Die Hunde in der Halle des Augsburger Hauptbahnhofes sind etwas aufgeregt. Ein wenig wird gekläfft und gewinselt, aber keiner der Vierbeiner ist aggressiv, nach kurzem Kennenlernen beruhigen sich die Hunde schnell. Alle ihre Besitzer, die in einer kleinen Gruppe zusammenstehen, sind blind. Der Hauptbahnhof ist am Samstagvormittag der Startpunkt zu einer Blindenführhund-Stadtrallye. Das Projekt wird durchgeführt vom BBSB, dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund. Sinn der Sache ist es, die Menschen zu sensibilisieren. Denn rechtlich ist ein Blindenführhund ein Hilfsmittel - wie ein Rollstuhl - und darf in jedes Geschäft, auch in den Lebensmittelhandel. Den Zutritt zu verweigern würde bedeuten, den Menschen mit Behinderung zu diskriminieren. Um das Ganze zu entzerren, teilen die Münchner Psychologin Svenja Erzgraber und der Augsburger Sascha Schulze (beide ebenfalls sehbehindert) die elfköpfige Gruppe in zwei Einheiten auf.
Positive Rückmeldung auf Blindenführhunde in Augsburger Fitnessstudio
Es wird spannend. Wie reagiert das Fit/One in der Bahnhofstraße, wenn plötzlich eine kleine Sehbehindertengruppe mit Hunden um Einlass bittet? Um es vorweg zu nehmen: freundlich. Auch ein blinder Mensch hätte jederzeit das Recht im Beisein seines Hundes zu trainieren. Der Besitzer und die Dame an der Theke geben interessiert Auskunft und nehmen von der ehrenamtlichen Mitarbeiterin Sarah Kamhuber einen Flyer entgegen, der auf die Rechte der Blinden hinweist. Nach den kurzen Gesprächen verlässt die kleine Gruppe mit ihren vier Hunden zufrieden das Fitnessstudio. "Die waren schon sehr freundlich, aber man weiß natürlich nicht, ob das authentisch ist. Weil es war ja auch Presse dabei, aber ich bin zufrieden“, sagt Kamhuber, die ebenfalls blind von ihrem Hund geführt wird. Auch im asiatischen Lebensmittelgeschäft ein paar Meter weiter gibt es keine Probleme. Das Personal muss nur die Chefin rufen, ob im Geschäft gefilmt und fotografiert werden darf. "Natürlich dürfen Sie."
Die Blindenführhunde müssen viele Fähigkeiten beherrschen
Die Augsburgerin Stefanie Winterhoff und ihr Aussiedoodle (Mischung aus Australian Sheperd und Pudel) ist auch in der Gruppe. Ihr Hund hört auf den ungewöhnlichen Namen Pastis. Stefanie Winterhoff lacht: "Das ist französisch und ist ein alkoholisches Anisgetränk." Die Liebe zu Frankreich ist bei der 48-Jährigen stark ausgeprägt. Kein Wunder. "Ich bin in der Nähe von Nancy aufgewachsen und habe dort einen großen Teil meines Lebens verbracht." Auch das schlimme Unglück, das von einem Tag auf den anderen ihr Leben veränderte, ereignete sich dort. „Ich bin als 18-Jährige auf einem Rummelplatz aus einem Karussell gefallen. Ich erlitt dabei auch ein Schädel-Hirn-Trauma. Seither bin ich blind", erzählt sie. Heute lebt Winterhoff im Neubaugebiet in Göggingen. Für sie ist die Stadt-Rallye eine tolle Sache. "Einige Läden und Geschäfte wissen ja nicht, dass wir Zutrittsrecht haben und heute haben wir eine weitere Gelegenheit, die Leute zu informieren."
Im Bus läuft der Hund zu einem freien Sitzplatz
Winterhoffs letzter Blindenhund hieß Bruno: "Der durfte aber aufgrund seines Alters in Rente", sagt sie. Pastis hat sie von der gleichen Blindenhundschule in Abensberg im Landkreis Kelheim. Und Pastis ist ein wahrer Glücksgriff. Mit ihm musste sie eine schwere Prüfung ablegen, bevor Westerhoff ihn zugeteilt bekam. Es klingt schier unglaublich, was der Hund alles kann. Sie erzählt von der Prüfung. Beim Befehl "Such Lift" muss er diesen im Kaufhaus auf Anhieb finden. Der zweieinhalbjährige Rüde muss sofort die Ausgänge eines Kaufhauses finden und er muss auf jeden Fall die Rolltreppe verweigern. "Da können schwere Unfälle passieren", so Winterhoff. Aber auch Zebrastreifen, Bordsteinkanten oder abgesenkte Bordsteine zeigt der Hund an. Im Bus oder in der Straßenbahn führt der Hund seine Begleiterin immer an einen freien Platz.
Mit Arztpraxen und Kliniken gibt es für Blindenführhunde manchmal Probleme
Pastis führt Winterhoff bei der Stadt-Rallye sicher durch die Stadt. Augsburg zeigt sein freundlichstes Gesicht. Auch im Stadtmarkt oder im Gang durch die Thalia-Buchhandlung gibt es keine Probleme. Auch die andere Gruppe mit Sascha Schulze, der aus Graben bei Augsburg kommt, durfte zufrieden sein. "Wir waren vor allem vom Hotel Maximilian‘s begeistert. Die haben sich sehr um uns gekümmert und uns auch gesagt, dass Übernachtungen mit einem Blindenführhund immer machbar sind." Allerdings wollte Schulze auch noch die größte Problemzone ansprechen: "Das sind vor allem medizinische Einrichtungen. Mit Arztpraxen, Krankenhäusern und dergleichen gibt es wegen der Hunde oft Ärger. Manche Ärzte nehmen Patienten mit Blindenhund gar nicht an, leider."
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