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Foto: Bernd Hohlen
Foto: Bernd Hohlen

Die Tarifreform im Nahverkehr ist seit Januar in Kraft. Doch wie geht es weiter? Am Montag kommen die Bürger zu Wort.

Augsburg
22.04.2018

Wie geht es weiter mit der Tarifreform?

Von Stefan Krog

Am Montagabend wollen die Stadtwerke von den Fahrgästen wissen, was diese verbessern würden. Doch welche Änderungen sind möglich?

Knapp vier Monate nach Start der umstrittenen Tarifreform im Augsburger Verkehrsverbund (AVV) laufen die Überlegungen für eine Reform der Reform: Da die Parteien des Regierungsbündnisses aufgrund teils massiver Kundenproteste Änderungen prüfen lassen, haben am kommenden Montag die Fahrgäste des Wort. Die Stadtwerke veranstalten ab 19 Uhr im Kongress am Park ein Bürgerforum, in dem Fahrgäste ihre Wünsche und Anregungen formulieren können.

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Was wurde bei der Tarifreform geändert?

Für einen Teil der Gelegenheitsfahrer im Stadtgebiet gab es eine einschneidende Änderung: Die Zonen 10 (ein Kreis von eineinhalb bis zweieinhalb Kilometern Radius rund um den Königsplatz) und 20 wurden für Gelegenheitsfahrer zusammengelegt. Für Abo-Kunden gibt es die Differenzierung nach wie vor. Doch wer stempelt, muss nun für jede Fahrt obligatorisch zwei Streifen stempeln oder Preisstufe 2 lösen. Damit wurde die Fahrt für einen Teil der Kunden doppelt so teuer. Neu ist ein Kurzstreckenticket, das für eine Fahrt über fünf Haltestellen (Einstiegshaltestelle mitgezählt) gilt, und gewisse Härten der Zonenzusammenlegung mildern soll. Neu ist ebenfalls ein 9-Uhr-Sparabo für 30 Euro im Monat, das für die Zonen 10 und 20 gilt.

Als Gründe für die Reform gab der AVV an, den Anteil der Abo-Kunden steigern zu wollen. Zumindest in der Stadt läuft dies dadurch, dass Einzelfahrten im Verhältnis teils deutlich verteuert wurden. Laut politischer Vorgabe sollte die Reform keine höheren Nahverkehrszuschüsse zur Folge haben.

Was ist die Kritik?

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Sie konzentriert sich darauf, dass die Fahrt für einen Teil der Gelegenheitskunden um 100 Prozent teurer geworden ist. Manche Gelegenheitskunden kündigten an, künftig aufs Auto umzusteigen. Und auch aus dem Lager der Senioren gibt es Kritik: Das bisherige Seniorenabo ist weggefallen. Stattdessen werden Senioren auf das 9-Uhr-Abo für jedermann verwiesen. Das ist günstiger als das bisherige Seniorenabo, darf aber erst nach 9 Uhr genutzt werden.

Wie fällt die bisherige Bilanz aus?

Die Stadtwerke haben zum 1. März eine erste Bilanz gezogen, in der die Monate Januar und Februar mit dem Vorjahreszeitraum verglichen wurden. Demnach stieg die Zahl der Fahrgäste um vier Prozent. Allerdings entspricht dieser Wert den Vorjahren, was am Bevölkerungswachstum liegen dürfte und dem Bundes-Trend entspricht. Errechnet wurde die Vier-Prozent-Prognose aus der Zunahme der Abo-Nutzer um 14 Prozent und einem Einbruch bei den Einzelfahrscheinen um acht Prozent. Ein Teil der höheren Abo-Zahlen resultiert aber daraus, dass die Stadt Schüler-Abos inzwischen höher subventioniert und so attraktiver macht. Bei der Berechnung der Fahrgastzahlen wird ein Schlüssel zugrundegelegt, wie häufig ein Abo-Kunde im Schnitt fährt. Allerdings gibt es hier einen Unsicherheitsfaktor, weil bisherige Abo-Kunden vermutlich häufiger fahren als solche, die aufgrund der partiellen Verteuerungen im Bartarif mehr oder weniger freiwillig ins Abo gewechselt sind.

Was könnte geändert werden?

Von CSU, SPD und Grünen gleichermaßen gefordert wird die Prüfung einer Ausdehnung des Kurzstreckentickets auf mehr Haltestellen. Das wäre aber ein massiver Einschnitt ins Tarifgefüge, der dafür sorgt, dass die bisherige Rechnung nicht mehr aufgeht. Und dann gibt es noch die Forderung der Grünen, das Spar-Abo zum 365-Euro-Ticket ohne zeitliche Einschränkungen zu machen. Damit kämen auch Berufstätige, die vor 9 Uhr unterwegs sein müssen, in den Genuss des Tickets. Im ganzen AVV-Gebiet würde eine Vorverlegung auf 8.30 Uhr etwa 1,5 bis 3 Millionen Euro pro Jahr und auf 8 Uhr zirka 2,5 bis 5 Millionen Euro kosten. Noch nicht eingerechnet ist dabei, dass bei mehr Fahrgästen in der ohnehin schon vollen Morgenspitze mehr Fahrzeuge und Fahrer eingesetzt werden müssten.

Kleinere mögliche Änderungen wären, dass das Kurzstreckenticket künftig im Stadtgebiet auch in Regionalzügen für eine Haltestelle gilt. Denkbar wäre auch, das Kurzstreckenticket künftig beim Tramfahrer zu verkaufen. Und auch zur Frage, wie mit Abonnenten zu verfahren ist, die ein Abo für eine Zone in der Stadt haben und beim Verlassen der Zone zustempeln müssen, wird man sich Gedanken machen. Bislang müssen diese Fahrgäste zwei Preisstufen stempeln – sie haben also keinen Vorteil durchs Abo.

Wie läuft der Abend ab?

Im Zentrum des Bürgerforums, das die Stadtwerke auf Druck der SPD veranstalten, sollen Vorschläge der Fahrgäste stehen. Nach der Empörung von Teilen der Fahrgäste unmittelbar nach dem Start der Tarifreform flauten die Proteste ab. Nach einem Vortrag sollen die Teilnehmer nacheinander in vier Teilforen über bestimmte Aspekte der Tarifreform – etwa Abos oder das Kurzstreckenticket – diskutieren.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Stadtwerke werden die Anregungen vom Montagabend in ihre Überlegungen aufnehmen, heißt es. Momentan werden schon verschiedene Szenarien durchgespielt. Am 17. Mai werden die Stadtwerke im Stadtrat einen Bericht abgeben. Klar ist schon jetzt: Einschneidende Änderungen werden Geld kosten, das von der Stadt kommen müsste. Die Stadtwerke-Verkehrssparte macht zwar pro Jahr um die 40 Millionen Euro Verlust, diese werden konzernintern aber durch die ertragreiche Energiesparte aufgefangen. Höhere Verkehrs-Verluste wären – auch im Hinblick auf anstehende Investitionen im Verkehrsbereich und steigenden Konkurrenzdruck im Energiesektor – für die Stadtwerke ein Problem. Bis etwaige Änderungen kommen, würde es nach einem Beschluss noch dauern. Vor Ende des Jahres wäre kaum mit Änderungen zu rechnen.

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