
Start-up: Handgefertigte Lampen sollen Frauen den Weg ins Berufsleben ebnen

Plus Drei Augsburger haben ein Start-up gegründet. Es soll Frauen, die sonst kaum eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben, eine berufliche Perspektive geben.

Nadja Meisterling stammt aus Russland. Seit drei Jahren lebt die gelernte Material-Ingenieurin in Augsburg, aber einen Job mit ihrer erlernten Qualifikation hat sie bislang nicht gefunden. "Ich kann putzen gehen oder schwere körperliche Arbeit verrichten", erzählt sie in gutem Deutsch. Aber mit 61 Jahren sei sie nicht mehr zu jeder körperlich anstrengenden Arbeit in der Lage. Deshalb habe sie die letzte Anstellung aufgegeben. Über eine Maßnahme des Jobcenters kam sie schließlich in einen Kurs an der Volkshochschule, es ging um Berufsorientierung. Er soll Menschen, oft mit Migrationshintergrund, helfen, den Weg in den Arbeitsmarkt zu finden. Das hat bei Nadja Meisterling geklappt - allerdings auf andere Weise, als gedacht.

Im Kurs traf die 61-Jährige auf Gilda Vilas. Sie ist seit 2017 im Bereich Integration an der VHS tätig und musste mit den Jahren feststellen: "Viele der Menschen in meinen Kursen haben auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Chance - unter anderem, weil ihre Qualifikationen hier nicht anerkannt werden oder einfach nicht gefragt sind." Frauen träfe dies häufiger als Männer. Frauen mit Migrationshintergrund hätten oft Qualifikationen, die in unserer Industriegesellschaft nicht gefragt seien. Viele seien handwerklich sehr begabt, geduldig mit kleinteiliger Arbeit und waren in ihrer Heimat beispielsweise als Teppichknüpferinnen oder Schneiderinnen aktiv.
Qualifikationen geflüchteter Frauen sind in Augsburg nicht immer gefragt
So wie Suhala Sheyh Bak Kadri. Die 57-Jährige stammt aus Syrien und hat in Augsburg im Rahmen von Maßnahmen des Jobcenters Praktika bei Schneidereien gemacht. Übernommen hat sie niemand. "Man hat mir gesagt, es sei kein Bedarf", erzählt sie. Für Gilda Vilas sind das immer wieder frustrierende Beispiele. Sie hat daher gehandelt: "Ich habe mir gesagt: Wenn der Arbeitsmarkt keine Stellen für die Frauen bietet, müssen wir welche schaffen." Vor neun Monaten gründete sie zusammen mit ihrem Mann Fernando und Gregor Witsch das Start-up Kokoi. Dort fertigen Frauen wie Nadja Meisterling und Suhala Sheyh Bak Kadri Lampen.

Zwei Kollektionen haben die Frauen bisher geschaffen: "Augsburg" als Hommage an die Textilindustrie, und "Nord-West". Bei beiden Kollektionen steht der Nachhaltigkeitsgedanke im Mittelpunkt. Träger der Lampenschirme ist eine alte PET-Flasche. Die Schirme sind aus Baumwolle beziehungsweise Rattan gefertigt. "Hier verbinden sich hochwertige Handarbeit mit Umweltschutz und sozialem Engagement", sagt Fernando Vilas. Nun gehen die Lampen in den Verkauf und sollen helfen, das Start-up finanziell auf eigene Beine zu stellen. Denn noch bezahlen Gilda und Fernando Vilas das Gehalt der Frauen. Auf der Firmenhomepage www.kokoi.org können Interessierte die Modelle sehen und bestellen. Die günstigste Lampe, die in Anlehnung an ihre Produzentin "Nadja" heißt, kostet 290 Euro.
Start-up Kokoi startet Verkauf handgefertigter Lampen
Gila und Fernando Vilas hoffen, dass das Start-up ins Laufen kommt. "Die Frauen blühen so auf in dem was sie tun", schildert Gilda Vilas. Nadja Meisterling und Suhala Sheyh Bak Kadri stimmen ihr zu. "Wir haben hier eine so schöne Arbeit", erzählt Nadja. Bei der Arbeit mit den verschiedenen Materialien der Lampen könne sie endlich auch wieder ihr Wissen als Material-Ingenieurin anbringen und bei der Entwicklung weiterer Lampenmodelle helfen. Suhala Sheyh Bak Kadri sagt: "Ich will nicht nur zu Hause sitzen. Ich will raus, mein Deutsch verbessern und unter Menschen". Bei Kokoi sei das möglich.
Sie haben nicht die Berechtigung zu kommentieren. Bitte beachten Sie, dass Sie als Einzelperson angemeldet sein müssen, um kommentieren zu können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an moderator@augsburger-allgemeine.de.
Um kommentieren zu können, gehen Sie bitte auf "Mein Konto" und ergänzen Sie in Ihren persönlichen Daten Vor- und Nachname.
Bitte melden Sie sich an, um mit zu diskutieren.