Zahanath stammt aus Benin. Im Augsburger Strukturatlas wird dieses Land extra aufgeführt. Zahanath sagt, es ist nicht, wie Europäer sich Afrika oft vorstellen. Benin sei relativ entwickeltes Land. Bauern und Hirten gebe es auch noch, aber auch fast überall Internet, Strom und Wasser – die wichtigste Infrastruktur für eine funktionierende Wirtschaft. Ein sicheres Drittland ist es nach deutschem Asylrecht nicht. In der Erkenntnismittelliste des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Beurteilung von Asylanträgen aus Benin sind für letztes Jahr unter anderem widerrechtliche Tötungen, Folter und Zwangsbeschneidung und Zwangsverheiratung vermerkt. Warum Zahanath vor Jahren hierherkam, sagt sie nicht. Nur so viel: Sie war gezwungen, ihr altes Leben, in dem sie Abitur machte und ein Marketingstudium bis zum Bachelor absolvierte, aufzugeben. Seither lebt sie im Grandhotel, im zweiten Stock, sie leitet dort über einen Minijob die kleine, aber professionell eingerichtete Küche. Freunde hat sie gefunden und spricht gutes Deutsch mit reichem Wortschatz auf B2-Niveau.
Für den Mitbring-Brunch heute hat sie Agbagba Chips auf den Buffet-Tisch im Grandhotel-Keller gestellt. „Das sind Bananenscheiben, die man ganz dünn raspelt und dann in salzigem Öl frittiert“, erklärt sie. Den Brunch haben Sonja Richter vom Grandhotel und Irmi Gira von Tür an Tür organisiert. Er ist ein Teil des Veranstaltungsprogramms der Refugee Week Augsburg, die seit zehn Jahren von Tür an Tür, der Lokalen Agenda 21 und dem Integrationsbeirat der Stadt Augsburg gemeinsam organisiert wird.

Der Brunch ist ein Treffen, bei dem es nicht um das Schwere hinter den Schicksalen, sondern um schöne Erinnerungen aus den Heimaten der etwa 25 Gäste gehen soll. Ein Schmelztiegel, in dem die Annäherung an die Mehrheitsbevölkerung und demokratisches Zusammenleben geübt wird, aber auch die Kommunikation der neu angekommenen Nationen untereinander. Ezgi aus der Türkei hat Kisir mitgebracht, einen Salat aus feinem Bulgur-Hartweizengrieß, in den Frühlingszwiebeln, Tomaten, Petersilie, Minze zerkleinert hineingeschnitten werden. „Und natürlich Zitronensaft und Olivenöl, das ist das Wichtigste“, erklärt Ezgi lebhaft. Sie stammt aus Istanbul, ist erst seit einem halben Jahr in Augsburg, Deutsch spricht sie überlegt und korrekt. Dass der jungen Frau vieles von dem, was sie gerne mitteilen würde, durch die umständliche deutsche Grammatik verloren geht, tut ihrer Energie kaum Abbruch. Sie sei Vegetarierin, sagt sie, da sei die türkische Küche ein Glücksfall mit ihrer Gemüse- und Suppenvielfalt. Ihr Mann ist seit sechs Jahren in Augsburg, stammt aus Antalya. Dass Fleisch ein Hauptbestandteil türkischer Gerichte sei, glaube man nur in Deutschland. „Ich bin echt immer erstaunt: Hier wird mehr Döner gegessen als in der Türkei“, lacht er.
Viel Käse, Gemüse und Handwerk ist das Geheimrezept ihrer Küche
Violetta und Gabriela sind erst seit zwei Jahren in Deutschland. Sie leben in Fischach, doch wenn sie freihaben, kommen sie gerne nach Augsburg. Hier im Grandhotel sind sie zum ersten Mal, sie haben über ihre Deutschlerngruppe auf Whatsapp davon gehört. Gut gelaunt sitzen die beiden Mazedonierinnen am langen Tisch und erklären ihre Mitbringsel: Rafaelo Bobici (weiße Schokokugeln), Kifli so sirenje (Mini-Croissants mit Schafskäse gefüllt). Fürs Gesunde: Frittierte Cracker aus verschiedenen Samen. Sie schwärmen von ihrer Heimat, von den Highlights ihrer Küche, deren Zutaten sie auch in Augsburg in kroatischen oder türkischen Läden finden. Viel Käse, Gemüse und Handwerk – das ist das Rezept. Die beiden sprechen deutliches, überlegtes Deutsch mit Nachdenkzeit und arbeiten für einen Pflegedienst. Eigentlich ist Violetta Radiologie-Assistentin und Gabriela medizinische Labortechnikerin. Violetta besorgte sich erst den Job, dann das Arbeitsvisum – eine lange Prozedur. Gabriela besitzt seit zehn Jahren auch einen bulgarischen Pass. „Mit dem kann ich über die EU-Freizügigkeit leicht hier arbeiten“, erklärt sie. Dass wie in Polen auch in Mazedonien inzwischen Pflegekräfte wie sie fehlen, bedauert sie. „Aber es geht einfach nicht, bei uns herrscht zu viel Korruption. Um einen Job zu finden, hätte ich einem Mittelsmann oder einer Behörde 4000 Euro hinlegen müssen. Ja, geht’s noch“, sagt sie empört.
Auch die dreißigjährige Zahanath würde wohl in der Pflege arbeiten. Doch sie hat weder ihr Abitur-, noch ihr Bachelor-Zeugnis mit auf die Flucht nehmen und auch bis heute nicht besorgen können. Jetzt will sie ihre Mutter daheim noch einmal drängen, die Papiere per Post zu schicken. Dann könnte sie ihren Traum leben: Eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin.
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