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Augsburger Projekt gegen Einsamkeit: Zum Reden auf den Friedhof

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Zum Reden auf den Friedhof: Wie dieser Treff gegen Einsamkeit hilft

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    Christa Hamann, Helmut Jehle und Katharina Beltinger (von links) sitzen beim Café Plaudertässchen auf dem Protestantischen Friedhof zusammen und unterhalten sich. Sie schätzen das Angebot, das Menschen zusammenbringt.
    Christa Hamann, Helmut Jehle und Katharina Beltinger (von links) sitzen beim Café Plaudertässchen auf dem Protestantischen Friedhof zusammen und unterhalten sich. Sie schätzen das Angebot, das Menschen zusammenbringt. Foto: Michael Hochgemuth

    Es klingt ungewöhnlich, ist aber möglich: auf den Friedhof zu gehen, um zu reden. Einige Menschen in Augsburg tun das immer wieder. Auf dem Protestantischen Friedhof treffen sie dann zum Beispiel Marianne Throm-Geiwagner. Wenn man mit ihr spricht, spürt man sofort, mit welcher Begeisterung, Freude und Empathie sie ihrem Ehrenamt nachgeht. Die 70-Jährige, die früher als Religionslehrerin im Wittelsbacher Land war, gehört seit über vier Jahren zum Team des "Plaudertässchens." Das Projekt geht im Jahr 2025 ins vierte Jahr, Auslöser für die Gründung war ein Fernsehbeitrag mitten in der Corona-Pandemie. Seitdem hat sich einiges getan.

    Ursula Bühler, Pfarrerin der Altenheimfürsorge, Bettina Böhmer-Lamey, Pfarrerin des evangelischen Forums Annahof, sowie Charlotte Offeney waren einst die Initiatoren. Ein Fernsehbeitrag, der beleuchtete, wie vor allem ältere Menschen während Corona unter Einsamkeit und Trauer leiden, war der Auslöser. Im Protestantischen Friedhof in Augsburg, nahe der Aussegnungshalle, steht von Mai bis September alle zwei Wochen ein mobiles Café bereit, das die Besucher zum Verweilen bei Kaffee und Kuchen einlädt. Ausruhen, Aufatmen, Erzählen und Zuhören - all das ist angesagt.

    Marianne Throm-Geiwanger hatte bei jüngsten Treffen die "Schlüsselgewalt", wie sie sagt. Seit Anbeginn hört sie sich die Sorgen und Nöte an, die ihr an den Sonntagen vorgetragen werden, und sie weiß genau, dass mit Trauer und Einsamkeit auch eine toxische Mischung entstehen kann. Deshalb ist eine Einrichtung wie das "Plaudertässchen enorm wichtig. "Wir haben hier auch Stammkunden, die schätzen hier die Atmosphäre, die der Seele guttut", so Throm-Geiwagner, die zudem ehrenamtlich im Bereich demenzkranker Menschen arbeitet. "Bei uns ist jeder willkommen. Am Tisch des Herrn sind ja auch alle gesessen. Es kommen ja zu uns auch Personen, die am Rande der Gesellschaft leben und sich keinen Kaffee leisten können", schiebt sie hinterher.

    Allerdings freut sie sich, wird nicht in allen Gesprächen über Trauer und Tod gesprochen: "Wir reden über Gott und die Welt. Manche wollen auch nur wissen, ob ich ihr das Rezept von dem Kuchen sagen kann, den sie gerade isst." Kaffee, Wasser, verschiedene Kuchensorten oder Muffins - die meisten Besucher bedienen sich gerne. Rund 30 Personen waren zuletzt an einem sonnigen Sonntagnachmittag gekommen. Die Friedhofsbänke waren gut besetzt, zudem wurden noch Stehtische aufgestellt und eine Bierzeltgarnitur bot weitere Sitzplätze.

    Ein paar der älteren Friedhofsbesucherinnen befinden sich an diesem Tag in vertraulichen Gesprächen. So unterhält sich Gudrun Görlitz vom Hospitz Albatros mit einer älteren Dame, deren Mann kürzlich verstorben ist. Man merkt der Frau die Trauer an ihren verweinten Augen an. Auch die ehemalige Pfarrerin Katherina Beltinger befindet sich im Gespräch - mit Christa Hamann. Hamann, eine humorvolle Dame, erzählt, dass sie eine künstliche Hüfte hat, aber dennoch noch Auto fährt. Kürzlich hatte sie einen leichten Unfall. "Aber sonst geht es mir blendend", sagt sie lachend. Die 78-Jährige fährt von Lechhausen zum protestantischen Friedhof. "Hier liegen das Elterngrab und das Grab meiner Tante", so Hamann, die sich auch ein Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee geholt hat. Hamann ist zum ersten Mal bei diesem Projekt anwesend und schwärmt: "Das ist einfach eine Superidee. Der Friedhof ist ja auch ein Ort der Begegnung."

    Neben Hamann sitzt Helmut Jehle. Ebenfalls einer, der ehrenamtlich für das Projekt tätig ist. "Ich mache das schon ein paar Jahre und helfe beim Aufbau und bereite den Kaffee und das Wasser vor", erzählt er. Regina Hochadel besucht zwar ebenfalls ein Grab auf dem Friedhof, aber dass sie auf einer der Bänke sitzt, ist eher Zufall: "Ich habe in der Kirchenzeitung gelesen, dass sich hier Leute treffen und wollte einmal hingehen." Sie hat es nicht bereut: "Das ist hier eine ruhige und wunderschöne Atmosphäre." Ihre Banknachbarin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, ist ebenfalls begeistert: "So ein Projekt sollte es eigentlich auf jedem Friedhof geben."

    Nachdem das Treffen im Mai zweimal wegen des schlechten Wetters ausfallen musste, war Marianne Throm-Geiwagner froh, dass es dieses Mal geklappt hat. "Die Resonanz war gut. Das Wetter hat gepasst. Wir können durchaus zufrieden sein." Das nächste "Plaudertässchen" findet am 15. Juni statt - und dann bis einschließlich 21. September alle zwei Wochen.

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