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Augsburg: Konstrukteure und Kartografen: So wurde Augsburg vermessen

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Konstrukteure und Kartografen: So wurde Augsburg vermessen

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    Der Ausschnitt aus dem Stadtplan von Wolfgang Kilian vom Jahr 1626 zeigt das Rote Tor mit dem Aquädukt und dem Wasserwerk. Das detaillierte und lagegenaue Kartenwerk zeugt von ausgefeilter Vermessungstechnik und Kartografie, welche auch das Augsburger Wassermanagement-System ermöglichten.
    Der Ausschnitt aus dem Stadtplan von Wolfgang Kilian vom Jahr 1626 zeigt das Rote Tor mit dem Aquädukt und dem Wasserwerk. Das detaillierte und lagegenaue Kartenwerk zeugt von ausgefeilter Vermessungstechnik und Kartografie, welche auch das Augsburger Wassermanagement-System ermöglichten. Foto: Archiv Matzke

    Das römische Augusta Vindelicum profitierte bereits vor zwei Jahrtausenden von ausgefeilter Vermessungstechnik. Militäringenieure mit entsprechenden Kenntnissen hatten dafür gesorgt, dass Wasser der Singold über die Lech-Wertach-Hochterrasse in die heutige Augsburger Innenstadt floss. Der rund 40 Kilometer lange Römerkanal war exakt mit einem bestimmten Gefälle trassiert worden. Nur so konnte das Brauchwasser von Gerbereien, Steinsägen und Mühlen genutzt und gleichzeitig die Erosion am Kanal begrenzt werden. Diese und andere Raffinessen und Entwicklungen verhalfen Augsburg schließlich zu einem besonderen Titel.

    Ihr Trinkwasser gewannen die Römer aus hölzernen Brunnen. Erst viel später zur reichsstädtischen Zeit spielte die Ingenieurskunst in Augsburg wieder eine Rolle. So erschien im Jahr 1521 ein für die damalige Zeit einmalig detaillierter und lagegenauer Stadtplan von Augsburg. Der Goldschmied Jörg Seld hatte ihn nach mehrjährigen Vermessungsarbeiten fertiggestellt. Sein Kartenwerk mit einem enormen Format von 190 mal 81 Zentimetern stellt jedes Gebäude anschaulich in Schrägansicht dar.

    Ein anderer Augsburger, nämlich Konrad Peutinger, zählt zu den Wegbereitern der Kartografie als Wissenschaft. Der Humanist und Gelehrte entdeckte im Jahr 1507 die nach ihm benannte „Tabula Peutingeriana“ mit römischem Ursprung. Dieses Unesco-Weltdokumentenerbe gilt als das bedeutendste überlieferte Weltkartenwerk der Antike. Durch weitere Protagonisten wie die Kartografen Wolfgang Kilian und Matthäus Seutter wurde die Stadt ein europäisches Zentrum der Herstellung und des Drucks von Landkarten und Stadtplänen. Augsburg war ebenso ein Vorreiter für dreidimensionale Stadtmodelle. So präsentierte Hans Rogel im Jahr 1563 sein detailliertes maßstabsgerechtes Modell aus Holz.

    Mit Christoph Schißler hatte die Stadt auch einen herausragenden Konstrukteur von messtechnischen, kartografischen und astronomischen Instrumenten. Sein „Quadratum Geometricum“ wird als wertvollstes Vermessungswerkzeug des 16. Jahrhunderts angesehen. Am Anfang des 19. Jahrhunderts, als Augsburg seinen Status als Freie Reichsstadt aufgeben musste, ging diese Glanzzeit der privaten Vermesser, Kartografen und Instrumentenbauer zu Ende. Das Augsburger Know-how wanderte nach München zur bayerischen Vermessungsverwaltung und zum Vorläufer der heutigen Technischen Universität.

