
Die Queen und König Ludwig: Was Anton Holzmüller an Sterbebildern fasziniert

Plus Mesner Anton Holzmüller besucht Beerdigungen von Promis und sammelt Sterbebildchen. Was ihn daran fasziniert und warum er unbedingt Abschied vom Papst nehmen wollte.

Anton Holzmülller, Mesner von St. Ulrich und Afra, steht an einem der Tische in der Sakristei und blättert durch Fotoalben. "Da ist es", sagt er nach einer Weile erleichtert. "Das ist mein absolutes Highlight." Holzmüller neigt das Album und streicht vorsichtig über ein braunes, leicht vergilbtes Stück Papier mit schwarzer, schnörkeliger Schrift: ein Sterbebild von König Ludwig. "Ein Erbstück", erzählt Holzmüller, über mehrere Ecken zu ihm gekommen und etwas ganz Besonderes. Dieses Zeugnis vom Tod des letzten bayerischen Königs ist nicht das einzige in Holzmüllers Sammlung. In den Alben auf dem Tisch steckten viele Erinnerungen an Verstorbene, erzählt der Mesner. Dann läuft er zu einem Einbauschrank und deutet an, man möge ihm folgen. Er öffnet eine Schranktüre und zeigt auf deren Rückseite. Sie ist über und über bedeckt mit weiteren Sterbebildchen. Die sind Anton Holzmüllers Hobby.

Rund 10.000 Sterbebildchen hat Holzmüller in seiner Sammlung. Allein 200 stammen von Prominenten wie Prinzessin Diana, Schauspieler Helmut Fischer, Helmut Kohl oder Rudolph Moshammer. Holzmüller schreibt Städte, Zeitungen oder Botschaften an, um an die Bilder zu kommen, einige hat er sich selbst bei der jeweiligen Beerdigung besorgt. Denn der Mesner besucht auch gerne Beisetzungen von Prominenten.
Zur Beerdigung von Papst Benedikt reist der Mesner mit den Flixbus
Mittlerweile ist er wieder zum Tisch in der Sakristei gegangen und erzählt beim Blättern durch eines der Alben, über die Beerdigung von Schauspieler Helmut Fischer – bekannt geworden als Monaco-Franze. "Da gab es Lastwagen voller Blumen. So etwas habe ich noch nie erlebt". Dann bleibt Holzmüller bei Bildern der Beisetzung von Fotograf Helmut Newton hängen. Ein TV-Sender hatte ihn damals eingeladen. Sie wollten den Mesner mit dem ungewöhnlichen Hobby filmen. "Das habe ich natürlich angenommen und dabei auch noch Größen wie Roger Moore getroffen." Weil zu Beerdigungen von Promis meist viele Menschen kommen, falle gar nicht auf, dass er kein Angehöriger oder Freund ist. "Ich tue so, als gehöre ich dazu, schaue traurig und dann geht das", sagt Holzmüller augenzwinkernd. Immer wieder lege er auch eine Kerze oder ein Präsent ans Grab. "Ganz nackt will ich auch nicht kommen."
Die beiden für ihn bedeutendsten Beerdigungen seien die der Queen und zuletzt die des emeritierten Papstes Benedikt gewesen. "Das waren zwei meiner Vorbilder." Die Queen habe ihn durch ihre lange Regentschaft beeindruckt, der Papst vor allem als Theologe. Noch an dessen Todestag buchte Holzmüller eine Fahrt mit dem Flixbus nach Rom. Begleitet wurde er von einem weiteren Mesner von St. Ulrich und Afra, Florian Stützle, den er mit seinem Hobby angesteckt hat.

Auch von dieser Reise gibt es Bilder an denen entlang der Mesner seine Geschichte erzählt. "Kaum in Rom angekommen, haben wir uns angestellt, um den aufgebahrten Papst zu sehen." Nach 30 Minuten habe man sich vor seinem Leichnam verneigen können. "Dann gab es noch ein kurzes Gebet und dann wurden wir weiter- geschickt. Avanti, avanti." Tags darauf habe man mit Freunden einen weiteren Besuch absolviert. "Da standen wir dann schon vier Stunden." Bei der Queen musste Holzmüller ganze 16 Stunden in der Schlange warten, ehe er sich vor ihrer Königlichen Hoheit ein letztes Mal verneigen konnte – wobei: Auch hier legte Holzmüller eine zweite Runde ein. "Essen und schlafen kann ich zu Hause", sagt er. Ein Foto vom Sarg samt original Sterbebild hat er gerahmt und zum Interview dabei. Besonders "ergreifend" sei es gewesen, als sich König Charles unter die Leute gemischt hat.
Mesner Anton Holmüller begeistert die Inszenierung großer Beerdigungen
Der Frage, ob Freunde oder Bekannte ihn als "Spinner" abtun, begegnet Holzmüller gelassen. "Ja, das höre ich öfter, aber das ist in Ordnung." Er stehe zu seiner Leidenschaft, der Tod gehöre zum Leben. "Mich begeistert, wie die Feiern inszeniert sind, welcher Blumenschmuck verwendet wird, wie der Gottesdienst und das Grab gestaltet sind und welchen Aufmarsch samt Musikkapelle oder Tanzgruppe es gibt." Jede Beerdigung habe ihren eigenen Charakter, ebenso die Sterbebildchen. "Die einen verwenden einen Scherenschnitt des Verstorbenen, andere zeigen ihn, wie ihn alle kannten." Der Münchner Gastwirt und ehemalige Präsident des Fußball-Clubs 1860, Karl-Heinz Wildmoser, ist mit Zigarre in der Hand vor einem Weißbierglas zu sehen. In der Todesanzeige von Georg Hipp heißt es: "Wenn manche Vielbeschäftigte gleich nach der Opferung die Kirche verlassen, bin ich nicht böse. Die Hauptsache ist, dass man 'gesehen' wurde."
All seine Fotos von Promibeerdigungen und die Sterbebildchen hat Holzmüller in Alben geklebt. Wenn er durch die Bücher blättert, sprudeln die Erzählungen reihenweise und lebendig aus ihm heraus. Doch plötzlich hält er inne. "Jetzt, wo meine beiden Vorbilder tot sind, wartet keine große Beerdigung mehr auf mich", sagt er. Doch ganz so ist es nicht. Schon einen Tag nach dem Besuch unserer Redaktion reist Holzmüller mit Florian Stützle zur Beisetzung von Markgraf Max von Baden nach Salem. Und von der jüngst verstorbenen Doppel-Olympiasiegerin Rosi Mittermaier hätte er natürlich auch gerne ein Sterbebildchen. In dem ein oder anderen Album ist noch Platz dafür.
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