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Augsburg: Lebten einst Bären im Perlach? Woher der Turm seinen Namen hat

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Lebten einst Bären im Perlach? Woher der Turm seinen Namen hat

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    Auch auf diesem Bild sind im Hintergrund Bären im Perlach zu sehen. Das Bild selbst diente als Vorlage für eine bemalte, runde Fensterscheibe.
    Auch auf diesem Bild sind im Hintergrund Bären im Perlach zu sehen. Das Bild selbst diente als Vorlage für eine bemalte, runde Fensterscheibe. Foto: Monogrammist H. B. 1526, Nach Jörg Breu d. Ä., Göttingen, Kunstsammlungen der Universität

    Wenn man heute vom Perlach spricht, dann ist der Turm im Herzen von Augsburg gemeint. Ursprünglich und in älterer Zeit war „Perlach“ der Name für den Platz beim Turm. Erst 1806 wurde aus dem Perlachplatz in Augsburg der Ludwigsplatz und 1972 der Rathausplatz. Auf eben diesem Perlachplatz steht seit mehr als tausend Jahren der Perlachturm. Doch was hat der mit Bären zu tun? Und ist er wirklich nach den wilden Tieren benannt? Eine Spurensuche.

    1994 gab es in Augsburg eine Ausstellung mit dem Titel „Kurzweil viel ohn‘ Maß und Ziel“. Zentrale Ausstellungsstücke waren die um 1530 entstandenen großformatigen Monatsbilder, die jetzt im Deutschen Historischen Museum in Berlin hängen. Auf dem Bild für Oktober, November und Dezember befinden sich im Sockelbau des Perlach zwei weit ausladende vergitterte Rundbogenfenster, hinter denen Bären zu sehen sind. Es gibt weitere Bilder des Perlachs aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit Bären hinter vergitterten Fenstern. In den städtischen Rechnungsbüchern – in Augsburg „Baumeisterbücher“ genannt –, in denen von der Mitte des 14. Jahrhunderts an alle Ausgaben der Stadt festgehalten wurden, sind für diese Zeit keine Aufwendungen für das Futter eines Bären oder für einen Bärenwärter vorhanden. Außerdem ist es beim kleinteiligen Inneren des Sockelbaus fast unmöglich, dort einen Bärenzwinger einzurichten.

    Auf diesem Monatsbild aus dem Deutschen Historischen Museum ist der Perlach mit Rundbogenfenstern dargestellt. Wer genau hinsieht, entdeckt dahinter rechts und links jeweils einen Bären.
    Auf diesem Monatsbild aus dem Deutschen Historischen Museum ist der Perlach mit Rundbogenfenstern dargestellt. Wer genau hinsieht, entdeckt dahinter rechts und links jeweils einen Bären. Foto: Deutsches Historisches Museum/Repro

    Zur Klärung müssen wir die Herkunft des Namens „Perlach“ näher anschauen. Der Name des Turms hat zweifellos etwas mit Bären zu tun, auch wenn es im Lauf der Geschichte andere Auffassungen gab. Schon im elften Jahrhundert gibt es die Theorie, dass der Name aus dem Lateinischen, aus „perdita legio“ (vernichtete Legion) komme, weil am Perlach römische Legionen untergegangen seien. Beim Geschichtsschreiber Otto von Freising lesen wir ein Jahrhundert später, dass es die Varusschlacht gewesen sei, die an diesem Ort stattgefunden habe. Und noch eine Theorie: Im Turm befand sich bis vor kurzem ein Schild, dass der Name von lateinisch „perlego“ (ich lese vor) komme. Demnach sollte der Platz vor dem Turm als Ort für die Verkündigung öffentlicher Angelegenheiten gedient haben.

    Geschichte: Wurden im Augsburger Perlach jemals Bären gehalten?

