hammer. Die Gründe, warum große Mengen Hausrat einen neuen Besitzer bekommen, sind vielfältig. Was die Käufer antreibt
„Zum ersten, zum zweiten und…“, Markus Rockmann schaut noch einmal aufmerksam in die Runde: „Niemand mehr? Zum dritten!“ Rockmanns Hammer donnert auf die hölzerne Lagerbox Nummer 8114 und damit ist deren Inhalt rechtskräftig versteigert. Sieben Kubikmeter Hausrat haben den Besitzer gewechselt – der bisherige ist ausgewandert oder untergetaucht oder hat einfach keine Verwendung mehr für die Sachen und kann oder will nicht weiter knapp 20 Euro wöchentlich für die Lagerung zahlen. Damit Paul Brucklachner nicht auf den Kosten sitzen bleibt oder gar noch die Entsorgung zahlen muss, hat er den öffentlich bestellten und vereidigten Auktionator Rockmann geholt. 13 von 90 Kisten, die Brucklachner mit seiner Firma easyBOXit auf dem Augsburger Dierig-Gelände vermietet, kamen am Samstag unter den Hammer.
„Normalerweise lagern Kunden hier im Sommer die Winterreifen und über Winter die Gartenmöbel, oder junge Paare ziehen zusammen und können den einen Haushalt vorübergehend nicht brauchen, oder ein Haus wird später fertig als geplant und die Bauherren müssen aus ihrer Wohnung raus“, erzählt Brucklachner, was Menschen antreibt, ihr Hab und Gut zu lagern. „Mindestens 70 Prozent meiner mobilen Selfstorage-Boxen sind immer belegt.“ Wenn ein Kunde aber nicht mehr zahlt und für keine Klärung erreichbar ist, geht nach 28 Tagen eine Mahnung raus und noch mal zehn Tage später darf easyBOXit den Inhalt versteigern lassen. „Das ist aber nur die allerletzte Lösung, damit ich die Boxen neu vermieten kann. Wir machen das jetzt zum allerersten Mal nach zwei Jahren. Manchmal sogar in Absprache mit den Besitzern, wie mit einer Frau, die eigentlich nur vorübergehend in die Türkei ziehen wollte, aber jetzt dort bleibt.“
Ob Liebe oder Job die Kundin ans Mittelmeer verschlagen haben oder welche Schicksale hinter der ein oder anderen Versteigerung stecken, weiß Brucklachner nicht. Auch über die gut 50 Interessenten, die die frisch geöffneten Boxen zwei Stunden vor der Auktion neugierig beäugen, ist nicht viel zu erfahren. Familien mit kleinen Kindern, einzelne Rentner, ein junger Mann, der wie der Prototyp eines Jurastudenten aussieht, oder ein Freundinnen-Grüppchen – ihnen schein es fast ein wenig peinlich zu sein, das günstig haben zu wollen, was andere zurückgelassen haben oder nicht mehr auslösen können. Niemand möchte seinen vollen Namen nennen. Aber Otto aus Augsburg erzählt immerhin, dass er einen Gasgrill sucht und just in einer Box einen entdeckt hat. „Fast ein Profi-Gerät, auf den will ich bieten. Was sonst in der Kiste dabei ist, kann ich ja über eBay weiter versteigern. Aber ich gehe nur bis zu einem bestimmten Limit, entweder Schnäppchen oder ich freu mich einfach über den Spaß, dabei zu sein.“ „Es ist spannend, mal live in Augsburg zu erleben, was man sonst nur aus dem Fernsehen kennt“, ergänzt Ottos Partnerin Sylvia. Als Box 8140 mit dem Grill versteigert wird, geht allerdings ein anderer der 16 Auktionäre, die sich für eine Bieterkarte registriert haben, über Ottos Budget.
Der Grill geht für 70 Euro weg, Holzplatten für 50 Euro, alles mögliche Werkzeug für 370 Euro. Oft sind es aber auch 2,35 mal 1,45 mal 2 Meter Überraschung, die unter den Hammer kommen. Gut in Umzugskisten verpackt oder hinter Matratzen versteckt, kauft man buchstäblich die Katze im Sack. Genau das finden Christian und Fabian das Spannende an der Sache: Zwei Boxen gehen an die Freunde, eine davon mit dem Rekorderlös von 470 Euro für Möbel und Hausrat. „Es ist ein Glücksspiel. Was wir Tolles finden, benutzen wir selbst – was nicht gut ist, werfen wir weg. Wir kaufen sonst auch auf Flohmärkten, das sind oft tolle Möbel, die 200 Jahre halten – nicht wie andere Sachen, die nach einem Umzug kaputt sind.“
Vielleicht sind die beiden aber doch nicht nur Vintage-Fans, sondern gehören zu den etwa 60 Prozent Händlern und Profis, die Auktionator Rockmann unter den Bietern vermutet? „Die erkennt man daran, dass sie nicht auffallen wollen und das Kärtchen zum Bieten nur kurz vor die Brust halten.“ Eine vierköpfige Familie dagegen gehört garantiert zu den „Neulingen“: Nachdem sie wie alle anderen ihre beiden ersteigerten Kisten im improvisierten Büro, das Paul Brucklachner – natürlich in einer Box – eingerichtet hat, bar bezahlt haben, erkunden sie neugierig das Erstandene und lachen laut über die Christbaumkugeln, die als erstes auftauchen. „Wir hätten doch vier Wochen früher versteigern sollen“, scherzt Brucklachner.
Er und Rockmann sind am Ende zufrieden: Alles ging weg und muss spätestens Montag abgeholt und die Box besenrein zurückübergeben werden. Oder die neuen Besitzer mieten weiter. Vom eingenommenen Geld hat easyBOXit nichts: Abzüglich lediglich der angesammelten Miet- und Mahngebühren, geht der Erlös an den bisherigen Besitzer oder, falls der nicht auszumachen ist, auf ein Treuhandkonto.
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