Das Verzwickte an der Archäologie: Manchmal erinnern nur noch kleinste Spuren an die Vergangenheit. Hinweisen, welche die meisten Leute übersehen würden, geht Gisela Mahnkopf mit so viel Akribie nach, dass die archäologische Passion der 75-Jährigen im letzten Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. „Menschen hinterlassen seit Jahrtausenden spannende Spuren, die ich erkennen, deuten und erhalten will – das ist wie Kriminalistik“, findet die Architektin und ehemalige Kreisheimatpflegerin für den Landkreis Augsburg.
Am Sonntag begleiten Interessierte die Geschichtsdetektivin bei einem Ausflug in die Vergangenheit. Das Thema „Flugabwehrtürme, Fliegerdenkmäler und Vogelherde“ lockt bei sonnigen Temperaturen um 10 Uhr vormittags rund 20 Teilnehmer an. Von der Sportanlage Süd an der Ilsungstraße geht es unter anderem an den Stempflesee, zu den Bächen im Siebentischwald und abseits der Wege ins Gehölz. Wie so oft in der Archäologie gilt auch hier: Wie Sie sehen, sehen Sie fast nichts. Denn von den Beobachtungstürmen aus dem Zweiten Weltkrieg zeugen nur noch Fundamente und vereinzelte Eisenträger. Für Gisela Mahnkopf sind diese Spuren der Vergangenheit auch eine zeitlose Mahnung: „Nie wieder ist jetzt“, sagt sie.
Kulturkreis Haunstetten ist der Initiator
Die Führung findet im Rahmen des vom Kulturkreis Haunstetten ins Leben gerufenen Projekts „Kulturspuren im Augsburger Stadtwald“ statt. Die gleichnamige Faltkarte hat der Kulturkreis mit Unterstützung der Stadt im Herbst letzten Jahres in einer Auflage von über 11.000 Exemplaren herausgegeben. „Es kam der Wunsch zu begleitenden Führungen auf“, berichtet Wilfried Matzke vom Kulturkreis Haunstetten. Der 69-Jährige arbeitete vor dem Ruhestand im Geodatenamt und trug mit seiner Expertise ebenfalls zum Kulturspuren-Projekt bei.
Beim Waldspaziergang bekommen die Teilnehmer auch Bombentrichter zu Gesicht. „Man könnte sagen, es handelt sich um Unkulturspuren“, kommentierte Gisela Mahnkopf. Doch es gibt ein Happy End: Mittlerweile erfüllen manche der Kriegsspuren einen guten Zweck. Sie wurden abgedichtet und mit Wasser befüllt, um als Biotope zu dienen, die mit Kaulquappen und Muscheln besiedelt sind.
Gedenksteine erinnern an verunglückte Flieger
Auch zwei Gedenksteine für tödlich verunglückte Flieger finden sich auf der mehr als zweistündigen Route durch den Siebentischwald. Auch Gisela Mahnkopfs Lieblingsthema widmet sich dem Thema Fliegen: 19 sogenannte Vogelherde wurden bislang im Stadtwald entdeckt. Sie zeugen von der Zeit als es erlaubt war, Vögel mit Methoden wie Netzen, Leinen und Ruten zu jagen. Zum einen wurden sie gegessen, zum anderen wurden gefangene Singvögel im Garten gehalten.
Die Podeste, die zum Fangen der Tiere errichtet wurden und teils mit einem Graben von zehn auf 20 Meter versehen wurden, nannten sich Vogelherde. „Das Wort Herd meint eine erhöhte Stelle“, erklärt Gisela Mahnkopf. Dass diese noch so gut erhalten sind, dass man im Stadtwald gleich 19 davon entdecken konnte, grenzt für sie an ein Wunder. Zum Vergleich: In Nürnberg hat man nur eine solche Spur in die Vergangenheit gefunden. „Vogelherde sind unglaublich schwer zu erkennen“, erklärt Gisela Mahnkopf.
„Die kleinen Erhebungen spürt man eher als dass man sie sieht. Um die Vogelherde zu finden hat sie sich nicht nur durchs Gebüsch geschlagen, sondern auch digitale Geländemodelle mit Laserscans ausgewertet. Sieben Vogelherde waren bereits bekannt, die weiteren zwölf hat Mahnkopf entdeckt. Mittlerweile wurden sie unter Denkmalschutz gestellt. „Neben dem Perlachturm gab es einen Vogelmarkt“, weiß die Wochenend-Expeditionsleiterin Mahnkopf.
Auch das Vogeltor soll seinen Namen dieser Zeit verdanken. Die Redewendung „jemandem auf den Leim gehen“ erinnert an die Praktik, Ruten zum Vogelfang mit Leim zu bestreichen, ebenso wie der „Lockvogel“ seine Wurzeln in der Vogeljagd hat. Mit dem 1866 etablierten Vogelschutzgesetz wurde diese Jagdmethode nebst den Vogelherden verboten. Man merkt Gisela Mahnkopf an, dass sie noch viel über das Thema erzählen könnte. „Darüber werde ich noch ein Buch schreiben, wenn ich mal ganz viel Zeit habe“, sagt Gisela Mahnkopf.
Die Zeit vergeht wie im Flug
Apropos Zeit: Die mehr als zwei Stunden vergingen für die Teilnehmer – ganz dem Motto der Führung entsprechend – wie im Flug. „Ich habe heute viel Neues erfahren“, sagt Manuel Presnitz. „Ich fahre zwar oft hier mit dem Fahrrad vorbei, aber da übersieht man viel oder kann sich nichts zusammenreimen.“ Agnes Habersbusch findet die Führung ebenfalls „sehr interessant“. Besonders beeindruckt hat sie, dass die „sogenannte Hobby-Archäologie zu solchen beachtlichen Ergebnissen kommt und wie viel Arbeit dafür nötig ist“.
Info Auch die weiteren drei Führungen finden an Sonntagen um 10 Uhr statt. Elfriede Ohrnberger, 2. Vorsitzende des Kulturkreises, besucht am 11. Mai den „Haunstetter Schießplatz und Munitionsdepots“. Am 15. Juni geht es um das „Altbayerische Siebenbrunn mit seinem Unterdorf“ und am 20. Juli um „Grenzsteine und anderes rund ums Dreiländereck“.
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