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Konflikte in der Türkei: Auch Augsburger Türken gehen auf die Straße

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Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters: So reagieren Deutsch-Türken in Augsburg

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    Aydin Aslan, Nilay K. und Süleyman K. (von links) treiben in Augsburg die Proteste gegen die Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu voran.
    Aydin Aslan, Nilay K. und Süleyman K. (von links) treiben in Augsburg die Proteste gegen die Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu voran. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Die Menschen mit türkischer Einwanderungsgeschichte in Augsburg sind vorsichtig geworden. Öffentlich reden über die Situation in der Türkei will in diesen Tagen niemand. Ein Mann auf einer Parkbank vor der Kammgarnmoschee sagt: „Die jungen Leute gehen zu Recht auf die Straße. Sie sollten nicht verhaftet werden.“ Seinen Namen möchte er lieber nicht sagen. 77 Jahre ist er, hat 26 Jahre in der Kammgarnspinnerei gearbeitet, ist seit 2001 Deutscher. Die aktuellen Nachrichten aus der Türkei besorgen ihn. „Jeden Tag nur Korruption, Mord und Totschlag.“ Er schüttelt den Kopf. Wie ihm geht es vielen Menschen aus der Türkei, die in Augsburg leben. Ein Stimmungsbild.

    Dass Ekrem Imamoglu, der vor wenigen Tagen verhaftete Oberbürgermeister der 18-Millionen-Stadt Istanbul, zu Unrecht im Gefängnis sitzt, glaubt der Mann vor der Kammgarnmoschee nicht. „Er ist ein Dieb, genau wie der jetzige Staatspräsident.“ Wie könne man, sagt er, für ein Konzert hunderttausende Euro ausgeben, während Bürger der Stadt hungern, die Inflation davongaloppiert, das versteht der Mann auf der Bank nicht. „Wenn Sie dort Ihre Rente abholen, sagen wir 100 Euro, dann ist die weg, bevor Sie zu Hause ankommen.“

    Proteste in der Türkei: Auch in Augsburg wollen Türken auf die Straße gehen

    Die Türkei war immer schon ein Staat, der Teilen der eigenen Bürger Angst einjagt. Doch jetzt ist es anders. Die Empörung über die Verhaftung von Ekrem Imamoglu treibt in der Türkei seit Tagen Millionen auf die Straßen. Diese Welle hat auch Augsburg erreicht. Am Samstag wird das Atatürk Kültür ve Sanat Merkezi, das Atatürk-Zentrum für Kultur und Kunst, ein 2020 gegründeter Verein, eine Demonstration für „Demokratie in der Türkei“ durchführen. Der Vorsitzende Ali Osman Aslaner hofft auf mehrere hundert Teilnehmer.

    Eine andere Gruppe, etwa 100 Deutsch-Türken und -Türkinnen, bereiten die Gründung einer CHP-Sektion vor, also eine Vertretung der „Republikanischen Volkspartei“ des inhaftierten Istanbuler Bürgermeisters Imamoglu. Imamoglu gilt als größter politischer Konkurrent des aktuellen Staatspräsidenten Erdogan. Noch nach seiner Inhaftierung wählten über eine Million Parteimitglieder ihn zu ihrem nächsten Präsidentschaftskandidaten. „Diese Verhaftung war politisch motiviert, um ihn als Rivalen auszuschalten. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht“, sagt Aydin Aslan (52). Zusammen mit den Augsburgern Süleman K. (47) und Nilay K. (50) treibt er jetzt die Proteste in Augsburg voran.

    Der technische Zeichner Aslan lebt seit 25 Jahren in der Stadt, hat wie auch Süleyman K. und rund 11.000 der etwa 21.000 Augsburger mit türkischem Migrationshintergrund die türkische Staatsbürgerschaft. Um die demokratischen Reste seiner Zweit-Heimat Türkei zu bewahren, sagt er, sei eine schlagkräftige Organisation wichtig. Die CHP-„Vertretung“, die er seit zwei Jahren für Augsburg innehat, will er jetzt zu einem Verein ausbauen. „Die Unterstützung unter Augsburger Türken ist da, das haben wir bei der letzten Wahl 2023 gesehen.“ Der geplante Verein soll an die 2022 gegründete CHP-Zentrale in Köln gebunden sein.

    Am Sonntag ist in Augsburg eine Unterschriftenaktion geplant

    Schon am Sonntag wollen um Aydin Aslan, Süleyman K. und Nilay K. mit einer CHP-Unterschriftenaktion anfangen. Ab 10 Uhr werden in der Alevitischen Gemeinde Lechhausen Listen ausliegen, in denen sich türkische Staatsbürger und Deutsche mit dem sogenannten blauen Identitätsausweis der Türkei eintragen können. Gefordert werden die Freilassung Imamoglus und Neuwahlen. „Die Regierung muss zurücktreten, sie hat sich zu viel geleistet. 15 Millionen Menschen haben vor zwei Wochen symbolisch für die Kandidatur Imamoglus als Präsidentschaftskandidat mit abgestimmt“, erklärt Süleyman K. Die Unterschriftenaktion dauert mehrere Wochen, die Listen werden in den nächsten Tagen auch an verschiedenen CHP-Ständen in der Augsburger Innenstadt ausliegen.

    In Vorbereitung ist derzeit auch eine Demonstration. Aslan will hierfür innerhalb der nächsten zwei Wochen Kooperationen mit Parteien und Organisationen der Augsburger Zivilgesellschaft aufbauen. „Die Demokratie in der Türkei zu bewahren, ist mit Blick auf Russland auch für die Sicherheitspolitik Deutschlands wichtig. Ganz Europa braucht in der Türkei verlässliche Verhältnisse“, betont Aslan. Für den Mann auf der Bank vor der Moschee haben die Konflikte Folgen. „Mit meinen Freunden habe ich noch nie so geredet wie jetzt mit Ihnen. Ich schlucke meine Kritik an Erdogan um des Friedens willen herunter.“

    Info: Am Samstag, 5. April, gibt es um 15 Uhr am Moritzplatz eine Demonstration unter dem Titel „Solidarität mit Imamoglu, Demokratie für die Türkei“, veranstaltet vom Atatürk Kültür ve Sanat Merkezi. Am Sonntag, 6. April, startet ab 10 Uhr in der Alevitischen Gemeinde, Bozener Straße 4A, die Unterschriftenaktion der CHP-Vertretung Augsburg.

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