
Weniger Zulauf, neue Themen: Was aus den Corona-Demos in Augsburg wurde

Plus Die einstigen Corona-Demos ziehen inzwischen weniger Menschen an. Sie widmen sich anderen Themen, der Ton bleibt scharf. Die Rede ist von "Krieg in unserem Land".

Auch diesen Samstag sind wieder ein paar hundert Menschen zusammengekommen. Sie stehen in der Hallstraße, in der Kälte dieses Nachmittags, und wollen demonstrieren. Nur - gegen was? Einst ging es vor allem um Kritik an den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Jetzt tritt Michaela Königsberger ans Mikrofon und spricht unter anderem über die Verlängerung der Grundsteuer-Erklärung, den "Insekten-Wahnsinn" - eine neue EU-Verordnung erlaubt mehr Insekten als bisher in Lebensmitteln -, den "Asylanten-Zulauf", der nicht mehr gestemmt werden könne. Kein Wort von Corona, kein Wort von Pandemie.
Vor etwas mehr als einem Jahr erreichte die Protestbewegung gegen Corona-Maßnahmen in Augsburg ihren Höhepunkt. Mehrere tausend Menschen zogen durch die Innenstadt, teils auch unangemeldet bei sogenannten "Spaziergängen". Vor allem die Debatte über eine allgemeine Impfpflicht erwies sich als Katalysator, auch bis dato Unbeteiligte schlossen sich an. Und heute? Ist vieles anders.
Teilnehmerzahl bei Corona-Demos in Augsburg geht zurück
Mit dem schrittweisen Wegfall der Corona-Maßnahmen ging auch die Zahl der Demonstrierenden zurück, geblieben ist ein stabiler Kern. "Im Stadtgebiet Augsburg wurden zuletzt etwa 200 bis 300 Teilnehmer registriert, in den Landkreisen liegen die Teilnehmerzahlen im zweistelligen Bereich", teilt das Polizeipräsidium Schwaben-Nord mit. Tendenziell sei der Zulauf "eher rückläufig". Die Zahlen, die Demo-Teilnehmer im sozialen Netzwerk Telegram verbreiten, liegen nur etwas darüber. "Wenn wir Woche für Woche 30 Teilnehmer mehr haben, dauert es nur gut sechs Jahre, bis wir die 10.000er-Schallmauer durchbrechen", schreibt ein Nutzer nach der Demo am vergangenen Samstag. Dies sei doch ein "überschaubarer Zeitraum, nicht wahr? Es ist kein Sprint, sondern ein Marathon." Unter Durchhalte-Parolen mischt sich auch Frust. Was es denn noch brauche, heißt es immer wieder, dass die Leute endlich "aufwachen"?
"Die Leute sind kaum noch betroffen." Wegen des geringeren Zulaufs, aber auch weil die Demos nur noch einmal statt zweimal pro Woche stattfinden, "sind auch die Auswirkungen auf das öffentliche Leben und den Verkehr spürbar zurückgegangen", sagt Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU). Inzwischen sei Corona-Kritik "ein Thema unter vielen" und nehme "aktuell keinen herausgehobenen Stellenwert mehr ein". Dennoch versucht das Netzwerk der Corona-Kritiker weiterhin, auf sich aufmerksam zu machen. So findet zweimal pro Woche vor der Lokalredaktion der Augsburger Allgemeinen eine "Mahnwache" für "unabhängigen Journalismus" statt, an der meist zwischen zehn und 20 Personen teilnehmen; eine "Galerie zur Aufklärung der Pandemie-Politik" reiht am Fuggerplatz Berichte aus "Alternativmedien" aneinander, insbesondere zur Corona-Impfung. Für viele der dort aufgestellten Behauptungen gibt es keine Beweise.
Einstige Corona-Kritiker widmen sich nun Ukraine-Krieg und Asylpolitik
Mindestens fragwürdig sind auch manche Inhalte, die während der "großen" Demonstration verbreitet werden. So entfernte zuletzt etwa die Video-Plattform Youtube die Aufnahme einer Demo Ende Januar. Auf Anfrage unserer Redaktion erklärt Youtube, das Video habe "gegen die Richtlinien gegen medizinische Missinformation verstoßen". In dieser Richtlinie heißt es, dies betreffe unter anderem "Inhalte, die den übereinstimmenden Expertenmeinungen zu sicheren medizinischen Praktiken widersprechen." Warum genau dieses Video gesperrt wurde, teilt Youtube nicht mit. Allerdings werde der verantwortliche Kanal "weiter überprüft".
Corona bleibt ein gemeinsamer Nenner, inhaltlich haben sich die Demonstrationen aber geöffnet. Michaela Königsberger, Vorsitzende des Bürgerforums Schwaben, das die Demos organisiert, sagte Ende Januar im Kontext Ukraine-Krieg: "Zum Glück hießen wir schon im Januar letzten Jahres Demo-Friedensumzug. Warum? Weil wir in unserem Land schon lange Krieg haben." Er finde seit Jahren "bei uns in Deutschland, in unserer Region, überall in allen Ebenen" statt. Als Beispiel nannte sie die Lebensmittelindustrie, das Bildungssystem, Altersarmut, ein kaputtgespartes Gesundheitssystem. Für leere Renten- und Krankenkassen seien weder Rentner noch Kranke verantwortlich. "Sondern schuld sind die, die in unser Land kommen, nichts einbezahlen und trotzdem aus dem Vollen schöpfen. Eine falsche Asylpolitik." All dies seien für sie "Kriege ohne Waffen". Weitere Themen: 4G, 5G, mRNA-Impfstoff. "All das steigert sich und ist alles ein Plan und führt zu einem Ergebnis: die totale Überwachung, die Steuerung der Menschen." Zum Abschluss fordert Königsberger die Regierung auf, "keine Waffen und Panzer in Kriegsgebiete zu liefern. Und deswegen gehen wir auf die Straße."
Polizei und Stadt sehen keine Hinweise für Radikalisierung
Auch die Demo-Schilder haben nur noch teils mit Corona zu tun. Die Botschaften reichen von "Den dritten Weltkrieg stoppen jetzt" über "Unser Land zuerst" bis "Nur digital bezahlen ist totale Kontrolle". Die Polizei erklärt auf Nachfrage, "nennenswerte Ermittlungsverfahren" habe es im Kontext der Demos zuletzt nicht gegeben, Hinweise auf eine Radikalisierung der Protestbewegung lägen nicht vor. Man habe "aber die Entwicklung ganz genau im Blick."
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Gute Doku um in die Gedankenwelt dieses bunten Haufens wenigstens etwas blicken zu können:
https://www.zdf.de/dokumentation/zdf-history/deutsche-verschwoerungsmythen-reichsbuerger-und-querdenker-100.html
Es gibt Menschen die gehen Samstag ins Stadion, zum Wandern, ins Kino, gar ins Theater, vielleicht schmeissen sie sich auch Samstag in Schale und gehen zu einem tollen Ball in der Region oder sie gehen pünktlich durch die Stadt.
Aber eins haben alle gemeinsam, sie machen etwas worauf sie Lust haben. Und nachdem keiner, mit dem was er tut gegen Gesetze verstößt, hat auch keiner das Recht andere wegen dem was sie tun zu diffamieren.