
Wird mit der Fahrradstraße nun alles besser?

Die Augsburger Straße in Pfersee ist ein perfektes Beispiel dafür, wie man Radfahrer vergessen kann. Wird nun alles besser?
Zu viel des Guten. So könnte man die Augsburger Straße in Pfersee beschreiben. Die Planer haben in den Straßenraum alles hineingepresst, was sich jeder wünscht: Straßenbahngleise. Parkplätze. Fahrbahn. Haltestellen. Fußwege. Radwege? Nein. Warum nicht?
Formale Antwort: In der Augsburger Straße in Pfersee gilt Tempo 30. Das ist tatsächlich ein feiner Zug – warum ist das eigentlich in einer Großstadt abgesehen von wichtigen Achsen nicht Standard? Tempo 30 schließt echte Radwege oder -spuren aus. Doch jenseits dessen hat man den Eindruck, dass schlicht kein Platz mehr für Radfahrer war und sie auch nicht im Zentrum der Überlegungen standen. Wer daran zweifelt, möge einmal von Herz Jesu in Richtung Innenstadt fahren. Auf der Straße, wo man als Radler hingehört.
Gefährlich eng
Es geht grundsätzlich eng zu, denn rechts ist der Randstein und links kommen schon ziemlich bald die Straßenbahnschienen. Es gibt kaum tückischeres als diese Rillen. Einmal unachtsam und mit dem Rad reingekommen, entwickelt sich die Fahrt schnell zu einem unkontrollierbaren Abenteuer. Vor allem an den Straßenbahnhaltestellen, denn dort schrumpft der Abstand Randstein – Schiene noch einmal. Mutige halten den Lenker fest und rollen schnell durch. Spaß macht das nicht. Und wenn dann von hinten noch die Tram heranrauscht, ist das Vergnügen perfekt. Jetzt nur nicht stürzen... Die Stadt hat schon bald nach dem Umbau reagiert.
Man darf an Haltestellen auf den Fußweg und hinter dem Häuschen vorbei radeln, um dann wieder auf die Straße zurückzukommen. Aber ehrlich: Radler gehören nicht auf den Fußweg und schon gar nicht ins Umfeld einer Straßenbahnhaltestelle. Und danach heißt es, sich wieder in den Verkehr einzufädeln – oder, nicht erlaubt, aber gängig, einfach auf dem Fußweg zu bleiben. Die Augsburger Straße ist ein ewiges Ärgernis. Nun ist endlich Abhilfe in Sicht.
Die Stadt plant eine Fahrradstraße als Alternative. Angekündigt als großer Wurf hat mich neulich ein Radler gleich einmal auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht. Er sagte nur: Rechts vor links, Stoppstelle, rechts vor links, rechts vor links, ... Was er meint, lässt sich am besten vor Ort klären. Die Fahrradstraße soll durch Nebenstraßen führen (Treu-, Färber- und Gollwitzer Straße). Sie erhalten große Schilder und Piktogramme, also Bilder auf den Asphalt: Fahrradstraße. Wir Radler dürfen künftig also nebeneinander fahren. Es gilt Tempo 30 und Autos sind zugelassen. Das ist das Dilemma.
Eine Autobahn?
Eine tolle Fahrradstraße klingt ein wenig nach Autobahn: Eine Trasse, auf der ich Radler schnell vorankomme; wir reden nämlich nicht vom lauschigen Sonntagsausflug, sondern vom Rad als Alltags-Verkehrsmittel. Und da gilt: Je komfortabler und schneller der Weg, desto mehr Leute werden Rad fahren und damit die Straßen von Autos und die Luft von Schadstoffen freihalten. Sie wissen schon. Der flotten Fahrt stehen in der geplanten Fahrradstraße aber die vielen Kreuzungen im Weg.