    Georg Henisch, ein Augsburger Multigelehrter, schreibt 1616 in seinem Wörterbuch, dass der Perlach so heiße, weil an diesem Ort vormals öffentlich Bären gehalten wurden. Diese Deutung geht in die richtige Richtung. Denn die ältesten Belege des Perlachs enthalten das althochdeutsche Wort für den Bären. Die stammen aus einer Urkunde des elften Jahrhunderts, die als Entwurf und in mehreren Abschriften des verloren gegangenen Originals überliefert ist. Darin schenkt ein gewisser Swigger ein Gut in Lamerdingen der Kirche St. Peter, die in perelegio, also „am Perlach“ gebaut ist. Jede der vier noch vorhandenen Fassungen der lateinischen Urkunde hat eine etwas andere Schreibung für diesen Ort: perelagio, perlegio und perlaich, wobei die auf -o die latinisierte Form eines Wortes ist, das heute einer Bär(en)lege entsprechen würde. Der damalige perlaich wäre heute ein Bär(en)leich.

    Die Bärenlege ist leicht zu erklären: In den schwäbischen Dialekten gibt es heute noch eine Holzlege und eine Mistlege - es ist jeweils der Ort, wo das ofenfertige Brennholz bzw. der Stallmist (hin-) gelegt wird. Damit bedeuten diese Formen so viel wie Aufbewahrungsort, Zwinger für Bären - ob das ein Käfig oder ein Graben war, wissen wir nicht. Im Dialekt, in der gesprochenen Sprache Augsburgs, hieß der Perlach früher Berle. Als Berle Blatz gibt es ihn schon 1598.

    Die Form perlaich ist etwas schwieriger zu erklären. Das Wort Leich ist heute ausgestorben. Im Germanischen, vor ca. 1500 Jahren, bedeutete es noch ‚Spiel, Wettkampf, Tanz‘. Es ist ein altes Wort, das auch im Gotischen, Altenglischen und Altnordischen vorhanden ist. Im älteren Deutsch bedeutet es vor allem eine ‚gespielte Melodie‘, eine ‚Ton- oder Versfolge‘. Es kann aber auch einen Kampf bezeichnen. Später wurde das Wort auf den Ort übertragen, an dem es solche Veranstaltungen gab. Historische Schreibformen wie bereleich oder bernlaich sind leicht zu erklären: Es ist der Ort, an dem Bären vorgeführt werden, vielleicht als Tanzbären, eventuell als Kampfbären. Die alte Form perleich wurde im Lauf der Zeit zu Perlach abgeschliffen.

    Also: Der Augsburger Perlach hat als Name mit Bären zu tun, ob als Bärentanzplatz oder als Ort eines Bärenzwingers. Die Bilder mit den Bären im Sockelbau wollen das ausdrücken: Auch wenn es damals, im 16. Jahrhundert, dort keine Bären gab, so wollen die in den Bildern vorhandenen Bären noch symbolisch die Herkunft dieses Namens ausdrücken. Das gilt aber nur für eine Hälfte der Formen. Denn die andere Form des Typs Perlaich ist aus einem ehemaligen Vorführplatz für Bären entstanden. Da ist dann auch ein Bärenzwinger nicht mehr weit.

    Verblüffend ist, dass es im mittelalterlichen Italien, z. B. in Florenz, in Lucca und Rieti, Straßen und Plätze mit dem Namen berolasi bzw. berolasci gab und gibt. Diese Formen stammen aus der Sprache der germanischen Langobarden, die vom sechsten bis achten Jahrhundert in Italien herrschten. Ihre Sprache steht nahe am Althochdeutschen. Und diese Namen können auf Vorformen parallel zum Augsburger Perlach zurückgeführt werden. In ihnen steckt historisch einerseits ein Bärenlass, das ist der Ort, an dem man den Bären lässt, also hält, z.B. in einem Bärenzwinger, und andererseits auch ein Bärenleich, also der Platz, wo Bären vorgeführt werden. Und diese Plätze befinden sich in etwas mehr als der Hälfte der Fälle bei alten römischen Amphitheatern. Wenn man das auf Augsburg überträgt, dann wäre die Wahrscheinlichkeit, dass das Amphitheater des römischen Augsburg vor den Toren der Stadt am heutigen Perlachberg lag, über 50 Prozent. Das ist zwar nur eine Spekulation, aber manchmal sind solche Spekulationen auch inspirierend...

    Die Autoren: Werner König war als Herausgeber des Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben und Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Uni Augsburg tätig. Ute Weidenhiller stammt aus Ottmarshausen und ist Professorin für Germanistik an der Università Roma Tre in Rom.

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    1 Kommentar
    Renate Rampp

    Gibt es Parallelen zu München-Perlach/Neuperlach/Altperlach?

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