Vor dem Hörsaal Eins an der Universität Augsburg. Es ist 20 Uhr. Riesige Menschentrauben warten gebannt auf den Einlass zur großen Diskussion. „Ich bin so angespannt“, sagt ein Lehramtsstudent, „heute wird irgendwas passieren“. Ein Tag zuvor waren in Berlin hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die AfD und die Union zu protestieren. Nun kommen die Augsburger Politik-Größen Claudia Roth (Grüne) und Volker Ullrich (CSU) im Herzen der Universität zusammen. Und diskutieren. Vor der Studierendenschaft. Wie das wohl ausgeht?
Drinnen herrscht unterdessen helle Aufregung. Ein Mitglied des Studierendenausschusses Asta ruft seiner Kollegin entsetzt zu: „Oh Gott, hast du mal nach draußen gesehen?“ Dann gehen die Türen auf. Ruckzuck sind die 489 Plätze des Hörsaals belegt, der Rest verteilt sich auf die Treppen oder steht. Bierflaschen zischen, Weinflaschen werden herumgereicht. Ein Student bringt allen Ernstes seine prall gefüllte Nudelauflaufform mit.
Uni Augsburg: Diskussion wird durch „Brandmauer-Schweigeminute“ unterbrochen
20.15 Uhr: Moderatorin Antonia Eckmann, eine 22-jährige Studentin im dritten Semester, hat kaum zwei Silben über die Lippen gebracht, als sich plötzlich ein Mann aus der dritten Reihe wie ein salutierender Soldat erhebt, und brüllt: „Ich bitte euch für eine Schweigeminute aufzustehen und dem Fall der Brandmauer zu gedenken!“. Jubel und Gebrüll bricht aus, fast alles gehorcht und steht auf.

In diesem Moment muss den Abgeordneten Volker Ullrich und Maximilian Funke-Kaiser (FDP) klar gewesen sein, dass dies kein Heimspiel wird. Denn sie hatten am Freitag für das Paket von Friedrich Merz und mit der AfD gestimmt – ein offensichtlicher Tabubruch für die größtenteils linke Studierendenschaft. Für die anderen drei Parteien war es also ein leichtes Spiel. Claudia Roth genoss nach jedem Wortbeitrag lauten Beifall, genauso wie Elisabeth Wiesholler, die Direktkandidatin der Linken, die selbst noch Studentin ist. Weniger laut aber immer noch wohlgesinnt, schien das Publikum für Ulrike Bahr zu fiebern, der Bundestagsabgeordneten der SPD. Die Augsburgerin stimmte wie Roth, gegen Merz’ Antrag. Warum die AfD nicht anwesend war, konnte unsere Redaktion bis Redaktionsschluss nicht in Erfahrung bringen.
Antifa hält Diskussion auf, dann kommt die Debatte in Fahrt
20.29 Uhr: Gerade hat Moderatorin Eckmann ein paar Störenfriede zurechtgewiesen, als drei Anhänger der antifaschistischen Aktion, auch „Antifa“ genannt, auf die Bühne marschieren. „Wer für ausländerfeindliche Gesetze abstimmt und einfach so auf der Bühne steht“, skandiert eine Frau, „darf nicht einfach so gehört werden!“ Ihre zwei Begleiter hissen währenddessen eine große Antifa-Fahne. Im Gegensatz zur „Schweigeminute“ kommt diese Aktion nicht bei allen gut an. Funke-Kaiser und Ullrich erheben sich: „Das ist nicht der Umgang einer Demokratie und offenen Gesellschaft“. Es folgt unerwartet Applaus.

Mit einiger Verspätung kommt dann die Diskussion endlich ins Rollen. Zehn Fragen sollen die Politikerinnen und Politiker beantworten. Beispiel: „Wie können wir die Klimaziele noch erreichen?“. FDP und CSU: mit Emissionshandel und internationalen Abkommen. SPD: mit sozialverträglichen Maßnahmen und erneuerbaren Energien. Linke: Reiche enteignen, in grüne Energien investieren. Grüne: Indem man die Klimakrise zur Überlebensfrage deklariert. Ungefragt fügt Roth hinzu: „Mit Klimaleugnern und Demokratiefeinden will ich nichts zu tun haben! Das war letzte Woche die schlimmste meines Lebens!“
Claudia Roth ist unter den Gästen die mit Abstand beliebteste
So erfuhren die wohl 700 anwesenden Studierenden durchaus Neues. Roth legte eine große Ernsthaftigkeit und offensive Rhetorik an den Tag, was im Publikum gut ankam. Die 69-Jährige wusste auch, wie sie das Publikum umschmeicheln konnte („Ich finde, ihr solltet auch mal mit den Stadtwerken verhandeln, dass man das Studienticket ein bisschen günstiger macht“, oder: „Hier im Raum sind viele junge, kluge Damen – und ein paar hübsche Männer“).