    In Museen auf der ganzen Welt, wie hier in Florenz, findet man Messwerkzeuge von Christoph Schißler. Der Augsburger war ein herausragender Instrumentenbauer des 16. Jahrhunderts.
    In Museen auf der ganzen Welt, wie hier in Florenz, findet man Messwerkzeuge von Christoph Schißler. Der Augsburger war ein herausragender Instrumentenbauer des 16. Jahrhunderts. Foto: Museo Galileo

    Das Augsburger Wassermanagement-System wurde im Jahr 2019 zum Unesco-Welterbe gekürt. Im Mittelpunkt steht das Wasserwerk am Roten Tor, ein europaweit einzigartiges Baudenkmal der Trinkwasserversorgung aus der Zeit von 1416 bis 1879. Möglich war das ausgeklügelte reichsstädtische Wassersystem nur mit dem zur damaligen Zeit in Augsburg ausgeprägten Know-how in Vermessungstechnik, Kartografie und Instrumentenbau. Es musste dreidimensional konstruiert werden, damit das Wasser in den Kanälen und den Rohrleitungen mit dem richtigen Gefälle floss. Die überlieferten Unterlagen der Wasserbau-Protagonisten wie des Stadtbrunnenmeisters Caspar Walter zeugen vom damaligen vermessungstechnischen Wissen. In Biografien des Stadtwerkmeisters Elias Holl heißt es mit Recht, dass er nicht nur ein genialer Architekt, Ingenieur und Wasserbauer war, sondern auch ein ausgezeichneter Vermesser.

    Vom Bezirksgeometer zum staatlichen Vermessungsamt

    Das Jahr 1801 gilt als Geburtsstunde der bayerischen Vermessungsverwaltung. Eines ihrer Ziele war die einheitliche Grundsteuerberechnung auf der Grundlage eines Flurkartenwerks. Die notwendige Detailvermessung namens Katasteruraufnahme erfolgte in Augsburg anno 1808. Mit der Einführung von Bezirksgeometern im Jahr 1833 wurde die Fortführung des Liegenschaftskatasters sichergestellt. Diese halb-staatlichen Vermesser vollzogen die beurkundeten Grundstücksänderungen und lieferten die Grundlage für die Grundsteuerberechnung. Die Bezirksgeometer gelten als Vorläufer der 51 staatlichen Vermessungsämter in Bayern, die mittlerweile „Ämter für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (ÄDBV)“ heißen. Der Sitz des Augsburger ADBVs befindet sich im ehemaligen Forstdirektionsgebäude im Fronhof. Die Hauptaufgaben dieser 73-köpfigen Dienststelle sind die Katastervermessung und die Katasterfortführung in der Stadt und im Landkreis Augsburg.

    Die staatliche Vermessungsverwaltung residiert mit ihrem Augsburger Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (ADBV) in dem ehemaligen Forstdirektionsgebäude im Fronhof.
    Die staatliche Vermessungsverwaltung residiert mit ihrem Augsburger Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (ADBV) in dem ehemaligen Forstdirektionsgebäude im Fronhof. Foto: Wilfried Matzke

    Im Jahr 1860 beginnt die Geschichte des kommunalen Vermessungswesens in Augsburg. Die ersten Vermesser wurden als Stadtgeometer in der Bauverwaltung eingestellt. Es war die Zeit der Industrialisierung, welche eine Trennung von Wohn- und Arbeitsstätten dringend erforderlich machte. Deshalb beschlossen die städtischen Gremien zahlreiche Bebauungspläne, um die Ansiedlung insbesondere außerhalb der Stadtmauern in geordnete Bahnen zu lenken. Die Stadtgeometer mussten die Plangrundlagen schaffen, die Baulinien im Gelände abstecken und deren Einhaltung überwachen. Das einstige Stadtvermessungsamt und heutige Geodatenamt mit seinen 45 Mitarbeitern im Dienstgebäude in der Welserpassage kümmert sich um verschiedene Geo-Themen der Stadtverwaltung. Neben klassischen Vermessungstätigkeiten zählen Geodatenmanagement, Grundstücksbewertung, Kartografie, Baulandumlegung und Adressierung zu den Hauptaufgaben.
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    Der Autor: Wilfried Matzke ist Diplom-Ingenieur der Geodäsie und leitete bis 2021 das Geodatenamt der Stadt Augsburg.

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    1 Kommentar
    Josef Lang

    ....der römische Kanal mit dem Wasser der Singold wurde wohl nicht als Brauchwasser von Mühlen verwendet, sondern lieferte Trinkwasser und Wasser für öffentliche Bäder. Dieser Kanal hatte ja nur ein geringes Gefälle, das Wasser floss also langsam, und war für Mühlen nicht geeignet. Der ganze Aufwand des Baus eines 40 km langen Kanals war notwendig um das Wasser in der Höhe der Stadt zu bekommen. Andere Lösungen wären nur mit Hebewerken möglich gewesen, da das Ortsnahe Wasserniveau tiefer lag. Für Mühlen konnte man die Singold "vor Ort" nutzen.

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