"Das Nanana in uns allen"
Zu Beginn ist Schlimmstes zu befürchten. Das Spectrum ist sehr spärlich gefüllt an diesem Montagabend, für den die Rückkehr des "Meisters" annonciert ist. Elf Jahre war er nicht mehr hier, wo er damals wie bei jeder Tourstation noch als Held des Grand Prix, als liebster Kuschelpädagoge der Nation, als Schlagerpartykönig gefeiert wurde.
Jetzt aber wirkt zunächst alles nur noch trostlos, als die Vangelis' Einzugshymne "Conquest of Paradise" vom Band kommt, dann das Weihnachtsevangelium und sich kleine Grüppchen vor der Bühne postieren. Hier und da ein Glitzertop, ein Rüschenhemd, aber "Wir wollen den Meister sehen" grölen nur die schon ordentlich Betankten. Dann kommt Guildo. Er trägt Weihnachtsmannkutte und Weihnachtszipfelmütze, seine schräg kostümierte Band, die "Orthopädischen Strümpfe", spielen "YMCA" und er singt "Es weihnachtet sehr" dazu. Ist das nicht das verzweifelte Ankalauern eines längst Abgehalfterten gegen das endgültige Verblassen?
Die erstaunliche Leistung dieses nun 47-jährigen Guildo Horn, der eigentlich Klaus Köhler heißt und in seinem Erfolgsjahr 1998 vom Naturschutzbund sogar zum "Vogel des Jahres" gewählt worden war, ist es, die einen diese traurige Frage zumindest für die nächste Dreiviertelstunde vergessen lässt. So albern es auch erscheinen mag, Johnny Cashs "Ring of Fire" in "Weihnachtsfeier" umzudichten oder Joe Cockers "You are so beautiful to me" in "Ich hab den Weihnachtsmann so lieb" oder "Eternal Flame" der Bangles in "Ich hab das Christkind schon gesehen"; so unsäglich es sein mag, dass er seinen wie immer reichlich fließenden Schweiß wie heilsames Elixier auf das Gesicht eines verzückten weiblichen Fans aufträgt - der volle Einsatz, mit dem er diesen Nonsens vollführt, ist durchaus charmant. Und vor allem: Die Band spielt die Hits tadellos, Guildo singt nicht schlecht und voller Inbrunst, sodass sich Begeisterung mit Andacht und Ironie zu einem solch aberwitzigen Knoten verdichten … Es ist die reinste dadaistische Freude. Irgendwie trifft dieser Guildo Horn das, was er später in einer seiner vielen Publikumsbefeuerungen ("bitte, bleibt intensiv!") nennen wird: "Das Nanana in uns allen." Dieser Mann hat wirklich ein Talent.
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