
St. Ursula nimmt bald auch Jungen: Mädchenschulen werden zur Seltenheit

Plus Ab September nimmt die Realschule St. Ursula auch Jungen auf. Damit unterrichten alle Schulwerkschulen Mädchen und Buben. Eine andere Schule bleibt aber bei ihrem Konzept.

Die Zeiten, in denen in den meisten Einrichtungen des Schulwerks der Diözese Augsburg vornehmlich Mädchen unterrichtet wurden, sind lange vorbei. Nach und nach wurden in den verschiedenen Augsburger Einrichtungen auch Jungen aufgenommen. Ab dem neuen Schuljahr sind nun in der Realschule St. Ursula Buben willkommen. Somit hat sich die gemeinsame Bildung von Mädchen und Jungen an allen Augsburger Schulwerksschulen durchgesetzt - aus verschiedenen Gründen. Andere Bildungseinrichtungen dagegen wollen bei ihrem System bleiben und weiterhin nur Mädchen aufnehmen.
Vorreiter waren die Maria-Ward-Realschule und das Maria-Ward-Gymnasium, die mit dem Schuljahresbeginn 2010 erstmals auch Jungen zuließen. Die Realschule und das Gymnasium Maria Stern folgten 2016. Die Realschule St. Ursula, die als einzige Schulwerksschule noch Mädchen vorbehalten war, ändert im neuen Schuljahr nun ebenfalls ihr Konzept. Alle anderen Schulen waren von jeher "koedukativ", so Mathias John, der für die Öffentlichkeitsarbeit im Schulwerk zuständig ist.
Die Realschule St. Ursula sei eine Schule des Miteinanders und der Begegnung in allen Bereichen des Lernens und des Lehrens, betont Sabine Stötzer als Verantwortliche der Schulentwicklung. Durch den gemeinschaftlichen Unterricht soll im Zusammenhang des sozialen Lernens ein offener Umgang mit dem Rollenverhalten und der Identitätsfindung unterstützt werden. Der Übergang von einer reinen Mädchenschule zu einer gemischten Schule laufe problemlos ab, weiß das Schulwerk aus Erfahrung. "Unterricht und Leben in einer koedukativen Klasse werden als angenehmer, ausgeglichener, bereichernder, ja normal - im Sinne von der gesellschaftlichen Realität entsprechend - empfunden", erklärt Mathias John.
Bewerberzahlen übersteigen die Anzahl der vorhandenen Plätze
Dieser Kurswechsel liege nicht etwa an rückläufigen Schülerzahlen, im Gegenteil. "Die Augsburger Schulwerksschulen erfreuen sich seit Jahren großer Beliebtheit. Die Bewerberzahlen übersteigen die Anzahl der Plätze deutlich." Die Entwicklung hin zu gemischten Klassen sei eine bewusste Entscheidung, um sowohl Mädchen als auch Jungen eine fundierte Bildung an einer katholischen Schule mit "innovativen pädagogischen Konzepten" wie etwa dem eigenen Ganztagsmodell zu ermöglichen, so der Öffentlichkeitsreferent.
Das Modell "Ganztakt+" wird schon an der Bischof-Ulrich-Realschule und -Grundschule, an den Realschulen St. Ursula, Maria Stern und am Maria-Ward-Gymnasium angewandt. Dabei werden die Schülerinnen und Schüler an zwei verbindlichen Tagen auch am Nachmittag unterrichtet; ein Lern-Zeit-Konzept samt individueller Förderung stehe im Vordergrund. Kreativ- und Entspannungsphasen würden so den Vormittag auflockern, eigenverantwortliches Üben und Vertiefen sowie Selbstorganisation werden angeleitet und gestärkt, hebt das Schulwerk die Vorteile des Systems hervor.
Die Schulen könnten stärker zu Orten einer persönlichkeits- und werteorientierten Pädagogik werden, betont Peter Kosak, Direktor des Schulwerks. "Schulen sind eben nicht nur Unterrichtsräume, sondern Beziehungs- und Lebensorte, bei denen die Herzensbildung grundlegend ist." Das Maria-Ward-Gymnasium hat bereits seit vielen Jahren Mädchen und Jungen in den Ganztagsklassen gemeinsam unterrichtet. Die positiven Erfahrungen und die große Nachfrage nach ganztägiger Betreuung führen nun dazu, dass an dem Gymnasium ab September alle Klassen der fünften Jahrgangsstufe als koeduktive Ganztagsklassen beginnen werden. Somit bietet die Einrichtung als erste weiterführende Schule in Augsburg ein umfassendes ganztägiges Schulkonzept an.
Stetten-Institut Augsburg: "Wir bleiben Mädchenschule"
Reine Mädchenschulen wird es trotz der Öffnung der Schulwerksschulen aber nach wie vor in Augsburg geben: Realschule und Gymnasium des Stetten-Instituts sowie die Agnes-Bernauer-Realschule werden ausschließlich von Mädchen besucht. "Wir bleiben Mädchenschule", bringt es Barbara Kummer, Leiterin des Stetten-Instituts, auf den Punkt. Der Grundsatz gehe auf das Testament der Gründerin zurück. Anna Barbara von Stetten hatte es 1803 verfasst und dabei unter anderem die Gründung einer höheren Schule für Mädchen verfügt. Nach ihrem Tod 1805 wurde ihr Vorhaben realisiert.
Barbara Kummer sieht die Ausrichtung der Realschule und des Gymnasiums als "gewachsenes Profil". Man unterstütze durch das Unterrichtskonzept die Entwicklung ihrer Schülerinnen zu selbstbewussten und starken Frauen und fördere die Mädchen spezifisch. "Geschlechtszugehörigkeit" spiele auf den Schulen keine Rolle. Die Mädchen könnten sich aufgrund ihrer Fähigkeiten und Begabungen entwickeln und entfalten. Knapp über 1100 Schülerinnen schätzen diese "besondere Atmosphäre", so Kummer. Der "freiheitliche Geist" sei wichtig an der Schule. Obwohl das Stetten-Institut unter evangelischer Trägerschaft geführt wird, werden dort Schülerinnen aller Konfessionen unterrichtet. "Bei uns können sich alle Mädchen entwickeln und durch eine Vielzahl von Wahlfächern ausprobieren."
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