Jedes rechts vor links bremst den Weg ins Stadtzentrum. Im Bauausschuss hieß es daher von manchen: Weg damit, freie Fahrt für freie Radler. Ja! Blöd nur: Autos haben dann auch freie Fahrt, denn auch sie hätten dann Vorfahrt. Man möchte sie aber im Wohnviertel bremsen. Was für ein Dilemma. Es ist ein Beispiel dafür, wie kniffelig es ist, bestehende Straßen und Viertel fahrradfreundlich zu machen. Vorfahrt für Radler und nicht Vorfahrt für alle anderen. Wie lässt sich das machen? Ich gebe zu, keine Ahnung. Bremsende Einbauten für Autos? Freie Bahn für Radler? Fachleute, bitte melden.
Augsburg startet erst einmal klassisch. Mit rechts vor links. In Zeiten der Fußball-WM sagt man dazu am besten: Schau’ mer mal (nur am Rand: Wo steckt eigentlich Kaiser Franz Beckenbauer?). Aus heutiger Sicht ist das eher noch die kleine als die ganz große Nummer. Aber besser als die Augsburger Straße. Und vielleicht kann man ja später einfach mal ganz verwegen testen, ob es nicht auch mit Vorfahrt geht.
Nachtrag: Es gibt offenbar Bewegung in Sachen Vorfahrt. Laut Jens Wunderwald von der Bürgeraktion Pfersee Schlössle wurde das Thema noch einmal im nichtöffentlichen Arbeitskreis zur Fahrradstadt diskutiert. Fazit nach seinen Worten: Die Vorfahrtsfrage soll noch einmal im Bauausschuss diskutiert werden. Offenbar ist doch Vorfahrt für die Radstraße denkbar. Eine Bestätigung der Stadt steht noch aus.
Die Diskussion ist geschlossen.
>> Ja! Blöd nur: Autos haben dann auch freie Fahrt, denn auch sie hätten dann Vorfahrt. Man möchte sie aber im Wohnviertel bremsen. Was für ein Dilemma. <<
Für das Tempolimit gibt es technische Lösungen - sowohl zur Überwachung als auch zu Durchsetzung. Rechts vor links ist vielfach eine rein ideologische Schikane gegen den Autoverkehr, die eben auch den beschleunigten Radverkehr massiv trifft. Aktuell geht es ja mit dem Gehör noch gut, aber das wird mit jedem E-Auto riskanter.
Und auf der Hauptstraße gibt es halt dafür Ampeln, viele Park- und Abbiegevorgänge - ich halte das für weitaus problematischer als mir hinten die Staße mit ein paar Autos zu teilen.
>> Es geht grundsätzlich eng zu, denn rechts ist der Randstein und links kommen schon ziemlich bald die Straßenbahnschienen. Es gibt kaum tückischeres als diese Rillen. <<
Die Schienen bewegen sich nicht, das ist schon mal ein großer Vorteil. Und die Rille von Tramschienen ist auch so schmal, dass man sich mit breiten Reifen (Schwalbe Big Apple >2 Zoll) keine Sorgen machen muss. Schmale Reifen sind auch was für Leute die es können.
>> Einmal unachtsam und mit dem Rad reingekommen, entwickelt sich die Fahrt schnell zu einem unkontrollierbaren Abenteuer. <<
Wenn der Autofahrer einmal unachtsam ist, kann der Radfahrer auch schwer verletzt sein - oder haben Radfahrer ein größeres Recht auf Unachtsamkeit im Straßenverkehr?
>> Und wenn dann von hinten noch die Tram heranrauscht, ist das Vergnügen perfekt. <<
Jetzt ist dann auch wieder gut mit polemischer Hetze gegen die Tram...
Man braucht ja nur einen kleinen Abschnitt der Route, z.B. zwischen Wilhelm- und Brunnenbachstraße für Kraftfahrzeuge sperren, und schon hat man den Durchgangsautoverkehr draußen. Wenn einem das zu radikal erscheint, kann man zwei Abschnitte in verschiedenen RIchtungen zu Einbahnstraßen machen und die Druchfahrt für Radler in beide RIchtungen freigeben.