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Foto: Silvio Wyszengrad
Foto: Silvio Wyszengrad

In der Pferseer Unterführung kommen sich Autofahrer, Radler und Fußgänger immer wieder in die Quere.

Augsburg
18.08.2021

Sind Fußgänger die Verlierer der Mobilitätswende in Augsburg?

Von Stefan Krog

Plus Der Seniorenbeirat fürchtet eine Konkurrenz zwischen Rad- und Fußverkehr in Augsburg. Dabei hat die Zahl der Fußgängerinnen und Fußgänger zuletzt wohl zugenommen.

Der Seniorenbeirat fürchtet, dass im Zuge der Diskussionen um die Mobilitätswende in Augsburg die Belange von älteren Bürgern und Bürgerinnen sowie von Fußgängerinnen und Fußgängern als schwächsten Verkehrsteilnehmern zu kurz kämen. Gerade unter den Fußgängern seien viele Seniorinnen und Senioren, so Robert Sauter, Vorsitzender des Seniorenbeirats. Das Gremium, das Stadtrat und Verwaltung berät, hatte zuletzt eine Online-Umfrage zum Thema durchgeführt.

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Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)
Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

Hindernislauf an der Haltestelle "Rathausplatz": Ein Nutzer hat seinen Elektroroller quer zum Fußweg geparkt. Fußgänger müssen ausweichen.

Von Fußgängerinnen und Fußgängern werden Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer dabei als größte Gefahren- und Problemquelle gesehen, so ein Ergebnis der Umfrage. Dies gelte, wenn sie "zu schnell", "auf Gehwegen" und "gegen die Fahrtrichtung" unterwegs seien. Genannt wurden auch Elektroroller, die teils "rücksichtslos auf den Gehsteigen abgestellt" oder auf Gehwegen genutzt würden. In geringerem Maße wurden Gefahren durch abbiegende Autos genannt. Allerdings schränkt der Seniorenbeirat ein, dass es bei der Online-Umfrage lediglich 74 Rückmeldungen gegeben habe. Auch der im Oktober neu zu wählende Seniorenbeirat werde das Thema Fußgänger auf der Liste stehen haben. Dazu soll es im Herbst eine analoge Umfrage geben.

Verkehr in Augsburg: Noch kein "großer Sack an Forderungen"

Sauter sagte, die jetzigen Ergebnisse taugten noch nicht dazu, einen "großen Sack an Forderungen" zu formulieren. Dazu sei die Gemengelage zu komplex. Angeregt wurden in der Umfrage mehr Kontrollen, eine Abschaffung von kombinierten Fuß- und Radwegen und generell mehr Rücksichtnahme im Verkehr. Eine entsprechende Fairness-Kampagne der Stadt mit Plakaten vor eineinhalb Jahren verlief allerdings ohne spürbaren Erfolg. Beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) betont man indes, dass Rad- und Fußverkehr nicht als Gegner zu sehen seien.

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Im Bürgerbegehrenstext zur Förderung des Radverkehrs hieß es ausdrücklich, dass zusätzliche Radwege nicht zulasten des Platzes von Fußgängern gehen dürften, und auch im Vertrag zwischen Stadt und Fahrradbündnis ist festgehalten, dass Kreuzungsumbauten unter besonderer Berücksichtigung von Belangen des Fußverkehrs gestaltet werden sollten. Es gebe ganz im Gegenteil häufig ähnliche Interessen, so ADFC-Vorstandsmitglied Arne Schäffler bei der Vorstellung des Vertrags vor den Sommerferien, etwa beim Thema Tempo 30.

Die Ampelphasen im Augsburger Stadtverkehr sind seit Jahren ein Thema

Ein Thema, das in der Umfrage des Seniorenbeirats auch aufkam: An manchen Kreuzungen werden längere Ampelphasen für Fußgänger gefordert, weil es kaum möglich sei, die Fahrbahn bei Grünlicht bzw. ohne Zwischenpause auf einer Verkehrsinsel zu queren. Als ein Beispiel gilt die Kreuzung beim Theater wegen ihrer kurzen Grünzeiten. Die Stadt hielt dem bisher immer entgegen, dass niemand erschrecken müsse, wenn beim Überqueren der Straße die Ampel auf Rot springt. Es sei eine entsprechende Pufferzeit einkalkuliert, bis der Autoverkehr Grün bekommt. Längere Fußgänger-Grünzeiten gingen zulasten des restlichen Verkehrs, so die bisherige Argumentation.

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In seinem Koalitionsvertrag hat das schwarz-grüne Regierungsbündnis allerdings explizit die "Unterstützung der Fußgängerbelange" zugesagt, etwa bei Ampeln und Fahrbahnquerungen. Auch eine neue Stelle für eine städtische Fußgängerbeauftragte/einen städtischen Fußgängerbeauftragten soll geschaffen werden. Geschehen ist das bisher noch nicht. Bei Planungen und Umplanungen müsse die Sicherheit von Fußgängerinnen und Fußgängern zur Vermeidung von Unfällen im Fokus stehen, so eine Vorgabe der Koalitionsvereinbarung, in der auch die "autofreie Maximilianstraße" als Projekt für Fußgänger angeführt wird.

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Für das tatsächliche Fußgängeraufkommen dürften aber wichtiger sein, wie die Wege in die Innenstadt beschaffen sind. Die Bauverwaltung versucht bei der Stadtplanung seit Jahren zunehmend, Fußgängerinnen und Fußgängern in neu geplanten Vierteln möglichst kurze und direkte Wege anzubieten. Beispiele finden sich etwa auf den ehemaligen Kasernenflächen, wo manche Querverbindungen dem Fuß- und Radverkehr vorbehalten sind. Auch im neuen Gesamtverkehrsplan, der die Verkehrsstrategie der Stadt für die kommenden Jahre und Jahrzehnte definieren wird, soll das Thema Fußverkehr eine größere Rolle spielen. Experten des Verkehrsverbands VCD fordern für Augsburg seit Jahren den Umbau von Kreuzungen mit weiter in die Fahrbahn gezogenen Gehwegen. Dies verringere die Geschwindigkeit von Autos beim Abbiegen und verkürze die Strecke über die Fahrbahn, die querende Fußgängerinnen und Fußgänger zurücklegen müssen.

27 Prozent aller Wege werden zu Fuß zurückgelegt

In Augsburg werden laut der alle vier Jahre wiederholten Untersuchung "Mobilität in Städten" der TU Dresden 27 Prozent aller Wege zu Fuß zurückgelegt, wobei es sich dabei statistisch meist um kurze Wegstrecken handelt (Datenbasis 2018). Bei längeren Strecken dominieren Auto, Fahrrad und öffentlicher Nahverkehr. Eine ADAC-Umfrage in Augsburg kam vergangenes Jahr zum Ergebnis, dass Fußgängerinnen und Fußgänger die direkte Erreichbarkeit von Zielen in der Stadt schätzen. Auch das Angebot an Überquerungsmöglichkeiten wurde als gut eingeschätzt. Schlechte Noten gab es für das regelkonforme Verhalten von Autofahrerinnen und Autofahrern sowie von Radlerinnen und Radlern. Auch das Sitzplatzangebot an Gehwegen wurde mäßig bewertet. In der Corona-Pandemie nahm laut Umfrage die Bedeutung des Fußverkehrs bei Strecken über 300 Metern unter allen Verkehrsarten am deutlichsten zu. Auch Auto und Rad zählen zu den "Gewinnern", wenn auch in geringerem Maße. Der Nahverkehr gehört hingegen zu den Verlierern.

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