Warum hat Volker Ullrich gegen die Ehe für alle gestimmt?
Ullrich zitierte viele Paragrafen, und sprach ironischerweise im Hörsaal von Altersvorsorge, als er zuletzt gefragt wurde, wie er den jungen Menschen helfen möchte. Heikel wurde es für ihn, als das Publikum wissen wollte, wieso er 2017 gegen die Ehe für alle stimmte. „Aus heutiger Sicht war das ein Fehler“, entschuldigte sich der 49-Jährige, „die Union steht heute klar dahinter, die Gesellschaft hat sich verändert“.
Ullrich und Funke-Kaiser ließen keine Mühe ihre Abscheu für die AfD zum Ausdruck zum Bringen. „Das sind sehr widerliche Menschen, sie sind im persönlichen Umgang sehr unappetitlich“, war der FDPler überzeugt. „Ich würde mir wünschen, dass die AfD verschwindet“, sagte Ullrich, „keine Koalition, keine Kooperation!“.
Am Migrationspaket von Friedrich Merz scheiden sich die Geister
Bei Frage 4 appellierte Moderatorin Eckmann: „Bitte, bitte, bitte mischt euch jetzt nicht ein! Wir versuchen das ernst zu machen!“. Thema: Migrationsdebatte im Bundestag. Hier brachten die Politikerinnen und Politiker ein Stück Berlin in den Hörsaal mit. So wurde erneut zwischen FDP und Grüne/SPD diskutiert, wer letztlich dafür verantwortlich war, dass die Gespräche zwischen den ehemaligen Ampelparteien scheiterten.

Die 27-jährige Wiesholler beklagte, sie sei von allen Parteien enttäuscht. Denn auch Scholz wolle im großen Stil – und Habeck wolle mit Bauchschmerzen abschieben. SPD-Politikerin Bahr fand das Verhalten der Union beschämend, CSU-Mann Ullrich wiederum warf der Regierung fehlende Glaubwürdigkeit vor, denn Merz‘ Antrag sei das gewesen, worauf sich alle Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer verständigt hätten. Claudia Roth sagte, der Freitag sei der dunkelste Tag der deutschen Geschichte seit dem Holocaust gewesen.

Das sind die Lieblingseissorten der Augsburger Direktkandidatinnen und -Kandidaten
Nicht gerechnet hatten die Politiker mit der letzten Frage. Was denn die Lieblingseiscreme sei? Aus welchem Grund auch immer bekam, Funke-Kaiser für „Vanille“ Häme, Ullrich wurde für seine Pistaziencreme ausgelacht, denn er machte aus dieser Frage einen Kurzvortrag. Bei Bahrs „Schokolade“ blieb es ruhig, während das Publikum das „Vegane Schokokaramell“ von Wiesholler toll fand, und sich amüsierte, weil Roth zu ihrem Amarenaeis unendliche Mengen Schlagsahne benötigt.
Anm. d. Red.: in der ursprünglichen Fassung wurde beim Thema „Ehe für alle“ das falsche Jahr genannt. Wir haben den Zeitpunkt der Abstimmung aktualisiert.
Beruhigend, dass derartige „Studierende“ weder die demokratische Mehrheit darstellen noch die Bundestagswahl entscheiden.
Diese „Studierende“ sind Studierende, die später Ihre Rente bezahlen, Herr Wagner. Etwas mehr Demut wäre angebracht…
Und was war jetzt so schlimm an dieser Veranstaltung, dass Sie die Studierenden als "derartige" bezeichnen? Dass junge Menschen ihre Meinung mit Herz und Emotionen kundgetan haben? Ging doch sehr gesittet zu ... Als ich jung war, gab es in den Hörsälen und davor noch ganz andere Demos. Und mit Recht.
Das wage ich zu bezweifeln. Meine Rente habe ich durch 47 Jahre Arbeit in einer RentenVERSICHERUNG erwirtschaftet. Ihre DEMUT Herr Huang können sie woanders einklagen.
Falsch! Ihre jetzige Rente bezahlen die aktuellen Beitragszahler. Sollte man wissen, wenn man in einer Rentenversicherung gearbeitet hat.
