Wo früher ganze Familien lebten
In der Fuggerei zeigt sich, wie sich der Anspruch an Wohnraum verändert hat
In der Grundschule lernt es jedes Kind: Die Fuggerei ist die älteste noch bestehende Sozialsiedlung der Welt. Vor 500 Jahren, genauer am 6.Juni 1516 fand die Grundsteinlegung statt, sieben Jahre später war das Werk vollbracht. Immer wieder wurde die Anlage erweitert, zu großen Teilen zerstört wurde sie im Dreißigjährigen Krieg und im Zweiten Weltkrieg und danach wieder aufgebaut. Noch heute gilt die Siedlung als vorbildliche Initiative für den sozialen Wohnungsbau. Mark Dominik Hoppe, Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Augsburg (WBG) und damit Herr über die meisten Sozialwohnungen in der Stadt, muss also gar nicht lange überlegen, als er für unsere Serie nach einem Beispiel für gutes Bauen in Augsburg gefragt wird. „Die Fuggerei begleitet mich seit meiner Schulzeit, aber in meiner Position ist es jetzt natürlich interessant, welche Überlegungen im 16. Jahrhundert beim Sozialsiedlungsbau eine Rolle gespielt haben“, erklärt Hoppe. Er als Jurist könne die Fuggerei allerdings gar nicht so sehr unter architektonischen Gegebenheiten beurteilen, sondern eher im Hinblick auf ihre soziale Bestimmung.
Denn das ist für Hoppe das eigentlich Visionäre an der Fuggerei, „dass sie zu einer Zeit entstanden ist, in der gutes Wohnen für die Armen noch überhaupt kein Thema war“. Dass auch Bedürftige ein Grundbedürfnis nach anständigem Wohnraum haben und dass man ihnen den geben muss, wenn sie ihn sich selbst nicht leisten können, das verwirklichten der Stifter Jakob Fugger und sein Baumeister Thomas Krebs in der später zu Weltberühmtheit gelangten Siedlung. So entstanden zwischen 1516 und 1523 52 Wohnungen, die alle zwei Zimmer auf 60 Quadratmetern enthielten, außerdem Flur und Küche. Die Erdgeschosswohnungen verfügten meistens über einen Garten, die Wohnungen im Obergeschoss über einen Speicher in den steil aufragenden Dächern. Keller gab es keine, dafür in jeder Wohnung eine kleine Kammer unter dem Küchenboden, in der verderbliche Lebensmittel aufbewahrt werden konnten. Bemerkenswert findet Mark Dominik Hoppe, dass jede Wohnung eine eigene Eingangstüre und einen eigenen Flur hat. „Damit wurde ein gewisses Maß an Privatsphäre gesichert, das man armen Menschen zu dieser Zeit noch nicht selbstverständlich zugestand.“
Dieser Artikel ist hier noch nicht zu Ende, sondern unseren Abonnenten vorbehalten. Ihre Browser-Einstellungen verhindern leider, dass wir an dieser Stelle einen Hinweis auf unser Abo-Angebot ausspielen. Wenn Sie weiterlesen wollen, können Sie hier unser PLUS+ Angebot testen. Wenn Sie bereits PLUS+ Abonnent sind, .
Dieser Artikel ist hier noch nicht zu Ende, sondern unseren Abonnenten vorbehalten. Ihre Browser-Einstellungen verhindern leider, dass wir an dieser Stelle einen Hinweis auf unser Abo-Angebot ausspielen. Wenn Sie weiterlesen wollen, können Sie hier unser PLUS+ Angebot testen.
Die Diskussion ist geschlossen.