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Seit fünf Jahren treffen sich Augsburger jede Woche zum gemeinsamen Singen

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Seit fünf Jahren treffen sich Augsburger jede Woche zum gemeinsamen Singen

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    Stefan Strobel ist der neue Vorsänger bei „Augsburg singt“.
    Stefan Strobel ist der neue Vorsänger bei „Augsburg singt“. Foto: Anna Kondratenko

    Einige Stimmen klingen zunächst etwas zaghaft. Das Volkslied aus dem Rheinland „Jetzt fängt das schöne Frühjahr an“ geht nicht allen gleich geschmeidig über die Lippen. Für den Gitarristen und Vorsänger Raphael Kestler ist das kein Problem: „Es legt hier niemand Wert auf Professionalität. Hier geht es um die Freude und den Spaß am Singen.“ Vor fünfeinhalb Jahren hat Kestler das Projekt „Augsburg singt“ ins Leben gerufen. Kestler hatte die Aktion zu einem Zeitpunkt gestartet, als es die Corona-Pandemie noch gar nicht gab. Doch während der Lockdowns durfte "Augsburg singt" weiterhin stattfinden, er hatte es als Kundgebung angemeldet. Und so treffen sich jeden Montag um 17.30 zwischen 30 und 50 ältere und jüngere Frauen und Männer zum öffentlichen Singen am Holbeinplatz. Jetzt gibt es eine Veränderung.

    Das Programm ist jede Woche gleich: vier Lieder in einer halben Stunde. Am Montag sind es eher 50 statt 30 Leute. Mitmachen kann und darf jede und jeder, der mag. Die Italienerin Silvia Biagioli wohnt unmittelbar neben dem Holbeinplatz und ist schon seit über vier Jahren dabei. „Ich habe in dieser Zeit viele neue Freunde kennengelernt“, sagt sie lachend. Das Singen hat bei ihr noch eine andere Wirkung erzielt: „Es hebt die Stimmung, wenn man traurig ist.“

    „Augsburg singt“: Seit über vier Jahren wird am Holbeinplatz bei Wind und Wetter gesungen

    Alle, die bei „Augsburg singt“ mitmachen, dürfen auch eigene Vorschläge einbringen. Hat auch Biagioli schon gemacht und natürlich wurde dann „Azzurro“, dass von ihrem berühmten Landsmann Adriano Celentano stammt, auch gesungen. Zum Singen gibt es kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung. „Augsburg singt“ trifft sich bei Wind, Eis, Regen und Schnee. Der vergangene Montag war etwas wehmütig. Raphael Kestler, der an der städtischen Musikschule arbeitet, zieht sich nach der langen Zeit zurück. Seine zwei kleinen Kinder zwingen ihn, etwas kürzer zu treten. Außerdem hat er auch noch seine deutschsprachige Popband „Radio Kestler“, um die er sich kümmern will. Kestler hat eingeführt, dass sein kleiner Chor jeden Montag vier Lieder, jeweils einen Monat singt und wie schon erwähnt darf jeder Vorschläge machen. Das man dann vier Wochen die gleichen Lieder singt, macht Sinn. „Da gewinnt man von Woche zu Woche mehr Sicherheit“, sagt Kestler, dem einfach daran liegt, das Singen allgemein zu etablieren. Er spricht gern darüber, was ihm dabei am meisten imponiert: „Die Kontakte, die sich über alle Generationen hier entwickelt haben.“

    Raphael Kestler (links) hat über vier Jahre lang jeden Montag mit Augsburgern am Holbeinplatz gesungen. Nun zieht er sich zurück, seine Nachfolge übernimmt Stefan Strobel.
    Raphael Kestler (links) hat über vier Jahre lang jeden Montag mit Augsburgern am Holbeinplatz gesungen. Nun zieht er sich zurück, seine Nachfolge übernimmt Stefan Strobel. Foto: Anna Kondratenko

    Die gute Nachricht an diesem Montag ist, dass auch nach dem Abschied von Kestler weiter gesungen wird am Holbeinplatz. Der 63-jährige Stefan Strobel wird die Nachfolge antreten. Der Hobbymusiker steht schon fast seit Beginn des Projekts mit am Holbeinplatz und singt. Schon zu Corona-Zeiten: „Da durften wir nur mit Mundschutz singen, und wenn es mehr Personen von einem Haushalt gab, mussten die zusammenstehen“, so Strobel, der auch in der Vergangenheit schon ab und zu Kestler als Leiter ersetzt hatte. Er selbst hat auch schon im Kulturcafé Neruda ein Projekt ins Leben gerufen. Dort gibt es seit dem Jahr 2011 einen Musiker-Stammtisch. „Wir sind 15 bis 20 Leute. Da steht ein Klavier, wir bringen Gitarren oder ändere Instrumente mit und dann musizieren wir zusammen.“

    Die Gitarre als Instrument ist gesetzt

    Auf dem Holbeinplatz ist die Gitarre von Kestler das einzige Instrument. Andere Instrumente sind aber nicht verboten. „Es waren schon Leute mit einer Melodica, mit diversen Flöten, Rasseln oder Schlaginstrumenten da. Da sind wir völlig offen, nur die Gitarre ist gesetzt“, meint Strobel, der im Alter von 13 Jahren das Gitarrespielen gelernt hat. Auch er hat ungefähr die gleiche Meinung wie Kestler: „Wichtig ist der Spaß an der Sache. Jeder, der den Mund aufmacht, kann singen.“ Am Konzept des Projektes will Strobel nichts ändern. Wenn, dann nur Kleinigkeiten. Bisher war es so, dass man die vier Lieder die gesungen werden, den vier verschiedenen Himmelsrichtungen zugeordnet werden konnten. „Mit der Zuordnung das nehmen wir vielleicht nicht mehr so genau“, meint Strobel.

    Am Montag hieß es jedoch Abschied nehmen von Raphael Kestler. Dorothe König, die auch schon lange singt, ist natürlich traurig: „Ich kenne Raphael ja auch schon lange, schade.“ Allerdings wird sie wohl auch unter der neuen Leitung mitsingen. Was treibt sie an? „Wenn man singt, kann man nicht denken.“ Ist das ein Vorteil? König lacht: „In Zeiten wie diesen schon.“

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