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Foto: Anne Wall
Foto: Anne Wall

Ein kurdischer Kämpfer fühlt sich vom Islamischen Staat bedroht und flieht. Als er mit seiner Familie in Deutschland ankommt, holt ihn seine Vergangenheit ein. Die Polizei verhaftet ihn.

Augsburg
13.06.2016

Die Flucht aus dem Irak endet im Gefängnis

Von Klaus Utzni

Ein kurdischer Kämpfer fühlt sich vom Islamischen Staat bedroht und flieht. Als er mit seiner Familie in Deutschland ankommt, holt ihn seine Vergangenheit ein.

Der Angeklagte gibt sich selbstbewusst, obwohl seine Lage nicht gerade rosig ist. „Ich bin Freiheitskämpfer der Peschmerga. Mein Chef ist Massud Barzani, der Präsident der Autonomen Region Kurdistan“, ergänzt Mustafa, 46, nicht ohne Stolz seine Personalien. Wie er tatsächlich heißt, ist nicht so einfach heraus zu finden. Sein Name, der im Pass steht, sei nicht der richtige. Dann gebe es noch einen Spitznamen, den er bei der Peschmerga führe, klärt er über einen Dolmetscher die Vorsitzende Richterin Susanne Hillebrand auf. Mustafa sitzt seit dem 18. Dezember 2015 in Untersuchungshaft – wegen Verdachts des Drogenhandels mit 250 Gramm Heroin. Der Fall ist äußerst ungewöhnlich.

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Dealergruppe flog auf

Denn was Ankläger Andreas Roth dem Kurden aus dem Nordirak vorwirft, liegt immerhin zwölf Jahre zurück. Als Drogenfahnder 2004 in Augsburg eine irakisch-albanische Dealergruppe auffliegen ließ, die kiloweise mit Heroin und Kokain handelte, tauchte der Mann unter, kehrte in seine Heimat in den Nordirak zurück. Als Mustafa wenige Tage vor Weihnachten 2015 mit Frau und drei Kindern als Flüchtling von Österreich kommend die Grenze in Freilassing überschritt und von der Bundespolizei registriert wurde, holte ihn seine Vergangenheit ein. Anhand von Fingerabdrücken konnten die Beamten seine wahre Identität feststellen. Weil gegen ihn ein alter Haftbefehl bestand, klickten die Handschellen.

In einer ersten Befragung gab Mustafa an, er sei vor der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) aus dem Nordirak geflohen. Die Flucht endete allerdings in einer Gefängniszelle. Seine Familie hat in Baden-Württemberg Asylantrag gestellt. Der irakische Peschmerga-Kämpfer sagte nach seiner Festnahme, er sei mit seiner Familie von der Türkei in einem Schlauchboot nach Griechenland gekommen, dann über die Balkanroute via Österreich nach Deutschland. Als Soldat der kurdischen Armee habe er sich vom IS bedroht gefühlt.

Aus dem Geständnis wird nichts

Nun, ein halbes Jahr später, sitzt Mustafa vor einem Schöffengericht, verteidigt von den Anwälten Walter Rubach und Ekkart Hinney. Im Vorfeld ist ein Geständnis avisiert. Doch nach einem Gespräch seiner Anwälte mit Ankläger und Gericht, macht der Iraker keinerlei Angaben mehr zur Sache. Die ihm in Aussicht gestellte Haftstrafe bei einem Geständnis scheint ihm zu hoch. Das Gericht befindet sich nun in einer etwas heiklen Lage.

Es muss mit Hilfe von Zeugen die Tatvorwürfe aufklären, die zwölf Jahre zurückliegen. Was nicht ganz einfach sein dürfte. Damals waren mehrere Iraker wegen Heroinhandels vom Landgericht zu Haftstrafen bis zu vier Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Sie hatten den verschwundenen Mustafa bereits bei Vernehmungen durch die Kripo als Mittäter belastet. Er soll im Frühjahr 2004 in Oberhausen und Lechhausen von seinen Landsleuten fünfmal jeweils 50 Gramm Heroin zum Preis von rund 2000 Euro übernommen und dann weiterverkauft haben. Ob diese belastenden Aussagen der Wahrheit entsprechen, muss nun das Schöffengericht klären.

Prozess startet neu

Dazu benötigt es Zeugen von damals. Ob die seinerzeit verurteilten Iraker noch ausfindig gemacht werden können, ist zweifelhaft. So wird das Gericht wohl Polizisten, Richter und Staatsanwälte laden, die mit dem damaligen Verfahren befasst waren. Der Prozess wird im Juli neu aufgerollt.

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