
Im Großen wie im Kleinen

Georg Bernhard als erster Maler in der wiedereröffneten Kongresshalle und mit Zeichnungen im Studioraum der Artothek
Im Foyer der Kongresshalle nahm Georg Bernhard stumm Lob und Applaus für sich und seine Malerei entgegen, doch im Studio der Artothek ging er anderntags entspannt aus sich heraus, nachdem ihm angesichts seiner zwölf Zeichnungen ein „Röntgenblick auf den Menschen“ bescheinigt worden war.
Eindringliche Wirkung vor nacktem Sichtbeton
Der 83-Jährige erzählte, wie er weiterhin täglich zeichne und male; wie er sich als zeichnender Maler und malender Zeichner verstehe; wie er einst an der Münchner Kunstakademie „der kleine Rembrandt“ gerufen wurde; wie er mit dem Zuschneiden seiner Rohrfeder und der Auswahl des Papiers erreiche, „dass die Linie schwingt“; wie zu wenig geleimtes Papier zum Zerfließen der Farbe und überleimtes zu deren Abstoßen neigten; wie er altes handgeschöpftes Bütten auftreibt; wie er ohne Vorzeichnung mit der Rohrfeder arbeitet, sofern es sich nicht um große Bilder handle. Von diesen entfaltet eine Auswahl vor dem nackten Sichtbeton der Kongresshalle eine eindringliche Wirkung, als handele es sich um eine so modern wie altmeisterlich gewandete und archaisch gebliebene Felsmalerei. Von einer liegenden Erdgöttin (Gaia) abgesehen, sind alle acht Mischtechniken mit Sphinx, Nike, Cisa, Genius, Venus und auch die beiden von der pompejanischen „Villa dei Misteri“ inspirierten großen Tuschzeichnungen betont vertikal bestimmt.
Auf den Leinwänden schafft Bernhard durch mehrere Grundierungen einen, wie er sagt, „freskalen Untergrund“, auf dem der kleine Aquarellpinsel mit dünn gehaltener Ölfarbe gewissermaßen „springt“. Mit den Mythen und Mysterien der Antike wiederbelebt Bernhard die italienische Renaissance, deren späteren Manierismus er in einem Gespinst von Linien überdenkt.
So entstehen Körper, die sich doppeln, als wollten sie ihren Schatten vereinnahmen, vollziehen sich Mischgestalten wie die Sphinx der vorchristlichen Welt. Dabei frönen auch die meist matten Leinwandbilder der anatomischen Begierde des Zeichners. In der Kongresshalle wie im Studioraum der Artothek innerhalb des H2-Zentrums (Glaspalast) zeigt sich Bernhard in all seiner Meisterschaft. Er gehörte übrigens nicht zu denen, die 1972 die Kongresshalle, für die der Stuttgarter Architekt Max Speidel unter 207 Wettbewerbsteilnehmern den Zuschlag erhalten hatte, als „brutalen Betonklotz“ schmähten. Bei der Bernhard-Vernissage erinnerte der neue Hausherr, Tourismus-Chef Götz Beck, an jene Zeit und stimmte nach der 22 Millionen Euro teuren Erneuerung ein Loblied auf den Sichtbeton an, so man diesem mit Licht, Farbakzent und Kunst begegne.
Spontane Antwort: „Der Schorsch, der wär’s!“
Letzteres soll in Zusammenarbeit mit der „Gesellschaft für Gegenwartskunst“ (GfG) geschehen. Der Vorsatz ist, im jährlichen Wechsel eine Künstlerpersönlichkeit aus der Region auszustellen. Auf entsprechende Anfrage für das Debüt erfuhr Götz vom GfG-Vorstand Stefan Schrammel ganz spontan: „Der Schorsch, der wär’s!“ Und so ist es auch gekommen, wobei Schrammel bei der Eröffnung hervorhob, wie schön es sei, dass die großen Formate der Kongresshalle einen Dialog aufnehmen könnten mit den kleineren Bernhard-Zeichnungen, die bis zum 1. Juli im Studio der Artothek gezeigt werden (Zugang über das H2-Zentrum im Glaspalast: Di. 10–20 Uhr, Mi.–So. 10–17 Uhr).
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