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Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolfoto)
Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolfoto)

Polizisten haben bei einem Ausflug nach Augsburg am Königsplatz einen Asylbewerber attackiert. Jetzt standen die Beamten vor Gericht.

Augsburg
15.06.2018

Betrunkene Polizisten attackieren Flüchtling: Haftstrafe

Von Klaus Utzni

Polizisten haben bei einem Ausflug nach Augsburg einen Asylbewerber beleidigt und angegriffen. Einem der Beamten droht jetzt das Gefängnis. So lief der Prozess.

Ibrahim A.* 25, ein dunkelhäutiger Flüchtling aus dem Senegal, saß an jenem späten Abend des 21. September 2016 still vor einem Becher Tee im Imbissrestaurant McDonalds am Königsplatz. Da kam eine Gruppe von fünf Männern und einer Frau an seinen Tisch. Einige, sichtlich alkoholisiert, setzten sich ungefragt zu ihm, unterhielten sich laut. Weil der Afrikaner für den Rest der Gruppe nicht Platz machte, kam es zum Streit. Ein 43-Jähriger aus der Gruppe drückte dem Flüchtling einen angebissenen „Hamburger“ ins Gesicht und rief „Black man, go home“. Wenig später wurde der 25-Jährige vor dem Lokal noch weiter attackiert. Die beschämenden Szenen, die eher an eine Attacke rassistischer Hooligans erinnern, sorgten beim Eintreffen der Polizei für eine äußerst unangenehme Überraschung: Bei der Gruppe handelte es sich um Polizeikollegen aus Giengen an der Brenz in Baden-Württemberg.

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Die B-Schicht der Inspektion befand sich auf einer sogenannten „Gemeinschaftsveranstaltung“, also einem feucht-fröhlichem Ausflug, in der Fuggerstadt. Für zwei der Beamten hat die Attacke auf den Flüchtling nun schwerwiegende Folgen: Strafrichter Baptist Michale verurteilte den Haupttäter, 43, einen Polizeioberkommissar, wegen Beleidigung und mehrerer Körperverletzungsdelikte zu einer Gefängnisstrafe von 14 Monaten - ohne Bewährung. Wird der Schuldspruch rechtskräftig, wird der Polizist automatisch aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Ein zweiter Ordnungshüter, 40, muss wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung eine Geldstrafe von 14.400 Euro (240 Tagessätze zu je 60 Euro) bezahlen und wäre damit auch vorbestraft. Gegen beide Polizisten laufen außerdem dienstrechtliche Disziplinarmaßnahmen.

Das Opfer hat die Entschädigung der Flüchtlingshilfe gespendet

Der Prozess war bereits im November 2017 angesetzt. Der „Kronzeuge“ der Anklage, der Flüchtling, fehlte allerdings. Auch bei der Neuauflage des Verfahrens. Der in Kissing untergebrachte Senegalese ist spurlos verschwunden - angeblich aus Angst, gegen Polizisten aussagen zu müssen. Seine Aussage vor der Augsburger Kripo nach dem Vorfall wurde deshalb nun im Prozess verlesen. Der jetzt zu einer Haftstrafe verurteilte Beamte hatte sich später bei Ibrahim A. schriftlich entschuldigt und ihm eine „Ausgleichszahlung“ von 250 Euro angeboten. Der Senegalese akzeptierte die Entschuldigung, ließ das Geld aber für den Asylkreis Kissing der Caritas überweisen.

Der angeklagte Polizeioberkommissar räumte die von Staatsanwältin Yvonne Möller vorgetragenen Vorwürfe nur zum Teil ein. Man habe bei dem Schichtausflug schon im Zug Bier getrunken, später eine Brauerei besucht und dann noch einige Bars. „Es floss viel Alkohol, es herrschte ausgelassene Stimmung“. Vor dem Gang ins Hotel habe man noch im McDonalds etwas essen wollen. Weil Kollegen noch keinen Sitzplatz hatten, habe er zu dem Senegalesen gesagt: „Du, bist du gleich fertig?“ Der habe aber kein Deutsch verstanden, habe nur verdutzt geguckt. Irgend etwas müsse der dann missverstanden haben, sei aufgesprungen, habe sich vor ihm aufgebaut. Ja, dann habe er ihm einen angebissenen Hamburger an die Schläfe gedrückt. „Es war ein Aussetzer, ich schäme mich für diese Aktion“.

Der Polizist behauptet, die Beamten wollten nur „endlich Ruhe haben“

Das weitere Geschehen allerdings blieb umstritten. Wie Richter Michale im Urteil letztlich feststellte, sei der Oberkommissar dem Flüchtling dann nach draußen gefolgt, habe mit dem Restauranttablett gezielt in Richtung des Kopfes des 25-Jährigen geschlagen, der jedoch abwehren konnte. Als ein Kollege einschritt und den Flüchtling offenbar wegziehen wollte, habe der 43-Jährige dem wehrlosen Opfer einen Faustschlag ins Gesicht verletzt. Dem Flüchtenden seien dann der Oberkommissar und der zweite Angeklagte gefolgt, hätten versucht, ihm in die Hacken zu treten. Dabei seien weitere Beleidigungen gefallen.

Der Oberkommissar behauptet, er habe mit dem Tablett „nur herumgefuchtelt“, aber nicht zugeschlagen. Ob er dann auch noch mit der Faust zugeschlagen habe, könne er nicht beschwören“. Den Flüchtenden habe man verfolgt, um „endlich Ruhe zu haben“.

Mehrere damals an dem Ausflug beteiligte Beamte waren bei ihren Zeugenaussagen sichtlich bemüht, die Angeklagten nicht zu belasten. Richter Michale: „Von den Kollegen hat keiner mehr so genau hingeschaut, eher weggeschaut, wenn es strafbar war.“ Zumindest beim letzten Akt, der Verfolgung des Senegalesen in Richtung Fuggerstraße, lagen dem Gericht die Aussagen neutraler Zeugen vor - zweier Taxifahrer und eines Hotelgastes.

Wenn es kritisch wird, zeigen die Polizisten auffällige Erinnerungslücken

Auch Staatsanwältin Möller fiel das Aussageverhalten der Polizeikollegen auf: „Immer wenn es kritisch wurde, hatten sie auffällige Erinnerungslücken.“ Sie hatte Haftstrafen von 16 Monaten für den Oberkommissaar und ein Jahr für den Mitangeklagten gefordert. Die beiden Verteidiger Walter Martinek und Frank Sanwald kritisierten die Vernehmungsmethoden der Augsburger Kripo und sahen das gesamte Geschehen nicht so dramatisch. Für den Oberkommissar hielt Martinek eine Geldstrafe für angebracht, weil „faktisch nichts passiert ist.“ Sein Anwaltskollege forderte für den Mitangeklagten einen Freispruch.

Nach dem Vorfall waren die betroffenen Beamten der B-Schicht der Giengener Polizei versetzt worden. Der verurteilte Oberkommissar, so hatten die Augsburger Ermittler festgestellt, hegt offenbar gegen Flüchtlinge ohnehin eine Antipathie. Auf „Facebook“ hatte er ein AfD-Plakat, das sich gegen die Bundeskanzlerin und gegen Flüchtlinge richtet, geteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Deshalb muss der Polizist die Haftstrafe zunächst auch nicht antreten. Der Beamte wird wohl gegen das Urteil in die Berufung gehen. *Name geändert

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