Ach Frau Reichenauer, Sie schreiben "mit Recht". Dann haben Sie schon damals gegen NATO, Doppelbeschluß ( der übrigens von dem deutschen Kanzler H. Schmidt stammte!) , Wehrhaftigkeit des Westens gegen die vordringenden Russen und für die Ausweitung der DDR und des Kommunismus auf die BRD und Westeuropa demonstriert, für die Sowjets aus Moskau und gegen die USA ?! Was wäre wohl gewesen, wie schlimm hätte sich alles entwickelt, wenn man Ihnen und den anderen Demonstranten damals gefolgt wäre ?; Das sollte ein Beispiel sein, daß -ganz anders als die Demonstranten in Georgien in Tiflis und auf dem ukrainischen Maidan, die gegen Moskau zu Recht (!) aufstehen !- Demonstranten im Westen meistens völlig falsch liegen.
Frau Tkacuk, an der Friedensbewegung weltweit in Europa und den USA im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen - ich nehme an diese wollen sie verunglimpfen - kann nicht so viel verkehrt gewesen sein wenn acht Jahre später im Zuge von Verhandlungen die Mittelstreckenraketen (der Nato-Doppelbeschluss war deren Stationierung) verschrottet wurden. Bezüglich H. Schmidt - die Entscheidung "Pro Doppelbeschluss" kostete ihn seinerzeits sein Amt weil ein Großteil der SPD dagegen war und die FDP daraufhin die Koalition mit CDU/CSU suchte (beide Parteien waren größtenteils dafür). Und ja, "der Russe" (der große Staatsmann M. Gorbatschow) hat damals mit seiner Forderung der "vollständigen Abschaffung aller strategischen Atomwaffen in zehn Jahren" die USA in Zugzwang gebracht und so den Grundstein für den Vertrag zum weltweiten Abbau aller landgestützten atomaren Kurz- und Mittelstreckenraketen (von USA und UdSSR) zu legen.
Schade, dass der letzte Kommentar vom FDP vertreter nicht in den Bericht gekommen ist. Er meinte, dass die Antifa am Rechtsruck schuld sei.
Vermutlich geschah dies aus Mitleid der Redaktion mit dem FDP-Mann. Hat er vielleicht auch behauptet, dass Hitler Kommunist war? Raimund Kamm
Rechts, Links, Mitte. In Deutschland wird Demokratie falsch verstanden: Wenn einer einen Vorschlag macht und mag er noch so gut sein, ist man dagegen. Hat jemand eine andere Meinung ist er Rechts, Faschist oder Nazi. Es werden Lichterketten und Demos gegen rechts veranstaltet und vergessen, dass Menschen ermordet wurden. Man sollte sich erinnern: Es sind schwerwiegende Probleme zu lösen, die auf Fehler und Vernachlässigungen der Vergangenheit basieren.
Das ist Quatsch, was Sie über andere Meinungen schreiben. Es geht nicht darum, ob jemand eine andere Meinung hat, sondern ob jemand eine Meinung hat, die auf Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und völkischem Gedankengut fußt. Mit dieser Gruppe sollte es keine Zusammenarbeit geben. Das ist ein Unterschied, den auch Sie nicht verinnerlicht haben. Menschen wurden auch im Dritten Reich ermordet – gerade mit diesem Gedankengut. Und die Straftaten heute aus der rechtsextremen Szene sind stark angewachsen. Das muss ich nicht mehr belegen, die Statistik des BKA können Sie selbst auch aufrufen.
Am Rechtsruck sind Menschen schuld, die mit einfachen Lösungen daherkommen, die z. B. aus rechtlichen oder personellen Gründen nicht möglich sind, die aber gut klingen. Die Antifa gibt es schon seit den 1980er Jahren, dann hätte es damals schon einen Rechtsruck als Gegenbewegung geben müssen. Vielleicht sind die Menschen heute dümmer, vertrauen gerne Scharlatanen und denken nicht mehr darüber nach, dass es für schwierige Probleme keine einfachen Lösungen gibt, sondern dass Lösungen Zeit brauchen und sich entwickeln müssen.
Aktuell zahlen "wir" rund 15-20 Mrd Euro pro Jahr für die Migrationspolitik, dann ist es doch ok, wenn die jetzigen Studenten unsere Rente mitfinanzieren. Sie müssen halt nur nach dem Studium ein wertschöpfenden Job haben und sich nicht auf ein "bedingungslos Grundeinkommen" verlassen.
Tatsächlich Ihr Ernst? Sie disqualifizieren sich derartig, dass mir fast schlecht wird. Ausgaben durch die Migrationspolitik mit den Rentenbeiträgen zu vergleichen ist genau die Verdrehung von Fakten, die man nur zu genau kennt und zwar aus der „rechten Ecke“ . Dass solche Ausgaben auch Wertschöpfung generieren, sollte doch auch klar sein. Der syrische Facharzt, die ukrainische Lehrerin, der afghanische Maler und Lackierer? Wo tauchen die bei Ihrer Rechnung auf? Plakativen Unsinn zu verbreiten ist zwar ihr gutes Recht, wird doch aber dem Thema nicht gerecht. War auch nicht die Absicht, oder?
Die strikte Abgrenzung zur Putinischen Partei (AfD) wurde von der CDU/CSU - "Brandmauer" - wurde doch keinster Weise aufgehoben oder in Frage gestellt. Insofern ist gar nichts passiert. Es wurde nur ein Gesetz zur Migration eingebracht - dem die SPD und Grünen nicht zustimmen wollten ( das "wollten" ist hier besonders wichtig). Statt aber das "Nicht wollen" öffentlich zu sagen, was im Wahlkampf aktuell sicher Stimmen kosten kann, behaupteten SPD und Grüne für jeden sichtbar die Lüge vom "Fall der Brandmauer". Das hätte in dieser Veranstaltung gesagt werden müssen, ist aber bei der linken Studentenschaft unmöglich. Übrigens: die Wagenknecht -Gruppe vertritt absolut die gleichen Positionen wie die AfD!
Frau Tkacuk, die SPD hatte u.a. angekündigt dass sie gegen das "Zustrombegrenzungsgesetz" ggf. bis vor das BVerfGE ziehen für den Fall dass es beschlossen wird - ist ihnen das öffentlich und klar genug als Aussage? Zur Brandmauer: Merz hat quasi die Augen verschlossen und der Mauer den Rücken zugekehrt - um dann Überraschung zu heucheln dass die AFD über die Mauer geklettert ist und - wie angekündigt - für seinen Vorschlag gestimmt hat - weil, und das war ihm offenbar klarer als ihnen - die SPD und die Grünen eben nicht für das Gesetz stimmen wollen. Und es muss mal gesagt werden: Das Problem ist nicht wie die AFD stimmt, da sie sonst tatsächlich die Parteien in Geiselhaft nehmen könnte - das Problem ist wenn man wie geschehen mit den AFD-Stimmen als Zünglein an der Waage kalkuliert. Als Nachtrag: Soviel geistige Gymnastik dass die "die Wagenknecht -Gruppe (...) *absolut die gleichen Positionen* wie die AfD" verteten könnte schaffe ich nicht und wäre um eine Erklärung dankbar.
"Das geschätzte Vermögen von Claudia Roth beträgt 2,5 Millionen Euro." lt. $ Vermögen Magazin vom 2.1.2025. Sie ist also mehrfache Millionärin. Wieso kommt das jetzt wieder bei linken und grünen Studenten oder der Antifa so gut an? Und was hat sie eigentlich dafür geleistet? Mir ist da nichts Gewichtiges bekannt. Leider hat es die Politik versäumt, den Bundestag deutlicher zu reduzieren, um überflüssige Abgeordnete zu vermeiden. Und auch die Studenten leben zunächst mal auf Staatskosten und bekommen sogar 50% des BAFÖG "geschenkt." Dieses Geld wird auch von CDU/ CSU und AFD-Wählerinnen und Wählern erwirtschaftet. Und wenn diese so böse sind, könnten sie ja auf diesen Teil verzichten. Das wären dann aktuell wiederum ca. 50% des ausgezahlten BAFÖG-Satzes.
""Das geschätzte Vermögen von Claudia Roth beträgt 2,5 Millionen Euro." lt. $ Vermögen Magazin vom 2.1.2025." Neidisch? Klingt so. Warum machen Sie ihr ihr Vermögen madig? Warum thematisieren Sie das Vermögen von Merz nicht, der hat immerhin 12 Mio. auf der hohen Kante plus ein Privatflugzeug im Wert von noch einmal einer Million.
Herr Heiß, ich habe keine Ahnung in welcher Blase sie die letzten Jahre lebten und wie sie sich informiert haben aber: Der Bundestag wurde im Juni 2023 mit einer Reform die ja ab dieser Wahl zum Tragen kommt im Vergleich zum jetzigen Stand um über 100 Sitze reduziert - unter Wehklagen u.a. der CSU. Die Studenten die in Teilen vom Staat unterstützt werden werden Arbeitnehmer die z. B. für die Rente sorgen und (zum Teil) die Fachkräfte sind die Deutschland aktuell fehlen. Ich schätze Claudia Roth wirkt, obwohl sie als vermögend zu bezeichnen ist, schlichtweg authentisch. Und nicht alle linken Studenten sind kommunistisch und wollen das Kapital abschaffen, Grüne sind Mitte bis Links und selbst dem bayrischen Verfassungsschutz ist klar dass "Antifaschismus" nicht mit linksextremen Thesen gleichzusetzen ist.
Hätten Sie genau gelesen, dann hätten Sie vetstanden.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden